Kategorie: Afrika

Südafrikas Gewerkschaften nach Mandela

Der Tod von Nelson Mandela, dem großen Freiheitskämpfer und ersten Präsidenten der Post-Apartheid-Ära, geht einher mit turbulenten Entwicklungen in der südafrikanischen Arbeiterbewegung. Schon die Trauerfeiern für den allseits respektierten “Madiba” brachten nicht die gewünschte Demonstration der nationalen Einheit, sondern eskalierten in offenen Unmutsäußerungen der Basis gegen die Spitzenvertreter des regierenden African National Congress (ANC), allen voran gegen Mandelas Nachfolger Zuma. Die letzten Monate waren bereits durch heftige Konflikte in den Massenorganisationen der südafrikanischen Arbeiterbewegung (ANC, Kommunistische Partei, Gewerkschaftsdachverband COSATU) gekennzeichnet.


Diese eskalierten auf dem außerordentlichen Kongress der Metallergewerkschaft NUMSA kurz vor Weihnachten. Die NUMSA ist mit über 338.000 Mitgliedern die stärkste Gewerkschaft des Landes und verkörpert eine lange und sehr klassenkämpferische Tradition.

Viele GewerkschafterInnen sind besorgt über die Versuche der ANC-Spitze, arbeiterfeindliche Konterreformen durchzusetzen und dabei auch die Gewerkschaften zu schwächen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten brachte dies jüngst auf den Punkt: “Ein geeinter und mächtiger COSATU ist eine absolute Notwendigkeit. In allen Bereichen, wo wir organisiert sind, gibt es Bestrebungen, die ArbeiterInnen zu marginalisieren und die Errungenschaften der Vergangenheit zurückzunehmen. Es wird versucht sicherzustellen, dass die ArbeiterInnen keine unabhängige Stimme haben, sondern stattdessen von Leuten vertreten werden, die der Basis nicht rechenschaftspflichtig sind. Die sozialistische Umwälzung unseres Landes muss von der organisierten Arbeiterklasse getragen werden und nicht nur von jenen, die vorgeben, die Arbeiterklasse zu vertreten! Die ArbeiterInnen dürfen ihre Macht nicht anderen übertragen, sondern müssen die Hauptrolle im Klassenkampf einnehmen.”

Hintergrund

Diesen Konflikten liegen Klassenwidersprüche zu Grunde, die sich über Jahrzehnte auch im ANC, der Kommunistischen Partei (SACP) und den Gewerkschaften entwickelt haben. Und die NUMSA benennt dies in ihrem Dokument “Ideologische Reflektionen und Antworten auf einige der jüngsten Attacken” sehr offen:

1. Die Arbeiterklasse befindet sich in einem Belagerungszustand seitens der Kräfte des Kapitalismus. Diese Kräfte befinden sich innerhalb und außerhalb der Bewegung. Innerhalb der Bewegung machen kapitalistische Kräfte Druck für die völlige Übernahme neoliberaler Politik, sie vertreten eine kleinbürgerliche und revisionistische Interpretation der Freiheitscharta (ANC-Dokument, Anm.) und sind extrem intolerant gegenüber jeder Form der Kritik am Staat. 
2. Die Kräfte des Kapitalismus in der Bewegung versuchen die in der Arbeiterklasse vorherrschende Unzufriedenheit zu unterdrücken. Die Arbeiterklasse will aber nicht länger akzeptieren, dass die weiße Kapitalistenklasse weiterhin Südafrika beherrscht. 
(…)

Das Dokument zeigt sehr deutlich, wie die ANC-Regierung im Interesse der von Weißen dominierten Banken und Konzerne die Last der kapitalistischen Krise der schwarzen Arbeiterschaft aufbürdet. Die Hauptkritik an der Führung der nationalen Befreiungsbewegung lautet, dass sie es nicht geschafft hat, nach dem Ende der Apartheid den Reichtum des Landes in den Dienst der schwarzen Bevölkerung zu stellen, weil das Privateigentum an den Produktionsmitteln nicht angetastet wurde. Die sich daraus ergebende Krise des ANC und der COSATU ist auf den ständigen Kampf zwischen den Kräften des Kapitalismus und jenen des Sozialismus zurückzuführen. Während die kapitalistischen Kräfte die ArbeiterInnen von der Notwendigkeit neoliberaler Politik überzeugen wollen, halten die sozialistischen Kräfte an den Ideen der Freiheitscharta fest und kämpfen für die Überwindung der Herrschaft des weißen Monopolkapitalismus. 

Die NUMSA sieht sich dabei ganz klar im Lager der sozialistischen Kräfte und hat das auf ihrem Kongress auch nachdrücklich zur Schau gestellt. 

Der Kongress

Der rechte Flügel des Drei-Parteien-Bündnisses bekämpft ganz offen die Führung der NUMSA. Eine besonders schändliche Rolle spielen dabei die Spitzen der SACP. In einem “Offenen Brief”, in dem an die Einheit der Gewerkschaftsbewegung appelliert wird, wird der Generalsekretär der NUMSA, Irvin Jim, auf das Übelste als Spalter diffamiert. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass gerade die Führung der SACP durch ihre unkritische Unterstützung der Regierung ständig gegen die Interessen der Arbeiterschaft handelt und so die Einheit der COSATU aufs Spiel setzt. Die SACP ist längst nur mehr ein linkes Feigenblatt für die rechte, prokapitalistische Politik des ANC. Sie hält weiter am Konzept der “national-demokratischen Revolution” fest und legitimiert damit den Kurs der jetzigen Regierung, indem jeder Ansatz, der auf einen Bruch mit der kapitalistischen Ordnung hinausläuft, abgelehnt wird. 

Dies erklärt auch, warum der neue Präsident der NUMSA, Andrew Chirwa, der ohne Gegenstimme gewählt wurde, nicht nur die rechte COSATU-Führung für ihre regierungs- und kapitalfreundliche Linie kritisierte, sondern auch sagte, dass eine neue Partei notwendig ist, die die ArbeiterInnen zu beschützen weiß, weil man der SACP nicht mehr länger vertrauen könne. Dann kritisierte er den Vorstoß der SACP, eine Untersuchungskommission einleiten zu wollen, die herausfinden soll, wer für die Proteste bei Mandelas Trauerfeier verantwortlich war. Vielmehr solle die SACP die Frage beantworten, was die Menschen überhaupt dazu veranlasst hat, Präsident Zuma auszubuhen. 

Chirwa forderte Präsident Zuma unter dem tobenden Applaus der Delegierten zum Rücktritt auf, weil dies die einzige Möglichkeit ist, das Erbe Mandelas zu bewahren. In Bezug auf die Rolle der NUMSA meinte er, dass sie für eine kampagnenfähige, kämpferische, revolutionäre, antikapitalistische und antiimperialistische Gewerkschaftsbewegung stehen müsse. Eine der Hauptprioritäten sei gemäß der ANC-Freiheitscharta der Kampf für die entschädigungslose Vergesellschaftung von Konzernen wie Sasol, Telkom, Acelor Mittal, den Großbanken und der Bergbauindustrie. 

Großen Raum nahm auf dem Kongress auch das Gedenken an das Massaker an den streikenden Bergarbeitern in Marikana vor einem Jahr ein. Dieses Verbrechen wird allgemein als Wendepunkt in den Beziehungen zwischen der Arbeiterbewegung und dem ANC gesehen. Mit einer großzügigen Spendensammlung für die Hinterbliebenen der Opfer von Marikana setzten die Delegierten ein deutliches Zeichen, auf wessen Seite sie stehen. 

Konsequenterweise wurde auf dem Kongress auch der Beschluss gefasst, bei den Parlamentswahlen 2014 nicht mehr den ANC oder irgendeine andere politische Partei zu unterstützen. Generalsekretär Irvon Jim fasste es so zusammen: “Es ist Zeit, sich um eine Alternative umzuschauen.” Die NUMSA müsse nun an einer neuen Einheitsfront arbeiten und andere Massenorganisationen zu einem Bruch mit dem ANC und der SACP bewegen. Die Hauptaufgabe dieser Einheitsfront liege im Kampf gegen jede neoliberale Politik (wie dem National Development Plan) und die Umsetzung der Freiheitscharta. Man kann davon ausgehen, dass andere Gewerkschaften dem Beispiel der NUMSA nun folgen werden.

Außerdem fordert die NUMSA die sofortige Einberufung eines Kongresses der COSATU. Damit könnte das historische Drei-Parteien-Bündnis, das aus dem nationalen Befreiungskampf gegen das Apartheid-Regime entstanden ist, bald schon Geschichte sein. 
All diese Schritte spiegeln die enorme Unzufriedenheit in der südafrikanischen Arbeiterklasse mit den Entwicklungen seit dem Ende der Apartheid wider. Frustration und Ungeduld sind deutlich zu spüren. Doch im politischen Kampf sind dies oft sehr schlechte Ratgeber. Aus unserer Sicht sollte die NUMSA zu allererst im ANC und vor allem in der SACP einen bewussten politischen Kampf um den Kurs und die politische Führung dieser Massenorganisationen führen. Mit ihren 300.000 Mitgliedern hätte sie das nötige Gewicht für einen solchen Kampf. Und selbst wenn es nicht gelingen sollte, sich in diesen Parteien durchzusetzen, würde in einem solchen Kampf die Grundlage für den Aufbau einer wirklich revolutionär-sozialistischen Partei der Arbeiterklasse gelegt werden. 

Bereits 1998 haben wir folgendes über die Perspektiven des Klassenkampfs in Südafrika geschrieben: "Wir sollten nicht die Wirkung von Zugeständnissen demokratischer Rechte an die schwarze Bevölkerung unterschätzen. Zu Beginn gab es unausweichlich einige Illusionen. Zugeständnisse wie insbesondere Elektrizität und sauberes Wasser in den Townships werden von den Schwarzen als große Fortschritte gesehen werden. Aber die Hoffnungen, welche die schwarzen Massen in die ANC-Führer gesetzt haben, gehen über solche Konzessionen hinaus. Unter den schwarzen ArbeiterInnen und besonders bei der Jugend nimmt die Wut über das Verhalten der ANC-Führung ständig zu. Nach Generationen, die in sklavenähnlichen Verhältnissen lebten, streben die schwarzen Massen nach wirklicher Gleichheit und zivilisierten Lebensbedingungen. Für die Massen ist die Frage der Demokratie stets eine konkrete Frage in Verbindung mit Arbeitsplätzen, Löhnen und Wohnbedingungen. Die ANC-geführte Regierung hat unter einem irreführenden Namen den Wachstums-, Beschäftigungs- und Umverteilungsplan (GEAR) eingebracht, der zu Angriffen auf die Gewerkschaften und Privatisierungen geführt hat… Wir können bereits sehen, was geschieht. Es gibt eine wachsende Unzufriedenheit an der Basis des ANC und der Gewerkschaften über diese Regierung und die Art und Weise, wie eine neue schwarze Elite sich der weißen Bourgeoisie angeschlossen hat, während die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung weiterhin in Armut lebt."

Diese Konflikte brechen nach dem Tod Mandelas offen aus. Der Aufbau einer starken marxistischen Strömung in der südafrikanischen Arbeiterbewegung ist eine absolute Notwendigkeit.

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