Brennende Polizeiautos, zerkratzte Sportwagen, entglaste Bankfilialen. Diese Bilder kommen vielen in den Sinn, wenn sie die Worte „Antifa“ und „Schwarzer Block“ hören. Jeder hat schon mal in den Nachrichten die schwarz gekleideten Demonstranten gesehen, die anscheinend in jeder Situation auch militante Mittel für legitim erachten. Die Wurzeln dieser Szene führen uns zum frühen Anarchismus und dem Begriff „Propaganda der Tat“. Der russische Anarchist Bakunin schrieb: „Wir müssen unsere Prinzipien nicht mit Worten, sondern mit Taten verbreiten, denn dies ist die populärste, stärkste und unwiderstehlichste Form der Propaganda.“
Aus dieser Art des Denkens zog allerdings jeder seine eigenen, unterschiedlichen Schlüsse. Während Paul Brousse als Urheber des Begriffes „Propaganda der Tat“ noch an Massenaktionen wie die Erhebung der Pariser Kommune dachte, gingen Gruppen wie die makedonischen „Gemidzii“ zu Terrorakten über, ließen einen Linienkreuzer sprengen und warfen Bomben in Cafés und öffentliche Gebäude Istanbuls. Hier lässt sich bereits im Anarchismus einen grober Unterschied zwischen Massenaktionen und individuellen Taten erkennen. Während der Anarchismus nur in wenigen Regionen zur Massenkraft wurde, hatte der Marxismus in Europa eine Massenbasis. Doch die Stalinisierung der Sowjetunion und der Kommunistischen Internationale führte nicht nur zur Gründung der Linken Opposition und der Vierten Internationale, in deren politischer Tradition wir stehen, sondern auch zu einem Revival anarchistischer Ideen in Europa. In den 1960er Jahren entstanden „antiautoritäre“ Gruppen, die Parteien und straffe Organisationen strikt ablehnten. Sie stützten sich auf dezentrale Strukturen mit Zellen und einem pluralen Umgang mit Theorie, welche wir als indirekten Ursprung der heutigen „Antifa-Gruppen“ bezeichnen können. Die 1968er Revolte in Westdeutschland, unter anderem gegen alte Nazi-Kader im Staatsapparat und rassistische Anschläge, wurde zum Ursprung für ihr Kernthema, den Antifaschismus. So existieren seit den 1980er Jahren, auch als Reaktion auf die Gründung der Rechtspartei Republikaner 1983, vielerorts autonome Gruppen, in manchen Städten sogar mehrere, wenn die Diskrepanz in Theorie und Praxis doch zu groß war.
Wem nützt Sachbeschädigung?
Die Autonomen entwickelten eine neue Aktionsform: den „Schwarzen Block“. Hier treffen sich möglichst viele in schwarzen Klamotten, um sich gegenseitig vor Repressionen des Staates zu schützen. So sind militante Aktionen mit möglichst geringer Gefahr für den einzelnen möglich. Meistens richten sich militante Aktionen gegen die rechte Szene, aber oftmals kommt es auch zur Zerstörung von öffentlichem Eigentum und Eigentum von Arbeiter*innen wie etwa Autos. Der Marxismus lehnt diese Aktionsform strikt ab. Warum?
Die allergrößten Teile der arbeitenden Bevölkerung, welche wir ja für unsere Sache gewinnen wollen und müssen, sehen im bürgerlichen Staatnoch einen fairen, neutralen und über der Gesellschaft stehenden Akteur, der im Interesse der Mehrheit agiert. Wer vermummt und direkt militant gegen diesen vorgeht, wird niemals über die linke Subkultur hinaus den richtigen Charakter des Staates erklären können, selbst bei Polizeigewalt. Im Gegenteil. Wenn Teile der Arbeiter*innenklasse von der Gewalt in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn etwa ihre Mülltonne im Vorhof in Flammen aufgeht, besteht die Gefahr, dass viele ihre Treue zum Staat noch verstärken oder in das rechte Lager getrieben werden. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Natürlich ist es für den einzelnen schlecht, wenn er vom Staat überwacht wird, in das Visier von Neonazis gerät oder seine Arbeit verliert. Allerdings könnte selbst eine Antifa-Zelle dich nicht zu 100% schützen. Aber bei einer Aktion, bei der du dich offen präsentierst, kannst du in jedem Fall mit viel mehr Solidarität rechnen. Dies offenbart dann auch für weitaus mehr Menschen den repressiven Charakter des bürgerlichen Staates und treibt die Emanzipation voran. Einzelne Aktionen zur Zerstörung von Polizeiwagen schwächen den Staat nie. Sie stärken ihn. Ein Beispiel: die Frankfurter Blockupy-Demonstrationen vom März 2015 an. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie frühmorgens die beiden ersten Polizeiautos im Flammen aufgingen, 50 Meter vor der durch Polizei errichteten großen EZB-Barrikade.
Warum sollte die Polizei zwei Fahrzeuge ungeschützt mitten auf der Demoroute platzieren? Wollte man vielleicht frühmorgens die Bilder der brennenden Wagen in den Nachrichten wissen, um den Rest der Proteste zu überschatten? Offenbar mit Erfolg. Die Medien hoben diese Gewaltakte hervor und blendeten den großen, friedlichen Protest samt Inhalt aus. Die breite Zustimmung der Bevölkerung zu den Protesten blieb aus, die autonomen Blöcke, die randalierend durch Frankfurt zogen, wurden ungewollt zu Verteidigern des Systems. Wenn wir das kapitalistische System überwinden wollen, müssen wir die Bewusstseinsentwicklung der Arbeiter*innenklasse begleiten, aber immer als ihr fortschrittlichster Teil, der den Gang der Entwicklung kennt. Wir müssen Arbeitskämpfe und fortschrittliche Proteste unterstützen. Der Staat wird bei der Zuspitzung der Klassengegensätze den Grund seines Daseins selbst offenbaren. Nur so wird die Masse durch die Erfahrung lernen und marxistische Schlüsse ziehen. Revolutionäre Ideen werden zur materiellen Gewalt, wenn sie in den Köpfen der Massen angekommen sind. Das ist die einzige erfolgversprechende Strategie für eine Gesellschaftsveränderung und tausendmal wirksamer als jede verzweifelte Stellvertretertat.
Foto: flickr / Copyright CC Florian Bausch
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