Kategorie: Amerika

Demokratie hinter Gittern in Venezuela? Wer ist Leopoldo López?

Man kann sich nur wundern, wie viele Fehler, eklatante Auslassungen und verzerrte Stellungnahmen in nur zwei Absätzen von 88 Wörtern passen. Eine ganze Menge, wenn es um Venezuela geht.


Am Freitag, den 27. März veröffentlichte der Guardian einen Artikel mit der Überschrift: "Demokratie hinter Gittern. 11 Oppositionsführer sind von Gefängnisstrafen oder gar der Todesstrafe bedroht." Als erster auf der Liste der elf "demokratischen Oppositionsführer" weltweit, denen eine Gefängnis- oder gar die Todesstrafe droht, steht Leopoldo López aus Venezuela.Ihm droht die Todesstrafe? Direkt unter der Überschrift befindet sich ein großes Bild von López. Das erweckt den Eindruck, als erwarte ihn die Todesstrafe. Der Verfasserin des Artikels ist wahrscheinlich nicht bekannt, dass Venezuela bereits 1863 das erste Land der Welt war, das die Todesstrafe abgeschafft hat. In Britannien wurde sie erst 1998 völlig aufgehoben und in den USA wird sie natürlich weiterhin ausgeführt. Aber, wie man zu sagen pflegt, warum sollen Tatsachen einer reißerischen Schlagzeile im Wege stehen?

Der Teil über Leopoldo López beginnt mit einem Zitat von ihm, welches seine politische Unfähigkeit entlarvt. Dieses hat nicht mit seiner aktuellen Verhaftung zu tun. López hat sich wegen seiner Rolle in zwei verschiedenen Korruptionsfällen politisch disqualifiziert. Der erste ereignete sich 1998, als er Berater beim staatlichen Ölkonzern PDVSA war und seine Mutter, eine Managerin bei der PVDSA, einen Spendenscheck an die Nichtregierungsorganisation Primero Justicia unterschrieb, in der Leonardo López Mitglied war (und aus der später die politische Partei Primero Justicia wurde, von der López einer der beiden Vorsitzenden wurde). Der zweite Korruptionsskandal bezieht sich auf die missbräuchliche Verwendung von Finanzmitteln in seiner Zeit als Bürgermeister von Chacao. Im ersten Abschnitt beschreibt der Artikel im Guardian, dass López an zwei Korruptionsskandalen beteiligt war und aus diesem Grund bis 2017 nicht mehr für ein öffentliches Amt kandidieren darf.

Brutale Festnahme von Chacin

Im zweiten Abschnitt wird López als "Gründer der Oppositionspartei Voluntad Popular" beschrieben. Während diese Tatsache der Wahrheit entspricht, wird jedoch ein wichtiger Teil der Geschichte ausgelassen, weil López in Venezuela für seine aktive Teilnahme am Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Hugo Chávez im April 2002 bekannt ist. Während des Putsches nutzte er seine Autorität als Bürgermeister von Chacao, um die illegale Festnahme von Justizminister Ramón Rodrígez Chacin zu leiten. Dabei handelt es sich wohl kaum um das Verhalten eines Demokraten. Die Anklage gegen ihn wurde nach einer von Hugo Chávez im Dezember 2007 verkündeten Amnestie fallengelassen. Die Autorin des Artikels, Lauren Razavi, fährt fort und behauptet, López sei verhaftet worden, nachdem er die BürgerInnen zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen habe. Die Zeitleiste stimmt natürlich im Sinne der zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignisse, aber die Informationen sind unvollständig. Er rief "die BürgerInnen nicht zu Protesten" auf, sondern forderte sie vielmehr auf, die demokratisch gewählte Regierung mit Straßenprotesten und Barrikaden mit Gewalt aus dem Amt zu vertreiben, die dafür sorgten, dass ganze Stadtteile ohne Nahrungsmittel, Wasser, Gas waren und sogar Rettungsdiensten die Zufahrt verweigert wurde.

In einem gemeinsamen Aufruf mit Maria Corina Machado forderte er die BürgerInnen auf, sich seiner "La Salida"-Kampagne (Der Ausweg) anzuschließen Er beschrieb die Regierung als "Diktatur" und rief die VenezolanerInnen auf, "sich zu erheben" und dem Beispiel vom 23. Januar 1958 zu folgen, als ein Volksaufstand die Diktatur von Perez Jiminez stürzte. Die Botschaft war deutlich: Venezuela ist eine Diktatur und die Regierung muss mit Gewalt gestürzt werden.

Brandanschlag auf das Wohnungsbauministerium

Als Reaktion auf diesen Aufruf kam es zu gewalttätigen Protesten ihrer Unterstützer, u. a. Brandanschläge auf öffentliche Einrichtungen, Gesundheitszentren, Universitätscampusse. Scharfschützen schossen auf Polizisten, Offiziere der Nationalgarde und AnhängerInnen der Bolivarischen Revolution, die Straßenbarrikaden wegräumten. Oppositionelle Gewalt, die von Machado und López angezettelt wurde, beinhaltete u. a. die Errichtung von Stahldrahtseilfallen auf Straßen, die darauf zielten Motorradfahrer zu enthaupten, was in einigen Fällen dann auch geschah. Insgesamt wurden 43 Menschen bei den Aufständen getötet, die Mehrheit in Folge der brutalen Proteste der Opposition. Diese Proteste, an denen auch bezahlte Schläger und andere kriminelle Elemente teilnahmen, sorgten bei der Mehrheit der Bevölkerung, einschließlich vieler AnhängerInnen der Opposition, für Befremden. López sitzt jetzt in Untersuchungshaft, weil er für diese Ereignisse die Verantwortung trägt.

Razavi behauptet, unter der Führung von Präsident Nicolas Maduro befände sich Venezuela "unter den Top-10-Ländern bezüglich Korruption und Tötungsdelikten". Die einzige Quelle, die sie angibt, ist der Link zu einem Artikel, der von Rory Caroll verfasst wurde, der berühmt berüchtigt für seine Voreingenommenheit gegenüber der bolivarischen Revolution ist. Bei näherem Hinsehen fällt erstaunlicherweise auf, dass Caroll Behauptungen zugeschrieben werden, die in seinem Artikel überhaupt nicht auftauchen. Das Ergebnis: Eine vollkommen gefälschte Statistik.

Korruption ist sicherlich ein großes Problem in Venezuela, aber nach Angaben des aktuellen Berichts von Transparency International gehört Venezuela nicht zu den zehn korruptesten Ländern der Welt. Bei den Tötungsdelikten wird am häufigsten die Global Study on Homicide vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) verwendet. Diese wurde zuletzt 2013 für das Jahr 2012 veröffentlicht. Niemand wird leugnen, dass Kriminalität ein Problem in Venezuela ist, aber Präsident Madura kam erst 2013 ins Amt, so dass man ihn kaum für Zahlen aus den davorliegenden Jahren verantwortlich machen kann.

Zwei Schlussbemerkungen zu diesem kurzen Artikel. Der Aufhänger dafür ist ein Bericht von Freedom House, einer Organisation, die in den USA ansässig ist und von der Regierung bezahlt wird und deren momentaner Präsident ein früherer Direktor des US-Außenministeriums war. Frühere Vorstandsmitglieder waren Otto Reich, Paul Wolfowitz, Zbigniew Brzezinski, Donald Rumsfeld und andere offene Verfechter von imperialistischen US-Aggressionen. Mit anderen Worten, die Art von "Freiheit", für die dieses Haus sich einsetzt, ist die Freiheit der USA, sich in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.

Dann ist da noch die Organisation, die diesen Artikel sponsert: Crown Agents. Diese beschreibt ihre eigene Geschichte wie folgt: "Unsere Geschichte beginnt um 1700 herum, als die Kolonialverwaltungen Vermittler beschäftigten, die Leute anheuerten und die Proviant für die Kolonien besorgten und verschifften." Anders gesagt, es handelt sich um eine Organisation, die darauf gerichtet war, die Interessen des britischen Kolonialismus zu fördern. Eine Perspektive, die sich in dem Artikel selbst schamlos manifestiert. Er führt inhaftierte Oppositionspolitiker in Äthiopien, Tansania, Malaysia und der Demokratischen Republik Kongo auf, erwähnt aber nicht politische Gefangene in Europa und den USA, wie z. B. den baskischen Oppositionsführer Arnaldo Otegi oder die unzähligen politischen AktivistInnen und Whistleblower (von Mummia Abu Jamal bis Chelsea Manning) , die wegen ihrer politischen Einstellungen und ihres Einsatzes zur Verteidigung der Demokratie in US-Gefängnissen verkümmern.

Es steht außer Zweifel, dass Crown Agents niemals einen Artikel über die Errungenschaften der Bolivarischen Republik Venezuela auf dem Gebieten Bildung, Gesundheit, Wohnungsbau, politischer Beteiligung, ArbeiterInnen- und Frauenrechte etc. gesponsert hätte.

Die Bolivarische Revolution hat 18 von 19 demokratische Wahlen und Referenden, die seit 1998 durchgeführt wurden, gewonnen, das hält aber scheinbar westliche Medien nicht davon ab, das bolivarische Venezuela als "autoritäres Regime" zu präsentieren.



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