Kategorie: DIE LINKE

DIE LINKE und die Revolution?

Nach den herben Rückschlägen für die LINKE in den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im März 2016 ist der Wunsch der Parteibasis nach einer kämpferischen und offensiven Strategie unüberhörbar.


Beim Bundesparteitag Ende Mai in Magdeburg gaben sich Vertreter der Parteispitze antikapitalistisch und forderten eine „Revolution der Gerechtigkeit und Demokratie“. Doch was folgt auf derartige Appelle?
„Wir wollen eine Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie“, heißt es in einem Diskussionspapier der beiden wiedergewählten Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping: „Die gesellschaftlichen Aufbrüche, die mit Corbyn, Sanders oder auch Podemos verbunden werden, zeigen, dass vor allem unter jungen Menschen die Kritik am Kapitalismus an Anziehungskraft gewinnt“, so ihre Erkenntnis. Riexinger nahm den Begriff „Revolution“ in seiner Parteitagsrede gleich achtmal in den Mund. „Die Idee eines sozialen und demokratischen Europas lässt sich gegen die neoliberale EU der Banken und Konzerne heute nur noch durch eine Revolution der Gerechtigkeit und Demokratie durchsetzen“, erklärte er: „Ist das nicht zu radikal? Ich glaube nicht! Es wäre geradezu verrückt, zu meinen, dass die Enteignung der Mehrheit und die ungeheure Machtkonzentration in den Händen der Superreichen in Tippelschritten rückgängig gemacht werden könnten“, so Riexinger. Auch die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht prangerte viele alltägliche Missstände im Kapitalismus an. Sie rief dazu auf, die „tagtägliche Enteignung“ der arbeitenden Menschen im Kapitalismus wieder umzudrehen. „Wer den Reichtum erarbeitet, muss über den Reichtum verfügen“. Auf die explizite und nachvollziehbare Forderung nach Enteignung des Großkapitals verzichtete sie allerdings.

Die Worte hör ich wohl...

Solche antikapitalistischen Aussagen in den Reden des Führungspersonals kamen an und lösten stehende Ovationen aus. Auch in der viel zu kurzen Aussprache, bei der sehr viele Wortmeldungen unberücksichtigt blieben, kam immer wieder der Wunsch nach einer politischen Radikalisierung der Partei zum Ausdruck. Demgegenüber hatten Vertreter des rechten Parteiflügels und glühende Befürworter eines Regierungsblocks mit SPD und Grünen beim Parteitag eher einen schweren Stand und waren in der Defensive. Vermutlich hatten manche von ihnen noch zu Jahresbeginn gehofft, sie könnten in Magdeburg dem Parteitag den neuen linken Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt oder zumindest einige Landesminister präsentieren. Daraus wurde nach dem katastrophalen Abrutschen am 13. März auf 16,3 Prozent nichts. Diese Niederlage in Sachsen-Anhalt hat offenbar auch viele Parteimitglieder in den ostdeutschen Landesverbänden aufgerüttelt. Doch statt notwendiger Selbstkritik und Debatten über Wege aus der aktuellen Krise der Partei waren vor allem „Schulterschluss“ und „Einheit“ hinter dem Führungspersonal gefragt. Eine „Nebenwirkung“ der Tortenwurfattacke war, dass Sahra Wagenknechts Position in der Partei gestärkt wurde und eine Debatte über einzelne Äußerungen aus ihrem Munde nicht aufkam.

Dass der Begriff „Revolution“ nun in der Partei salonfähig geworden ist und nicht mehr nur von wenigen radikalen Linken benutzt wird, ist ein Fortschritt. Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein verbales Bekenntnis zur Revolution macht noch längst kein revolutionäres Programm oder gar eine Übergangsstrategie Richtung Sozialismus. So ist ein Signal von Magdeburg, dass sich die Partei in Worten ein Stück kämpferischer, rebellischer und revolutionärer gab, ohne dem allerdings programmatisch und inhaltlich gerecht zu werden. Der Aussage Bernd Riexingers, dass „die Eigentumsverhältnisse nicht in Stein gemeißelt“ sind, folgten keine klaren und konkreten Übergangsforderungen etwa nach Sozialisierung von Banken und Konzernen. Statt revolutionärem Aufbruch blieb es in den Beschlüssen beim linken Reformismus und einem linkssozialdemokratischen Programm mit vielen kleinen Tippelschritten. Nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2008 hatte die Partei eine Vergesellschaftung der Banken gefordert. Diese Forderung ist heute nach Enthüllungen über Panama-Papiere, Commerzbank und Deutsche Bank aktueller denn je. Sie kommt aber in den beschlossenen Leitanträgen und den Reden des Führungspersonals nicht vor.

Im Großen und Ganzen blieb es bei den „roten Haltelinien“, die faktisch eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene verhindern sollen. Dies wurde auch in der Beratung des Leitantrags „Für Frieden und eine gerechte Weltordnung“ deutlich. Hier bekräftigte eine breite Mehrheit das Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, NATO, Aufrüstung und Waffenexporten. Versuche und Vorstöße des Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich und seiner Strömung fds, diese Aussagen durch Änderungsanträge aufzuweichen und die Tür für eine vermeintliche „Regierungsfähigkeit“ durch Zustimmung zu Bundeswehreinsätzen aufzustoßen, fanden wenig Echo. Andererseits wurde im Zusammenhang mit der Forderung nach Stopp von Waffenexporten und Kriegswaffenproduktion und einer sozial abgefederten Konversion der deutschen Rüstungsindustrie erneut die Eigentumsfrage ausgeklammert. Dabei liegt klar auf der Hand, dass ohne eine Vergesellschaftung der Rüstungsindustrie eine notwendige und wünschenswerte Konversion nicht möglich sein wird, nicht zuletzt weil die Rüstungsproduktion nach wie vor riesige Profite sichert.

Die Chance zur sichtbaren Abgrenzung von den etablierten Parteien wurde auch in der Frage einer längst überfälligen Trennung von Religionsgemeinschaften und Staat verpasst. Hierzu hatte der Landesverband Sachsen den Antrag „Liberté, Egalité, Laïcité“ eingebracht, der sich auf bisherige Beschlüsse der Partei und Aussagen im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 stützt. Für eine Partei, deren Vorsitzender eine „Revolution der Demokratie“ proklamiert, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, im Sinne der Aufklärung die überholten Privilegien der großen Amtskirchen abzuschaffen und den Laizismus, also die Trennung von Kirche und Staat, als Bestandteil progressiver sozialistischer Politik ohne Wenn und Aber zu vertreten. Schließlich haben in Sachsen und Sachsen-Anhalt eine breite Mehrheit der Bevölkerung und in der LINKEN 80 Prozent der Parteimitglieder keine religiöse Bindung. Fünf Minuten vor dem Parteitagsende wurde dieser Antrag jedoch nicht zur Abstimmung gestellt, sondern an den Parteivorstand verwiesen und somit faktisch „versenkt“. Dies geschah auch mit den meisten anderen Anträgen, die aus Zeitgründen nicht ausgerufen wurden, so auch die Resolution „Solidarität mit dem rebellischen Frankreich“. Immerhin beschlossen wurden Resolutionen zur Solidarität mit der Linken und gegen ein Erstarken von Imperialismus und Kolonialismus in Lateinamerika sowie zur Solidarität mit der türkischen Linkspartei HDP.

„Hier hat überhaupt kein Parteitag stattgefunden. Wir haben uns zu 95 Prozent mit dem Parteivorstand beschäftigt“, rief ein frustrierter Delegierter kurz vor Schluss in ein Saalmikrofon. In der Tat nahmen die „gesetzten“ Reden von „Promis“ und externen Gastrednern, Vorstandswahlen mit stundenlangen persönlichen Vorstellungs- und Fürreden und die Behandlung der drei Leitanträge des Vorstands die überwiegende Zeit ein. Die Aussprache über Programmatisches kam zu kurz. Wie schon in den Vorjahren blieben zahlreiche Anträge von Basisgliederungen und Dringlichkeitsanträge von Delegierten unerledigt und wurden meistens an den Vorstand überwiesen. Ein Problem, das sich jedes Jahr erneut stellt und von der Parteitagsregie offenbar nicht angegangen wird.

Bei der Wahl der engeren Führungsspitze im Vorstand war anders als in früheren Jahren Harmonie zwischen den großen Strömungen und Flügeln angesagt. So blieb es überwiegend beim alten Personal. Lediglich bei den Beisitzerwahlen kamen erstmals einige BewerberInnen zum Zuge, die auf einen offensiveren und linkeren Kurs drängten. Allerdings besteht auch die große Mehrheit im neuen Vorstand aus ParlamentarierInnen und Hauptamtlichen im Politapparat von Fraktionen und Partei. Nur die wenigsten sind abseits des Politbetriebs berufstätig und insofern fest im Alltag verwurzelt. Eine statistische Erhebung ergab zudem, dass nur eine Minderheit der Delegierten Gewerkschaftsmitglied ist – auch ein Gradmesser für die Verankerung der Partei in der arbeitenden Klasse.

Revolution vorbereiten

Die bevorstehenden Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern werden zeigen, ob der bei den Märzwahlen deutlich gewordenen Krise der Partei überwunden werden kann. Umso mehr sollten revolutionäre MarxistInnen in der Partei ihre Kräfte und Energien auf Basisarbeit und politische Schulung und Aufklärung konzentrieren und nicht in endlosen Gremiensitzungen vergeuden. Das verbale Bekenntnis der Parteispitze zur notwendigen „Revolution“ werden wir gerne aufgreifen und mit Inhalten und Perspektiven füllen. Schließlich ist der (bei Redaktionsschluss) laufende Machtkampf in Frankreich zwischen den arbeitenden Menschen und der Regierung ein Stück revolutionäre Situation und erinnert an den spontanen Massenstreik im Mai 1968. Was wir daraus lernen und wie wir konkrete Solidarität zeigen – solche Fragen hätten eigentlich als aktueller Punkt auf die Tagesordnung des Parteitags gehört.

Die Krise des Kapitalismus wird unweigerlich auch in anderen Ländern zu revolutionären Krisen und Situationen führen. Darauf müssen wir uns in Theorie und Praxis vorbereiten. Allein mit einem verbalen Bekenntnis zur Revolution oder einer romantischer Verklärung des Begriffs ist es nicht getan. Wir brauchen ein revolutionäres Übergangsprogramm, das die Notwendigkeit eines Bruchs mit der Herrschaft der Großkonzerne und Banken nachvollziehbar erklärt. Nur wenn wir die Lehren der Geschichte und Ursachen fehlgeschlagener früherer Revolutionen verstehen, können wir in den vor uns liegenden krisengeschüttelten Jahren die letzte Schlacht gewinnen.

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