Kategorie: Deutschland

Einige Gedanken zur Bayernwahl

Die Landtagswahl in Bayern am 15. September war der letzte Urnengang vor der Bundestagswahl am kommenden Sonntag.  Welche Signale gehen von dieser Wahl aus?

“In Bayern ticken die Uhren anders”, tönt es aus vielen Mündern. Diese platte Aussage stimmt und stimmt auch nicht. In Bayern war immerhin ein Sechstel aller Wahlberechtigten der  Republik zur Stimmabgabe aufgerufen – in ländlichen, abgelegenen und “strukturschwachen” Regionen ebenso wie in den Metropolen München und Nürnberg.

 


Bayern sticht aber noch mit seiner relativ stabilen wirtschaftlichen Lage im Bundesvergleich hervor. Sicher gibt es auch im weiß-blauen “Freistaat” Massen von Niedriglöhnern und Leiharbeitern, aber die Erwerbslosigkeit ist hier noch niedriger als im Norden, Westen und Osten der Republik. Bayerns Industrie hat eine hohe Exportquote und könnte sich dadurch auch als sehr krisenanfällig erweisen. Aber noch herrscht der Eindruck relativer Sicherheit und Stabilität vor und scheint die Krise in Südeuropa Lichtjahre entfernt.

 

So ist es der CSU, die einzig in Bayern besteht gelungen, ihr Ansehen als die Volks- und Staatspartei im Freistaat zu verteidigen und wieder an die bis 2008 anhaltende jahrzehntelange Serie absoluter Landtagsmehrheiten anzuknüpfen. Zwar liegt sie mit 47,7 Prozent noch deutlich unter der 50 Prozent-Marke und den Traumergebnissen zwischen 56 und 62 Prozent in früheren Jahrzehnten. Doch dieser Wert reicht bei weitem aus für eine absolute Sitzmehrheit im Münchner Landtag. Die vollmundige Aussage Seehofers, “jeder zweite Bayer” habe CSU gewählt, ist allerdings ebenso prahlerisch wie falsch. Angesichts einer Wahlbeteiligung von 63,9 Prozent repräsentiert die CSU nur 29,9 Prozent und damit weniger als ein Drittel aller wahlberechtigten Frauen und Männer im Freistaat.

 

Alles in allem sieht sich die CSU und ihre Schwesterpartei CDU jetzt dennoch dem Ziel näher, bei der Bundestagswahl am Sonntag die Kanzlerschaft der CDU-Chefin Angela Merkel zu verteidigen. Unter ihrem Partei- und Regierungschef Horst Seehofer hat die CSU rechtzeitig auch Themen aus dem Weg geräumt, die ihr hätten gefährlich werden können. So entschloss sich Seehofer unter dem Eindruck einer anlaufenden Initiative für ein Volksbegehren zur Abschaffung von Studiengebühren an bayerischen Hochschulen im vergangenen Winter selbst zum Kursschwenk um 180 Grad und ließ die Gebühren kurzfristig absetzen. Erinnern wir uns an die Situation in Hessen vor gut fünf Jahren: Dort trug die Protestbewegung gegen Studiengebühren mit zum 12-Prozent-Absturz der CDU Bei der Landtagswahl im Januar 2008 bei.

 

Mit der Abkehr von den Studiengebühren und verbalen Signalen, die Illusionen in eine “Sozialdemokratisierung” der CSU weckten, stellte Seehofer seinen (bisherigen) Koalitionspartner FDP vor vollendete Tatsachen und vermittelte – gewollt oder ungewollt – den Eindruck, dass die FDP eigentlich überflüssig ist. So wurde die FDP als kleine Partei des großen Geldes und Interessenvertretung des obersten Prozents mit nur noch 3,3 Prozent aus dem Landtag und der Regierung katapultiert. Viele, die 2008 mit einer Stimme für die FDP der skandalumwitterten “Staatspartei” CDU einen Denkzettel verpassen wollten, kehrten jetzt wieder in der christsozialen Schoß zurück. Bei der FDP hat nun das große Zittern um ihre parlamentarische Zukunft und ihren Rang als Regierungspartei begonnen - im Bund und auch in Hessen, wo ebenfalls am kommenden Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird. Nach der schmerzlichen Niederlage in Bayern sind die Liberalen nur noch in Sachsen, Hessen und im Bund in der Regierung vertreten. Allerdings ist Vorsicht angebracht:  So könnten mediale Signale – ähnlich wie bei den zurückliegenden Wahlen in Niedersachen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – wieder unter hartgesottenen bürgerlich-konservativen Wählern Mitleid auslösen und den Liberalen genügend “Leihstimmen” bescheren, um irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent zu landen und ihre “parlamentarische Haut” zu retten. Die große Unbekannte ist allerdings die neue reaktionäre und radikalliberale “Alternative für Deutschland” (Afd), die sich als “Anti-Euro-Partei” zu profilieren versucht und am Sonntag im Bund und in Hessen auf abtrünnige ehemalige Anhänger von Union und FDP spekuliert. In Bayern war die AfD zur Landtagswahl nicht angetreten, für die Bundestagswahl hat sie allerdings in allen Ländern Landeslisten aufgestellt.

 

Auch wenn sich die SPD (20,6%) offiziell euphorisch gibt, weil sie im weiß-blauen Freistaat endlich mal wieder über 20 Prozent liegt (so entwöhnt ist sie – früher errang sie hier schon mal über 35 Prozent!), fuhr sie ihr drittschlechtestes Ergebnis in Bayern seit 1946 ein. Sie profitierte nicht von den vielen Skandalen und Krisen der CSU und verfehlte das Ziel, sich als die politische Alternative im Land zu präsentieren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ihr Spitzenmann Christian Ude als OB in München seit gut 20 Jahren unangefochten regiert. Auch wenn die SPD am kommenden Sonntag im Bund deutlich über den bayerischen Werten liegen wird, ist der mäßige Zugewinn in Bayern eher ein Dämpfer für die sozialdemokratischen Wahlkämpfer im gesamten Bundesgebiet. Die Chance und Zuversicht ihrer Anhänger, dass die SPD und die in Bayern mit 8,6 Prozent schwächelnden Grünen aus eigener Kraft eine Bundestagsmehrheit erreichen, dürfte damit nicht gewachsen sein.

 

Sollte Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundestag nicht verteidigen, so rückt eine Neuauflage der “schwarz-roten Koalition aus CDU/CSU und SPD wieder in den Bereich des Möglichen. Diese Variante dürfte dann aber neue Spannungen und große Verwerfungen in der SPD auslösen. “Dies würde die SPD bundesweit unter 20 Prozent drücken”, prophezeite Klaus Wiesehügel, der Schatten-Arbeitsminister im Kompetenzteam von SPD-Spitzankandidat Peer Steinbrück, jüngst auf Anfrage bei einer Wahlkampfveranstaltung.

 

Von einer Bayernwahl war übrigens schon einmal ein bundesweiter Anstoß für eine Parteineugründung ausgegangen. Als die SPD 2003 unter dem Eindruck der “Agenda 2010” massenhaft ihre traditionelle Anhängerschaft vor den Kopf stieß und aufgrund massiver Enthaltung bisheriger WählerInnen aus der Arbeiterklasse um neun Prozentpunkte auf 19,6 Prozent abstürzte, gaben hauptamtliche IG Metall- Gewerkschaftssekretäre in Bayern den Anstoß zur Bildung einer Initiative, aus der später die Partei WASG und 2007 durch Fusion mit der ehemaligen PDS die bundesdeutsche Partei DIE LINKE wurde. Nach dem Achtungserfolg bei der Landtagswahl 2008 (4,4 Prozent) und bei der Bundestagswahl 2009 (6,5 Prozent) ist DIE LINKE jedoch wieder auf 2,1 Prozent abgesunken und hat damit gegenüber 2008 gut die Hälfte und gegenüber dem Potenzial bei der Bundestagswahl über zwei Drittel ihrer (früheren) Wählerschaft verloren. Nach den Misserfolgen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigt sich: Die soziale Verankerung der neuen Partei in den westdeutshen Flächenländern ist bisher nicht wesentlich vorangekommen. Selbst in der nordbayerischen  Industriestadt Schweinfurt, die als eine Wiege und Hochburg der LINKEN gilt, rutschte die Partei auf 3,8 Prozent ab, während die SPD mit 20,4 Prozent offensichtlich noch deutlich größere soziale Reserven in der Arbeiterschaft hat. Nach einer ersten Analyse stimmten  – sofern sie überhaupt wählen gingen – bayernweit 20 Prozent der Arbeiter für die SPD und vier Prozent für DIE LINKE. Nach einer weiteren Sofortanalyse verlor DIE LINKE gegenüber 2008 bayernweit von der damaligen Wählerschaft (seinerzeit rund rund 250.000 Menschen) 20.000 Stimmen an die CSU (!), 40.000 Stimmen an die SPD und 20.000 an das Lager der Nichtwähler. Abgesehen von bayerischen Besonderheiten zeigt dies: Die Hoffnungen, die die neue Partei DIE LINKE 2008 und 2009 weckte, sind für viele nicht aufgegangen. Die Chancen, eine wirkliche Verankerung in Stadt und Land, in Betrieben, Gewerkschaften und Bildungsstätten aufzubauen, wurden offensichtlich nicht genutzt.  Abgesehen davon, dass sich die mangelnde Verankerung in der Gesellschaft nicht in wenigen Wochen Wahlkampf nachholen lässt, fand in weiten Landstrichen kein wirkungsvoller Wahlkampf statt.

 

Noch kurz zu den anderen Parteien. 2011 und 2012 gelang der Piratenpartei in einem Siegeszug der Sprung in mehrere Landtage. Diese Erfolgsserie ist nun mit den 2,0 Prozent bei der Bayernwahl beendet. Ähnlich stark schnitten die ödp (2,0) Prozent und die Bayernpartei (2,1 Prozent) ab. Erfreulich und bezeichnend sind einzig und allein die Verluste am rechten Rand: Sowohl die neofaschistische NPD (0,6 Prozent) als auch die rassistischen Republikaner (1,0 Prozent) verloren absulut und relativ an Stimmen. Vergessen wir nicht, dass die Republikaner in 1983 in Bayern als rechte Abspaltung von der CSU aus der Taufe gehoben wurden und nach spektakulären bundesweiten Erfolgen in den 1990er Jahren jetzt offensichtlich wieder in der Bedeutungslosigkeit gelandet sind.

 

In den verbleibenden Wahlkampftagen bis zum Sonntag geht es darum, für die Abwahl von Schwarz-Gelb im Bund und in Hessen und eine starke LINKE Opposition zu kämpfen. Nach dem Wahltag werden neue und schmerzhafte Angriffe auf unseren Lebensstandard und unsere Lebensqualität folgen. Die kapitalistische Krise ist nicht ausgestanden, auch wenn in den Wahlen die Illusion stärker zum Tragen kommt als die Wirklichkeit. Wir müssen uns politisch und praktisch auf die unvermeidlichen großen Auseinandersetzungen und Klassenkämpfe vorbereiten und eine längerfristige linke Machtalternative aufbauen, die einen konsequenten sozialistischen Ausweg aus der Krise aufzeigt.

 

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