Nach den harten Kriegsjahren (1914-18) wollte die arbeitende Bevölkerung nicht mehr Hunger und Elend ertragen, sondern eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft durchsetzen. Angespornt durch das Beispiel der russischen Oktoberrevolution, bildeten die Arbeiter und Soldaten in den deutschen Industriezentren demokratische Machtorgane, die Räte.
Doch die SPD-Führung "hasste die Revolution wie die Pest" (Friedrich Ebert) und war bereit, in Zusammenarbeit mit reaktionären Kräften die Revolution niederzuschlagen. Diese Erfahrung radikalisierte die Arbeiterschaft und ließ zunächst die 1917 aus einer linken Abspaltung von der SPD hervorgegangene USPD zu einer Massenkraft werden.
Bis 1923 versuchten die Arbeiter immer wieder, das alte System zu stürzen. 1920 und 1923 erlebte Deutschland mächtige Generalstreiks, wie es sie seither in puncto Ausmaß und Entschlossenheit nicht mehr gegeben hat. Doch weil keine der vorhandenen Arbeiterparteien (SPD, USPD, später auch die KPD) in der Lage war, diese Kraft richtig zu bündeln, konnte der Kapitalismus immer wieder Tritt fassen.
Aber immerhin erreichte die Arbeiterklasse als "Abfallprodukt" ihres revolutionären Kampfes weitreichende Zugeständnisse von Seiten der herrschenden Klasse, wie z.B. den 8-Stunden-Tag, das Betriebsrätegesetz und demokratische Rechte und Freiheiten, wie es sie in Deutschland noch nie gegeben hatte. Die Weimarer Republik und die bürgerlich-demokratische Verfassung waren ein unfreiwilliger Kompromiss zwischen den zwei großen gesellschaftlichen Klassen. Die Kapitalisten bezahlten die Aufrechterhaltung ihres Ausbeutersystems mit - gezwungenermaßen - weitreichenden Zugeständnissen an die Arbeiterklasse. Früher oder später musste es zum Kräftemessen kommen. Die Arbeiter betrieben die Vorbereitungen dafür durch den Aufbau von starken Arbeiterorganisationen (Gewerkschaften, SPD und KPD), die Kapitalistenklasse durch die Unterstützung völkisch-nationalistischer, reaktionärer und faschistischer Kräfte.
Inflation
Während des Ersten Weltkrieges waren der Lebensstandard und die Löhne der arbeitenden Massen stark gesenkt worden. Die Kapitalisten steckten gigantische Summen ein. Die Kriegswirtschaft war profitabel. Als jedoch nach dem verlorenen Krieg die Schulden bezahlt werden mussten, wurde die Inflation angeheizt. Die Folge war eine Enteignung der "kleinen Leute", deren Ersparnisse und Löhne/Gehälter nun nichts mehr wert waren. Andererseits begünstigte die Inflation die großen Investitionen der Industrie auf Kreditbasis, da die Schulden wegen des Währungsverfalls leicht zu tilgen waren. Der Staat wurde durch die ausgiebige Betätigung der Notenpresse innerhalb kürzester Zeit (kriegs-) schuldenfrei. Gleichzeitig blieben die Reallöhne unter dem Stand von 1913. So konnte die Industrie billig produzieren und den Außenhandel ausweiten.
So kam es - nachdem auch im Krisenjahr 1923 die Chance zu einer radikalen gesellschaftlichen Veränderung durch die Arbeiterklasse verpasst worden war - zu einer politischen Stabilisierung und einem erneuten Aufschwung der Wirtschaft in den Jahren 1924 bis 1929, der als die "goldenen 20er Jahre" bezeichnet wurde. Doch bereits 1929 kam es in den USA zum großen Börsenkrach. Durch eine Überproduktionskrise fielen die Aktienkurse in atemberaubendem Tempo. Im Gefolge des US-Kapitalismus geriet auch der deutsche Kapitalismus in die Krise, da hier der Aufschwung u.a. mit mittelfristigen US-Krediten finanziert worden war.
Über 6 Millionen Arbeitslose
Wieder einmal zeigte sich, dass die kapitalistische Ordnung auf Dauer nicht die Lebensinteressen der Menschen befriedigen kann. Von 1930 bis 1932 gab es über 70.000 Betriebsschließungen. Die Arbeitslosigkeit schwoll an:
1928 1,9 Millionen 1929 2,8 1930 3,2 1931 4,9 1932 6,1 1933 6,1
Das sind aber nur die offiziellen Zahlen. In Wirklichkeit gab es zur Spitzenzeit über 8 Millionen Arbeitslose. Die Wirtschaftskapazität wurde absolut nicht genutzt. Etwa die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung hatte keinen Arbeitsplatz, und das bei minimalen Sozialleistungen. Zwangsläufig kam es so zu Hunger und Elend. Der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung war klar, dass eine radikale Änderung eintreten musste. Die Masse wollte eine Lebensperspektive, eine bessere Zukunft erkämpfen.
Die Entstehung der faschistischen Bewegung
Der Kern des deutschen Faschismus waren die völkisch-reaktionären Freikorps, die zu Beginn der Weimarer Republik zur Niederschlagung der Revolution eingesetzt wurden. Sie rekrutierten sich aus Angehörigen der kaiserlichen Armee und gescheiterten Existenzen, die kein geregeltes Leben mehr führen konnten. Als nach dem Versailler Vertrag die Stärke der Reichswehr auf 100.000 Mann begrenzt wurde, konsolidierten sich diese Landsknechte in den Freikorps und der völkischen Bewegung.
Schon im März 1920 starteten diese Banden unter Kapp/Lüttwitz einen Putschversuch, sie wurden jedoch durch einen Generalstreik der Arbeiter niedergeschlagen. Im November 1923 versuchte Hitler zu putschen - doch ohne Erfolg, weil damals noch keine breite Massenbasis zur Unterstützung der Nazi-Banden vorhanden war.
Diese Basis wurde erst mit der großen Krise 1929/30 geschaffen. Noch im Mai 1928 erhielt die NSDAP bei den Reichstagswahlen nur 2,6% der Stimmen. Der Erdrutsch kam im September 1930 mit 18,3% und steigerte sich im Juli 1933 auf 37%. Danach sank die Stimmenzahl wieder ab. Zur gleichen Zeit hatten die Arbeiterparteien SPD und KPD zusammen durchgängig etwa 40% oder knapp darüber.
Doch die Nazi-Anhängerschaft war bunt zusammengewürfelt: Angestellte, kleine Gewerbetreibende, Bauern, Intelligenz, Beamtenschaft und Teile der politisch weniger bewusste Arbeiterschichten bildeten die Basis. Kleinbürger, die in der Inflation 1923 ihre Ersparnisse verloren hatten und deren Lebensweise sich unter der kapitalistischen Krise ab 1929 der des Proletariats anglich, verzweifelten und suchten den Weg "zurück in die guten alten Zeiten". Hitlers wirres und phrasenhaftes Programm schien ihnen unter dem Deckmantel nationaler Größe einen Ausweg aufzuzeigen. Und wirklich - ihre objektive Lage war verzweifelt. Zum ersten Mal wurden auch diese Schichten von Arbeitslosigkeit und sozialem Elend getroffen und fanden sich zusammen mit den von ihnen verachteten Proletariern in einer Schlange vor dem Arbeitsamt oder der Armenspeisung. So wurden sie in ihrer konterrevolutionären Verzweiflung bestärkt.
Die Nazi-Banditen hinterließen durch ihren rücksichtslosen Straßenterror bei ihnen den Eindruck von Stärke und Entschlossenheit. Und die Nazis setzten an den unterschiedlichsten Bewusstseinsformen an, schürten Vorurteile und Judenhass. Gleichzeitig führte die NSDAP (man beachte alleine den Namen "Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei") auch "sozialistische" Phrasen im Munde, wetterte gegen das "raffende Kapital" und forderte beispielsweise die "Brechung der Zinsknechtschaft". Diese Phrasen zu entlarven, wäre Aufgabe der Arbeiterbewegung gewesen.
Die Fehler der Arbeiterparteien
Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg richtete sich der Blick wichtiger Teile des Kleinbürgertums zunächst auf die revolutionären Arbeiter, von denen sie eine Veränderung der Situation erwarteten. Doch sie wurden enttäuscht, als die Führer der Arbeiterparteien mehrmals versagten. Verzweifelt und voller Hass auf die Arbeiterbewegung suchten sie nach etwas Neuem und fanden den "Führer". Die SPD, die immer noch die "schweren Bataillone" der Arbeiterbewegung (Facharbeiter, Gewerkschafter, Betriebsräte) hinter sich hatte, wollte laut damaligem Grundsatzprogramm durch viele kleine Schritte im Rahmen der bürgerlichen Demokratie zum Sozialismus gelangen und beteiligte sich bis 1930 mehrmals an Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Unternehmerparteien. Waren in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs noch einige kleinere Reformen möglich, so wurde unter den Schlägen der Krise ihre Politik zu einem "Reformismus ohne Reformen", zu Reform- und Sozialabbau. Durch das Mittragen von Aufrüstungspolitik (Panzerkreuzerbau) und Tolerierung der Brüning-Regierung (1930-32) enttäuschte sie ihre Anhänger, die nach einem sozialistischen Ausweg aus der Krise suchten. Es kam wieder zur Herausbildung einer linken Opposition und zur linken Abspaltung hin zur SAPD, der sich damals auch der junge Willy Brandt anschloss.
Die rechten SPD-Führer glaubten noch an den "demokratischen Geist" der Weimarer Republik, als das Kapital schon längst auf Hitler gesetzt hatte. Und da Hitler 1933 "legal" aufgrund der Ernennung durch Reichspräsident Hindenburg an die Macht gekommen war, lehnte die SPD-Spitze außerparlamentarische Widerstandsmaßnahmen gegen Hitler ab.
Neben der SPD hatte auf der Linken die KPD ebenfalls Massenanhang. Doch nach der Entartung des russischen Arbeiterstaates war sie zu einer außenpolitischen Agentur der stalinistischen Kreml-Bürokratie herabgesunken. Ende der 1920er Jahre vollzog die KPD die Wendung zur Sozialfaschismus-"Theorie". Stalin äußerte in der "Roten Fahne": Die Sozialdemokratie ist objektiv der gemäßigte Flügel des Faschismus. Und weiter: "Faschismus und Sozialdemokratie sind keine Antipoden, sondern Zwillinge." Aber auch in anderer Hinsicht befand sich die Partei in Verwirrung: Die jetzige Krise sei die Endkrise des Kapitalismus, der jetzt von selbst zusammenbreche. Deswegen gebe es eine allmähliche "Faschisierung" des Systems, danach würden die Faschisten an die Macht kommen. Und endlich: "Nach Hitler kommen wir." Dies war offenkundiger Unsinn. Gerade die verpassten Chancen 1918 bis 1923 bewiesen, dass der Kapitalismus immer einen Ausweg findet, solange er nicht bewusst gestürzt wird.
Mit solchem politischen Schwachsinn entwaffnete die KPD ihre vielen Anhänger politisch. Wenn tatsächlich alles rechts von der KPD "faschistisch" wäre, dann wäre es ja egal, ob die Sozialdemokraten, die bürgerlichen Parteien, die Notverordnungskabinette zwischen 1930 und 1933 oder gar Hitler regierten. Dann bestünde kein Unterschied mehr zwischen offener Arbeit in der bürgerlichen Demokratie und der Zerschlagung der Arbeiterparteien durch die faschistische Massenbewegung.
Doch die praktische Konsequenz war noch verheerender. So spaltete die KPD die Gewerkschaftsbewegung und gründete eigene "revolutionäre" Gewerkschaften. Jegliches Zusammengehen mit Sozialdemokraten wurde abgelehnt, sofern diese nicht vorher das KPD-Programm anerkannten.
Es fehlte die Einheitsfront von SPD und KPD
Nur die vereint kämpfende Arbeiterbewegung hätte die Nazi-Banditen schlagen können. SPD und KPD erreichten bei den Wahlen immer ca. 40% der Stimmen. Das wäre auch die einzige Kraft gewesen, die mit Aussicht auf Erfolg auch wieder große Teile des verzweifelten Kleinbürgertums für eine sozialistische Lösung der Krise hätte gewinnen können.
Es stimmt nicht, dass die deutschen Arbeiter nichts gegen die Faschisten unternehmen wollten oder sogar den "starken Mann" herbeisehnten. Hitlers NSDAP war eine vom Großkapital finanzierte Massenbewegung verzweifelter Kleinbürger. In freien Wahlen konnte sie nie eine Mehrheit erringen. Doch die verhängnisvolle Politik der Arbeiterführer bewirkte die Spaltung und Passivität der Arbeiterschaft und half den Nazis, an die Macht zu kommen. Die Führer von SPD und KPD überließen den Faschisten kampflos das Feld. Gegen den Kapp-Putsch 1920 wurde noch ein erfolgreicher Generalstreik geführt. 1923 konnte ein Generalstreik die bürgerliche Cuno-Regierung zum Rücktritt zwingen. Doch 1933 kam nichts, obwohl SPD- und KPD-Mitglieder in den Parteibüros saßen und auf das Signal zum Kampf warteten.
Trotz des Versagens der Arbeiterführer konnten die Nazis keine wirklich nennenswerte Basis unter der Arbeiterschaft gewinnen: bei den landesweiten Betriebsratswahlen im Herbst 1933 erhielten sie keine 3% der Stimmen.
Nazi-Terror und Ausrottung
Gewerkschaften, SPD und KPD wurden verboten, Tausende Arbeiter in KZs gesteckt und ermordet. Der Terror und die brutale Unterdrückung begannen. Damit hatte das Kapital sein Ziel erreicht. Durch Aufrüstungspolitik strebte es zum Krieg.
Siehe hierzu: Holocaust: Zum 65. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen KZ Auschwitz
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