Kategorie: Europa

Das Debakel um die EU-Verfassung enthüllt den wahren Charakter der EU

Nachdem 18 Monate versucht wurde einen Vertrag zwischen den Mitgliedsstaaten zusammenzuschustern, sind die Gespräche über die EU-Verfassung am vergangenen Wochenende gescheitert. Es gab verschiedene Vorwände, die für das Scheitern herhalten mussten, aber in Wahrheit finden sich die wahren Ursachen in den fundamentalen ökonomischen Widersprüchen, die unter den EU-Mitgliedstaaten entstanden sind. Und diese werden sich durch die EU-Osterweiterung verschärfen. Das Gefälle im Entwicklungsniveau zwischen den jetzigen 15 Mitgliedstaaten wird durch den Zugang von Staaten wie Polen, Ungarn und Tschechien zunehmen. 


Dieses Mal erwiesen sich Spanien und Polen als Blockierer, zwei Staaten, die nicht bereit waren, Änderungen bei der Stimmengewichtung im Ministerrat, auf die man sich im Jahre 2000 beim Gipfel in Nizza geeinigt hatte, zu akzeptieren. Nach diesem System hätte beiden Staaten 27 Stimmen zugestanden. Dies verursachte bei Deutschland und einigen der größeren Länder Bestürzung. Deutschland, das zwei Mal mehr Einwohner hat als sowohl Polen als auch Spanien, waren beim Gipfel in Nizza 29 Stimmen zugestanden worden. Damit würde dem deutschen Riesen mehr oder weniger das gleiche Mitspracherecht wie dem kleinen Polen eingeräumt.

Berlin und Paris sind offensichtlich nicht bereit, ihr Mitspracherecht auf diese Weise einzuschränken und sie unterstützten den Verfassungsentwurf, der unter der Federführung des früheren französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing entworfen wurde und eine "doppelte Mehrheitsabstimmung" vorsieht, bei der Beschlüsse die Stimmen der Hälfte der EU-Länder, die mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, benötigen würden. Ein solches System würde Frankreich und Deutschland ein großes Mitspracherecht bei der Entwicklung der EU-Politik einräumen.

Einige Kommentatoren haben die Schuld auf die polnische oder spanische "Starrköpfigkeit" oder auf den "glücklosen Vorsitz" Berlusconis geschoben. Dies ist ein Versuch die wirklichen Probleme zu verstecken. Wie schon gesagt, die fundamentalen Gründe für das Scheitern sind die wachsenden Widersprüche zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Diese wurden durch die sich hinziehende Wirtschaftskrise, von der ganz Europa betroffen ist, verschärft. Aber dazu kommt noch etwas anderes. Verschiedene Mitgliedsstaaten verfolgen unterschiedliche Ziele in der Außenpolitik. Das offenbarte sich besonders bei ihrem Verhalten in der Frage der Unterstützung der USA im Irak

Polen und Spanien verfolgten während des Kriegs gegen den Irak eine andere Außenpolitik als Frankreich und Deutschland und unterstützen den US-Imperialismus in jeder Weise. Dies rief bei Chirac Wut hervor, der im Februar den ziemlich unfeinen Ausbruch losließ, dass die Mitteleuropäer lieber "den Mund halten" als die USA in der Irak-Frage unterstützen sollten. Diese Staaten äußerten sich auch negativ zu dem von Berlin und Paris gemachten Vorschlag für eine neue europäische Verteidigungsmacht.

Diese wachsenden politischen Spannungen mündeten schließlich in einen offenen Konflikt zwischen den größeren Mächten und in der EU selbst. Noch vor zwei oder drei Jahren wurde gewöhnlich immer eine Art Kompromiss erreicht. Nach zähen Verhandlungen über verschiedene Punkte in diesem oder jenen Vertrag oder Abkommen kam es am Ende stets zu einem Kompromiss. Das ist aber nicht länger möglich.

Jetzt haben einige besonders kluge Leute alles damit zu erklären versuch, dass Chirac den Polen eine Lektion erteilen wolle. Er wollte sie für ihre Unterstützung des US-Imperialismus bestrafen und dafür, dass sie es gewagt haben den französischen Imperialismus zu kritisieren. Deutschland hat hier noch zusätzlich sein Gewicht in die Schale geworfen. Bislang waren die deutsch-polnischen Beziehungen ziemlich entspannt, aber seit kurzem sind sie zwischen den beiden Ländern abgekühlt. Das widerspiegelt die geänderte Situation in Deutschland. Die deutsche Wirtschaft stagniert seit geraumer Zeit. Im eigenen Land sieht sich die Regierung mit einer Situation wachsender sozialer Konflikte konfrontiert, da die herrschende Klasse verzweifelt versucht, jene Zugeständnisse zurückzunehmen, die sie in der Vergangenheit machen musste.

Als Deutschland auf dem Höhepunkt des Wirtschaftsbooms war, konnte es eine EU tolerieren, in der es das Hauptgeberland für zentrale Fonds war, die benutzt wurden, die ärmeren Regionen in der EU zu unterstützen. Jetzt stellt Deutschland Forderungen an den EU-Etat. Es will den EU-Haushalt reduzieren, da es seine eigenen Beitragszahlungen für zentrale Fonds kürzen will. Frankreich unterstützte Deutschland bei der Forderung nach einem Einfrieren des EU-Etats, was zur Kürzung der Unterstützung für Länder wie Polen und Spanien führen könnte.

Das alles zeigt uns, wie die "Diplomatie" in Zukunft funktionieren wird. Wir werden es nicht länger mit einer Samthandschuhdiplomatie zu tun haben. Vielmehr wird es zu Drohungen und offenen Auseinandersetzungen kommen, bei denen die stärksten Länder ihre gesamte Kraft nutzen, um mit guten oder schlechten Manieren die anderen zu beherrschen. Genau wie der US-Imperialismus sich weltweit wie ein unkontrollierbarer Tyrann benimmt, werden Frankreich und Deutschland versuchen, ihr Gewicht innerhalb der EU zu nutzen und die schwächeren EU-Mitglieder zu tyrannisieren und zu überreden, ihre Politik zu akzeptieren.

Der "Wachstums- und Stabilitätspakt" ist am Ende

Dieser Sachverhalt offenbarte sich im Scheitern des unglücklicherweise so genannten "Wachstums- und Stabilitätspakt" einige Wochen vor dem Verfassungsdebakel. Als die deutsche Wirtschaft florierte und die deutsche Bourgeoisie voller Zuversicht war, bestand sie darauf, eine Klausel in diesen Pakt einzubauen, die hohe Geldstrafen für jedes Land zur Folge hatte, dessen Haushaltsdefizit oberhalb der Grenze von 3% des Bruttosozialprodukts lag.

2002 Jahr brach Portugal die vereinbarte Obergrenze und wurde in der Tat mit einer hohen Geldstrafe belegt. Das Problem besteht drin, dass in den meisten EU-Ländern das Haushaltsdefizit wächst. Und in diesem Jahr mussten Frankreich und Deutschland feststellen, dass ihr eigenes Haushaltsdefizit weit über der durch den Maastrichter Vertrag festgelegten 3-%-Grenze liegt und sich auf fast 4 % zubewegt. Jetzt gehen die starken Länder (Frankreich, Deutschland ...) dazu über, die kleinen unter Druck zu setzen. Aber wer wird den großen Ländern die Vorschriften auferlegen? Chirac und Schröder haben beschlossen, dass die Vorschriften für sie nicht gelten sollen. Dies bedeutet den Tod des Maastricht-Vertrags, der in den letzten Jahren mit all seinen Absichten und Zwecken so penibel genau zusammengestellt worden war. Wir sollten uns daran erinnern, dass es genau der Maastricht-Vertrag war, der in allen EU-Ländern als Vorwand benutzt wurde, praktisch alles zu privatisieren, den Lebensstandard der Arbeiterklasse anzugreifen, den Wohlfahrtsstaat zu demontieren und einen Generalangriff auf alle Errungenschaften zu starten, welche die Arbeiterklasse in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten den Kapitalisten abgerungen hatte.

Wie wir aufgezeigt haben, finden die internen Spannungen innerhalb der EU Parallelen zum Zusammenbruch aller internationalen Institutionen, die seit dem II. Weltkrieg aufgebaut wurden. Es ist kein Zufall, dass die meisten Gipfel dieser Institutionen in der letzten Zeit mit einem Fiasko oder mit offenen Rissen geendet haben. Von Cancun bis Doha und Seattle, vom UN-Sicherheitsrat bis zur NATO und bis zum letzten EU-Treffen sind die Fehlschläge eine Widerspiegelung eines tiefgehenden Wandels, der im Verhältnis zwischen den Weltmächten, sowohl auf einer globalen als auch auf regionaler Ebene, stattfindet. Die gesamte Weltordnung, die nach dem II. Weltkrieg so sorgfältig zusammengestellt wurde, kracht und platzt an den Nähten. Die USA, die EU, Japan, China und Russland sind alle bestrebt, das neue Kräfteverhältnis, das zu entstehen beginnt, zu formen. Sie alle kämpfen um eine gute Ausgangsposition. Dabei handelt es sich um einen unvermeidbaren Prozess, der nicht dadurch aufgehalten werden kann, wenn man sich auf europäischen oder weltweiten Gipfeltreffen an runde Tische setzt.

Wir müssen die Spannungen in Europa in Zusammenhang mit dieser großen weltweiten Krise sehen. Es gibt in der kapitalistischen Welt riesige Überkapazitäten. Die USA schlagen eine aggressive Handelspolitik ein. Sie versuchen größere Märkte für ihre Waren zu erobern. Sie benötigen in starkem Maße die Steigerung ihres Anteils am Welthandel. Das kann nur auf Kosten der anderen Mächte geschehen, was für Europa von Nachteil ist. Europa stagniert und muss sich dringend aus der gegenwärtigen Verlangsamung herausexportieren. Und innerhalb der EU versucht jedes Land einen größeren Anteil für sich selbst zu erringen.

Hier sehen wir die Widersprüche des Maastricht-Vertrags, des Wachstums- und Stabilitätspakts etc. Diese Verträge haben den Spielraum für jedes einzelne Mitgliedsland reduziert. Und die Einführung des Euro hat Länder, die sich auf völlig verschiedenen Entwicklungsstufen befinden (Griechenland und Deutschland sind leuchtende Beispiele), gezwungen, die gleiche Politik zu betreiben. Das verschlimmert die wirtschaftliche Krise, von der Europa heimgesucht wird, noch mehr. Im Moment erleben wir durch die ständige Abwertung des Dollar zusätzlichen Druck auf Europa. Das macht es für die europäischen Kapitalisten schwerer in die USA zu exportieren, die bis vor kurzem die Rolle einer Lokomotive der Weltwirtschaft gespielt haben und Exporte vom Rest der Welt aufgesaugt haben.

Die Einführung des Euro bedeutet, dass schwächere europäische Volkswirtschaften, wie Italien oder Griechenland, nicht mehr die Abwertung ihrer eigene Währung nutzen können, um ihre Exporte zu steigern. Der Euro wird nicht nur für die Familien aus der Arbeiterklasse zu einem Albtraum, sondern auch für Teile der Mittelklasse. Die kleinen mittelständischen Betriebe werden in den Ruin getrieben, weil sie nicht in der Lage sind auf den internationalen Märkten gegen die größeren und produktiveren multinationalen Konzerne zu konkurrieren. Es ergibt sich folgendes Problem: Was wäre die Alternative für die EU-Mitgliedsstaaten? Vergessen wir nicht, dass die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsbereichs mit einer gemeinsamen Währung die einzige Möglichkeit für die europäischen Multis war, sich gegen die USA und Japan zu behaupten. Obwohl jede nationale Bourgeoisie in der EU ihre eigenen Interessen hat, die zu Konflikten mit den Partnern führen, könnte sich keine von ihnen gegenüber den USA, Japan und neuerdings China behaupten, wenn sie es alleine versuchen würde. Sie sind gezwungen zusammenzuhalten.

Kurz vor der Einführung des Euro schrieben wir: "Im Gegensatz zu den Hoffnungen der europäischen Bourgeoisie, ist der Euro von seiner Einführung an eine schwache Währung. Die Notwendigkeit sein Niveau zu halten, ist ein Grund dafür, dass die Zinssätze in Europa nicht so schnell gesenkt wurden wie in den USA. Das wird die Krise in Europa beschleunigen und die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten erhöhen. Paradoxerweise sind die Deutschen, die am unnachgiebigsten bei der strikten Einhaltung der Regeln von Maastricht waren, die Leidtragenden mit vier Millionen Arbeitslosen. Die deutsche Wirtschaft, die als Hauptantriebskraft für Europa wirkte, steckt hoffnungslos in der Stagnation (...) Das wird nicht zu einer europäischen Integration, sondern zu steigenden Spannungen und Widersprüchen zwischen den Nationalstaaten führen." (The Launch of the Euro- Towards European unity? By Ted Grant and Alan Woods).

Der Schritt zu einer gemeinsamen Währung hat bei der Überwindung eines der grundlegendsten Widersprüche des Kapitalismus versagt: bei der Überwidnung der durch den Nationalstaat und die verschiedensten Interessen der nationalen Bourgeoisien gesetzten Barrieren.

Das europäische Bruttosozialprodukt wuchs im letzten Quartal nur um 0,4 % und die Industrieproduktion fiel bis September um 1,8 % pro Jahr. Deutschland, das mächtigste Wirtschaftsland auf dem alten Kontinent, bleibt mit einem jährlichen Wachstum von 0,9 % zurück. Obwohl die neuesten Zahlen ein noch düsteres Bild malen und das deutsche Bruttosozialprodukt um 0,2 % im letzten Quartal sank. Die französische Wirtschaft hat sich in den letzten zweieinhalb Jahren ebenfalls verlangsamt.

Als sich die Wirtschaft in einem Aufschwung befand, haben manche Arbeiter und Jugendliche in den verschiedensten Teilen Europas die EU und den Euro wohl als eine sehr gute Idee empfunden. Es gab vielleicht Raum für die Illusion, der Euro könnte für größeres Wachstum sorgen und dadurch die Probleme der einzelnen Mitgliedsstaaten lindern. Jetzt, wo die Perspektiven für eine wirtschaftliche Erholung sehr düster sind, enthüllt die EU ihr wahres Gesicht. Sie ist ein Werkzeug in den Händen der multinationalen Konzerne und jeder einzelnen nationalen Bourgeoisie, mit denen diese ihre Angriffe auf den Lebensstandard der Massen erzwingen können.

Frankreich und Deutschland betrachten die neuen Mitglieder einzig und allein als Absatzmärkte und Quellen billiger Arbeitskräfte. Beide Länder haben enorme Überkapazitäten und brauchen neue Absatzmärkte. Sie brauchen ebenfalls billige Arbeitskräfte. Durch den Beitritt zur EU werden Länder wie Polen nur wenig herausbekommen. Die meisten dieser Länder dürfen der Euro-Zone nicht beitreten und ihre Bürger werden für einen Zeitraum von drei oder vier Jahren nicht die volle Reisefreiheit in alle EU-Länder haben. Die neuen Mitgliedsstaaten erhalten nur 25 % der momentan zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Subventionen. Polens Industrie ist immer noch weit hinter der von Ländern wie Deutschland zurückgeblieben und die Wirtschaft des Landes ist von der Landwirtschaft abhängig. Der Beitritt zur EU bedeutet für Hunderttausende polnischer Bauern den Ruin.

Aber nicht nur die polnischen Arbeiter und Kleinbauern werden einen Schock erleiden. Arbeiter in anderen Ländern werden durch die EU-Erweiterung ebenfalls schwer getroffen; dies musste auch der Economist (22. November 2003) zugeben:

"Ein Schock für viele Menschen wird es sein, wenn sie entdecken, dass der Beitritt selbst keinen Wohlstand bringt. Die Länder Mitteleuropas werden eine lange Zeit brauchen, um ihre westlichen Nachbarn einzuholen. Die Economist Intelligence Unit, eine Schwestergesellschaft dieser Zeitung, hat errechnet, dass wenn die 15 Länder der gegenwärtigen EU ein jährliches Wachstum von 2 % haben und die Länder, die 2004 und 2007 beitreten (einschließlich Bulgarien und Rumänien), jährlich um 4 % wachsen, die neuen Mitglieder durchschnittlich mehr als 50 Jahre benötigen, um das Niveau der alten zu erreichen. Wenn die neuen Mitglieder jedoch nur ein Wachstum von 3 % haben, werden sie 90 Jahre benötigen, um aufzuholen." Wir könnten die Frage anhängen: werden die Arbeiter in diesen Ländern bereit sein, zwei oder drei Generationen zu warten, ehe sie irgendwelche Vorteile sehen?

Momentan erleben die meisten (vor allem die osteuropäischen) beitrittswilligen Länder Wachstumsraten, die höher sind als die Durchschnittsraten in der EU. Aber hierbei handelt es sich natürlich um ein Wachstum nach einem größeren Zusammenbruch dieser Wirtschaften. Um dieses Wachstum zu erhalten, hoffen sie auf eine Integration in den größeren EU-Markt. Aber dieses Wachstum wird nicht lange halten. Wieder ist es der Economist, der das wirkliche Bild zu enthüllt:

"Jedes europäische Land, in dem die Wachstumsraten zurückgehen, wird andererseits herausfinden, dass sich die Freude über die EU-Mitgliedschaft als Fehlschlag erweisen wird. Das Land wird Vorschriften und Ausgaben eines Klubs, der für reiche Leute bestimmt ist, am Hals haben, während das Pro-Kopf-Einkommen weit unter dem Durchschnitt bleibt und relativ sogar heruntergehen kann." (The Economist, 22. November 2003)

Deshalb könnten wir schon vorhersagen, welches das Leitmotiv jeder Regierung dieser neuen Mitgliedsländer sein wird: Kürzungen bei den Renten, Löhnen und den sozialen Dienstleistungen; Privatisierungen und die vollständige Liberalisierung ihrer Märkte. All das wird durch den großen Traum von Europa gerechtfertigt. Die Situation für eine Explosion des Klassenkampfes im Osten und im Westen ist reif.

Den herrschenden Klassen in Osteuropa steht ein Schock bevor sobald sie die wahren Pläne Chiracs und Schröders entdeckt haben. Von einer "Integration" des gesamten Kontinents in einem vereinten Block rücken sie immer mehr ab und schlagen eine andere Denkrichtung ein. Die alten Bedenken und Sorgen, die Deutschland dazu brachten, zunächst erst einmal auf dem Wachstums- und Stabilitätspakt zu bestehen, kommen zurück und suchen sie heim. Es wird ihnen bewusst, dass nicht all diese Nationalökonomien, die sich auf verschiedenen Entwicklungsstufen befinden und mit verschiedenen Geschwindigkeiten wachsen, zu einem harmonischen Organismus integriert werden können.

Ein Europa der "zwei Geschwindigkeiten"

Nach dem jüngsten Scheitern der Europäischen Verfassung auf dem Brüsseler Gipfel und dem tatsächlichen Zusammenbruch des Wachstums- und Stabilitätspakts scheint es, dass sie auf ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten drängen; dabei besteht eines aus einer breiteren lockeren Föderation (die EU mit ihren 25 Mitgliedern), und gleichzeitig gibt es einen inneren Kern stärkerer Länder, der von Deutschland und Frankreich angeführt wird. Schröder hat von einem Europa der "zwei Geschwindigkeiten" gesprochen, während Chirac eine "Pioniergruppe" erwähnte. Eine Gruppe der stärkeren nationalen Bourgeoisien innerhalb der EU, die sich mit der gegenwärtigen Sackgasse konfrontiert sieht, betrachtet dies vielleicht als einen Ausweg. Das würde ein Zusammenkommen der stärkeren Kernländer einschließen, mit der Hoffnung, dass dies die anderen Mitgliedsländer mit ihrer wirtschaftlichen Macht beeinflussen könnte. In Wirklichkeit würde es auf die Beherrschung der schwächeren Mitglieder durch die stärkeren hinauslaufen. Eine solche Lösung würde nicht nur keine Probleme lösen, sondern neue Konflikte vorbereiten.

Einige nationale Regierungen (zum Beispiel Spanien, Italien und alle Staaten, die sich für die Mitgliedschaft bereit machen, das "neue Europa", wie Bush und Co es gerne beschreiben) haben offensichtlich den Schluss gezogen, dass das EU-Boot letztlich doch nicht so sicher ist und haben daher während des Irak-Kriegs deutlich gezeigt, dass sie den mächtigen US-Kreuzer als stärkeres Schiff betrachten. Deshalb werden diese Länder in zwei unterschiedliche Richtungen gezogen. Einerseits wollen sie sich an die USA anlehnen, als ein Gegengewicht zu den beiden mächtigsten Ländern im Zentrum der EU, Deutschland und Frankreich, aber andererseits können sie nicht ohne diese beiden Mächte auskommen und bleiben deshalb vom wirtschaftlichen Standpunkt aus unauflöslich mit dem Rest von Europa verbunden.

Die Staaten, die sich der Euro-Zone angeschlossen haben, sehen sich einem Dilemma gegenüber. Für alle nationalen herrschenden Klassen ist klar, dass es zu einer vollständigen Katastrophe käme, würden sie die Euro-Zone verlassen. Das würde einen enormen Schritt zurück bedeuten und das tatsächliche Scheitern und den Zusammenbruch des wirklichen Kerns der EU. Das bedeutet: sie sind alle gemeinsam eingeschlossen. Sie sind wie 15 Katzen in einem Sack, deren Schwänze zusammengebunden sind. Sie können sich gegenseitig kratzen und beißen, aber sie müssen sich gemeinsam bewegen. (Und jetzt werden zehn weitere, ziemlich abgemagerte Katzen in denselben Sack geworfen!). Die italienische, griechische, spanische oder portugiesische Bourgeoisie kann nicht außerhalb der Euro-Zone überleben.

Ein europäisches Land nach dem anderen hat den vergangenen Jahren einen ökonomischen Rückgang und dazu parallel eine Zunahme des Klassenkampfes erlebt. Maastricht, der Euro und alle anderen Verträge haben die Internationalisierung des Klassenkampfes innerhalb der Grenzen Europas bewirkt. Überall erheben sich die Arbeiter gegen dieselbe Politik. Überall kommt es zu Angriffen auf die Renten, Sozialausgaben, Bildung und öffentlichen Verkehrsmittel. Und überall, von Österreich bis Griechenland, von Italien bis Spanien sehen wir Streiks und Demonstrationen gegen diese Maßnahmen, kein Land ist gegen diesen Prozess immun.

Eine neue Periode öffnet sich vor unseren Augen. Es wird eine in die Länge gezogene Periode von Konflikten zwischen den EU-Mitgliedern sein. Wir werden neue Bündnisse sehen, die zwischen verschiedenen Ländern geformt werden, mit denen diese versuchen ihr eigenes kleines Stück zu verteidigen. Diese Bündnisse werden zerbrechen, wenn ihre widersprüchlichen Interessen an der Oberfläche erscheinen. Das gesamte Gebäude einer kapitalistischen EU wird als das entlarvt, was es ist: ein reaktionäres Abenteuer. Es wird auch deutlich, dass es die Arbeiterklasse in diesen Ländern ist, welche die Rechnung für die Krise des europäischen Kapitalismus bezahlen muss.

Eine Streikwelle hat in den letzten beiden Jahren bereits Länder wie Italien, Griechenland und Spanien erschüttert. Davor erlebten wir in Frankreich mit einer Flut von Streiks einen Vorboten von dem, was kommen sollte. Die Flutwelle erreicht jetzt den weiterentwickelten Teil der EU wie Deutschland, Schweden und Österreich.

Überall in Europa greifen alle Regierungen, seien sie "rechts", "in der Mitte" oder "links", die Errungenschaften der Arbeiterklasse an. Wie wir schon vorher betont haben, zeigt sich das am deutlichsten beim Angriff auf die Renten. Renten werden von der Bourgeoisie aller Länder als Zugeständnisse aus der Epoche des Nachkriegsaufschwungs betrachtet, die sie sich nicht länger leisten können, wenn sie auf dem Weltmarkt konkurrieren wollen.

Die Bosse in Europa sehen sich jedoch einer Arbeiterklasse gegenüber, die unbesiegt und in mächtigen Gewerkschaften organisiert ist. Wenn es die europäischen Kapitalisten bisher geschafft haben, einige vorübergehende Siege zu sichern und eine Reihe von Kürzungen erzwungen haben, liegt das nur an der Rolle der Gewerkschaftsführung und der linken Parteien. Diese leben immer noch in der Vergangenheit und sind der Meinung, dass noch eine Art Kompromiss möglich ist. Sie glauben, dass sie, wenn sie jetzt Zugeständnisse machen, eine größere Attacke in der Zukunft vermeiden. Diese so genannten Führer haben nichts verstanden. Sie verstehen die Epoche nicht, in die wir eingetreten sind. Das System befindet sich jetzt in einer allgemeinen Krise. Die Kapitalisten sind gezwungen, den Druck auf die Arbeiterklasse zu erhöhen. Heute nehmen sie den kleinen Finger, morgen die ganze Hand.

Durch schmerzhafte Erfahrungen wird die Arbeiterklasse das verstehen lernen. Sie wird auch die Notwendigkeit verstehen, diese Führer auszuwechseln und sie gegen ehrliche Klassenkämpfer auszutauschen. Die Arbeiter werden versuchen, die Errungenschaften der Vergangenheit zu verteidigen. Sie betrachten anständige Renten als ein Recht, nicht als wohltätige Zugeständnisse seitens der Bosse. Sie haben gearbeitet und in die Rentenkassen eingezahlt. Es ist ihr Geld und sie werden es nicht kampflos aufgeben. Dieser Kampf wird unerbittlich weitergeführt werden. Jeder Angriff wird durch einen Gegenangriff beantwortet werden. Durch den Kampf zur Verteidigung ihrer Renten, Löhne, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen werden sie zu dem Schluss kommen, dass es das System ist, das als Ganzes krank ist. Daraus werden sie folgern, dass es nötig ist, diese verrottete kapitalistische EU zu stürzen und sie werden sie durch die Sozialistischen Vereinigten Staaten von Europa ersetzen.

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