Kategorie: Deutschland

Widerstand gegen Krankenhausprivatisierungen geht weiter

Mit der Übergabe von knapp 3400 Unterschriften an Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) haben die Initiatoren eines Bürgerbegehrens gegen die Zwangsverkauf des Klinikums Offenbach am 2. Januar eine erste Hürde genommen. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, einen im November 2012  gefassten Grundsatzbeschluss der Stadtverordnetenversammlung pro  Privatisierung zurückzunehmen und das Krankenhaus in kommunaler Hand zu  belassen. Das Offenbacher Bürgerbegehren hatten vor allem LINKE,  Piratenpartei und Jusos aktiv unterstützt.


 

Die Unterschriftensammlung fand überwiegend bei Wind und Wetter in der Vorweihnachtszeit und „zwischen den Jahren“ statt. Die Bereitschaft zur Unterschrift war in der Bevölkerung sehr groß. Für die Zulassung eines Bürgerbegehrens ist laut Hessischer Gemeindeordnung in Großstädten die Unterstützung von mindestens drei Prozent der Wahlberechtigten erforderlich, in Offenbach entspricht dies knapp 2400 gültigen Unterschriften. Diese Hürde wurde deutlich übertroffen, selbst wenn nach aller Erfahrung bis zu 20 Prozent der Unterschriften aus unterschiedlichsten Gründen ungültig sein sollten. Nun könnte, falls sich das Stadtparlament in seiner Sitzung Anfang Februar nicht dem Begehren anschließt, bis Sommer ein Bürgerentscheid folgen. Damit hätte die Bevölkerung das letzte Wort über die Privatisierung. In der Stadtverordnetenversammlung hatten nur LINKE und Piraten mit „Nein“ gestimmt. Vorangegangen waren ein monatelanges Tauziehen und Protestaktionen. Das Darmstädter Regierungspräsidium als kommunale Aufsichtsbehörde und verlängerter Arm der Landesregierung erhöhte den Druck auf die hoch verschuldete, von einer Koalition aus SPD, Grünen und Freien Wählern geführte Stadt und drängte sie zur Weichenstellung in Richtung Privatisierung. In der Offenbacher SPD ist der Grundsatzbeschluss für einen Zwangsverkauf sehr umstritten. „Wir wollen der Landesregierung die rote Karte zeigen, weil wir uns dem Privatisierungszwang nicht beugen wollen“, erklärt Yasmin Mahlow von den Offenbacher Jusos.

 

Nicht ins Bockshorn jagen lassen!

 

Von dem im November angelaufenen Bürgerbegehren hatten sich ver.di und DGB leider rasch distanziert. Hier verweist man auf „Ängste“ in der Belegschaft vor einer Insolvenz des Klinikums. Mit diesem Schreckgespenst wollen die Privatisierer die Belegschaft gefügig machen. Sie stellen die Privatisierung als „letzte Rettung“ des Betriebs und der Arbeitsplätze dar. So hatte der hessische Sozialminister und Offenbacher Landtagsabgeordnete Stefan Grüttner (CDU) der Stadt kurzfristige Finanzspritzen für das verschuldete Klinikum unter der Bedingung in Aussicht gestellt, dass der Verkauf bis Ende März eingeleitet wird. Trotz aller Propaganda haben jedoch auch viele beschäftigte des Klinikums das Bürgerbegehren unterstützt. Es ist ein Märchen, dass eine Kommune ein großes Krankenhaus einfach schließen könnte wie ein Privatkonzern eine Gummibärchenfabrik. Schließlich besteht eine gesetzliche Betreiberpflicht und wäre es eine Aufgabe von Gewerkschaften, gegen solche Erpressungsversuche und Privatisierungs-Sachzwänge zu mobilisieren. Grüttner würde im Wahljahr 2013 kaum wagen würde, einer kommunalen Klinik „den Saft abzudrehen“. Die hessische CDU-FDP-Landesregierung muss nach aktuellen Umfragen damit rechnen, dass sie Ende 2013 abgewählt wird. Bis dahin möchte sie allerdings noch so viel privatisieren und „verbrannte Erde“ hinterlassen wie möglich. So setzt sie besonders verschuldete Kommunen unter Druck und bietet ihnen einen (trügerischen) finanziellen „kommunalen Schutzschirm“ an, wenn sie sich im Gegenzug zu strikten Ausgabenkürzungen und Privatisierungen bereit erklären. Leider machen die allermeisten der betroffenen Kommunen auch mit Beteiligung von SPD und Grünen dieses zynische „Spiel“ mit, anstatt gemeinsam mit Beschäftigten und Gewerkschaften eine starke Gegenwehr aufzubauen und damit die Wechselstimmung im Lande zu verstärken. Das Land ist seiner gesetzlichen Pflicht, die Kommunen mit ausreichend Geld für Krankenhausgebäude und medizinische Geräte auszustatten, seit Jahren nicht nachgekommen. Ein Verkauf des Klinikums ist „für Bürger, Patienten und die Stadt selbst der schlechteste Weg“, sagt Robert Weißenbrunner, Kreisvorsitzender der Offenbacher LINKEN: „Die Bürger müssen mit einer schlechteren Versorgung rechnen und gleichzeitig würde die Stadt trotz Einnahmen durch den Verkauf auf einen großen Teil der Schulden des Klinikums sitzen bleiben.“ Als ein möglicher Kaufinteressent kommt die Rhön Klinikum AG (RKA) in Frage. Der Konzern hatte erst im vergangenen Frühjahr die kommunalen Wiesbadener Dr. Horst Schmidt-Kliniken und schon 2006 das Universitätsklinikum Gießen-Marburg übernommen. Der zuständige hessische ver.di-Fachbereichsleiter Georg Schulze-Ziehaus sitzt im RKA-Aufsichtsrat und hatte bereits vor einem Jahr von einem Bürgerbegehren in Wiesbaden abgeraten. Auch in Offenbach hat er sich gegen das Bürgerbegehren ausgesprochen.

 

Demokratie aushebeln

 

In den letzten zehn Jahren gab es bundesweit mehrere erfolgreiche Bürgerbegehren und Bürgerentscheide bzw. Volksabstimmungen gegen Krankenhausprivatisierungen: Dresden, Rottal-Inn-Kreis, Meißen, Hamburg, Nordfriesland. Ein solcher Erfolg ist jetzt auch in Offenbach in greifbare Nähe gerückt. Grüttner möchte dies offenbar verhindern. Er bezweifelt den im Bürgerbegehren gemachten Finanzierungsvorschlag, meldete die FAZ. Dies lässt befürchten, dass er eine faire Abstimmung verhindern und das Bürgerbegehren per Gericht stoppen will und dafür formale Begründungen sammelt. Solche Tricks zur Aushebelung demokratischer Rechte sind in Hessen schon Gang und Gäbe. So haben in Wiesbaden die Initiatoren eines von Gewerkschaften und Oppositionsparteien getragenen Bürgerbegehrens gegen die Privatisierung der kommunalen Dr. Horst-Schmidt-Klinik (HSK) im Frühjahr 2012 mehr als doppelt so viele Unterschriften gesammelt wie erforderlich. Aber anstatt der Bevölkerung das letzte Wort zu geben, besorgte sich die Wiesbadener CDU-SPD-Stadtregierung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in zweiter und letzter Instanz ein fadenscheiniges und politisch motiviertes Urteil, das das Bürgerbegehren http://www.derfunke.de/content/view/1155/54/ für „verfristet“ erklärte und damit jäh abwürgte. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel mit juristischen Spitzfindigkeiten, um die nach der Hessischen Gemeindeordnung mögliche und erwünschte Bürgerbeteiligung auszuhebeln. Ein harter Kern der Wiesbadener Aktiven verfolgt jetzt akribisch die Veränderungen in der HSK seit der Übernahme der Geschäftsführung durch die RKA und sieht sich angesichts alarmierender Zustände etwa im Bereich Reinigung und Hygiene in seinen Befürchtungen und Warnungen bestätigt. Selbstverständlich halfen auch Wiesbadener Aktivisten im Dezember 2012 in Offenbach bei der Unterschriftensammlung mit. Denn die Erfahrung zeigt: Im Kampf gegen Krankenhausprivatisierung und für Rekommunalisierung brauchen wir einen festen Willen und langen Atem. Privatisierung ist kein Naturereignis und noch weniger gottgewollt, sondern von Menschen gemacht und von privaten Profitinteressen motiviert. Sie kann und muss wieder rückgängig gemacht werden.

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