Kategorie: Deutschland

Wir sind die 99 Prozent! (Editorial der Ausgabe 105)

In unseren Publikationen ist es fast schon zu einem Allgemeinplatz geworden, wenn wir feststellen, dass die Welt aus den Fugen geraten ist.


Wir leben in einer Epoche scharfer und abrupter Wendungen und Überraschungen. 2016 boten Ereignisse wie das Brexit-Referendum in Großbritannien und der Sieg Donald Trumps bei den Präsidentschaftswahlen in der Supermacht USA reichlich Bestätigung und Anschauungsunterricht für diese Aussage.

2017 wird mit Sicherheit mindestens ebenso spannend und für die Herrschenden ebenso unkalkulierbar werden. So wurde Trumps Amtsantritt im Januar von den größten Massenprotesten in den USA seit Generationen begleitet. Der neue US-Präsident überraschte Freund und Feind, als er Mitte April einen Kursschwenk vollzog und den Befehl zum Bombardement gegen Syrien und Afghanistan gab. Dies schürt neue Ängste vor neuen Kriegen und Spiralen der Gewalt.

Der Sieg Erdogans im türkischen Referendum über die Zementierung seiner Präsidialherrschaft ist angesichts der Umstände und massiven manipulativen Einflussnahme denkbar knapp und könnte sich rasch als Pyrrhussieg erweisen, also als ein zu teuer erkaufter Erfolg. Schon häufen sich Berichte, wonach türkische Kapitalisten der „Stabilität“ im Lande nicht mehr trauen und ihr Geld lieber in vermeintlich sichereren Ländern Westeuropas anlegen wollen. Die neue Ordnung im Mittleren Osten, die Trumps Vorvorgänger George W. Bush mit seinen Kriegen gegen Afghanistan und Irak schaffen wollte, liegt buchstäblich in Trümmern. Die Instabilität in der Region nimmt zu.

Linker Hoffnungsträger in Frankreich?

In Großbritannien hat mit der Ausrufung vorgezogener Neuwahlen durch die konservative Premierministerin ein heißes Frühjahr begonnen. In Frankreich, wo kurz nach Redaktionsschluss die erste Runde der Präsidentschaftswahlen stattfindet, verzeichnet der linke Kandidat Jean-Luc Mélenchon steigende Zustimmung und Sympathiewerte. Wer seine Massenkundgebungen verfolgt, spürt die Begeisterung seiner Anhänger und den Wunsch nach radikalen Veränderungen im Interesse der arbeitenden Bevölkerung. Einige Umfragen bescheinigen ihm gar gute Chancen, die rechtsnationalistische Kandidatin Marine Le Pen zu schlagen, wenn er in die Stichwahl käme. Bürgerliche Medien sehen den Zulauf für den „französischen Bernie Sanders“ bzw. den „französischen Hugo Chávez“ mit Sorgen. Unabhängig vom Wahlausgang könnte die von Mélenchon ins Leben gerufene Bewegung „France insoumise“ (rebellisches Frankreich) angesichts der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise in Frankreich zum neuen politischen Hoffnungsträger werden. Nach jahrelangen Angriffen auf ihren Lebensstandard und Arbeitnehmerrechte suchen Millionen Lohnabhängige und Jugendliche einen radikalen politischen Ausweg aus der kapitalistischen Sackgasse.

Deutschland wirkt angesichts der Erschütterungen in aller Welt oberflächlich betrachtet noch als Hort der Stabilität und Insel der Glückseligen. Doch der Schein trügt. Im Vergleich zu anderen Industriestaaten befinden sich hierzulande die Rentenerwartungen im freien Fall. Altersarmut greift um sich. Zehn Millionen Menschen arbeiten unter prekären Bedingungen. Ungleichheit nimmt rapide zu. Nach neuesten Untersuchungen des DIW-Instituts sind die realen Einkommen im obersten Zehntel der Haushalte seit 2000 um mehr als 15 Prozent gestiegen, während die Einkommen in der Mitte (50 Prozent) stagnierten und bei den unteren 40 Prozent real gesunken sind.

Diese zunehmende soziale Ungleichheit verheißt Unzufriedenheit, Wut und Klassenkämpfe. So ist auch die Tradition des 1. Mai als internationaler Kampftag der Arbeiterklasse im 21. Jahrhundert aktueller denn je. Es ist höchste Zeit, dass sich die organisierte Arbeiterbewegung auf ihre Kraft und ihre revolutionären Traditionen besinnt und politisch wie organisatorisch fit macht für die großen Kämpfe. Es ist an der Zeit, dass sie sich selbstbewusst und massiv in das Geschehen einmischt und dem obersten Prozent die Welt aus der Hand nimmt. 

Wir sind die 99 Prozent!

Die aktuelle Ausgabe kann zum Preis von € 2,00 (zzgl. Porto & Verpackung) unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder in unserem Onlineshop erworben werden.

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