Kategorie: Theorie

Gendeterminismus oder Aufbruch in eine sozialistische Zukunft? Das „Human Genome Project"

Ungefähr einmal in jedem Jahrhundert hält ein wissenschaftlicher Durchbruch die Welt in Atem. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse des „Human Genome Project", stehen wir an der Schwelle zu einem solchen Durchbruch. Die Wissenschaft wird dadurch in die Lage gebracht, die Prozesse der Evolution zu verstehen, rassistischen Mythen die Grundlage zu entziehen und die Art und Weise zu verändern, wie Mediziner Krankheiten diagnostizieren.


Das Puzzle der fehlenden Gene

Die neue Herangehensweise, die darin besteht, sich nicht mehr auf individuelle Gene, sondern auf Gensysteme zu konzentrieren, wird die biologische Sichtweise des menschlichen Körpers völlig ändern. Ungefähr 2000 Wissenschaftler haben weltweit daran mit gearbeitet. Das Forschungsprojekt wurde eigentlich von zwei verschieden Gruppen geführt. Die eine – gesponsert von der US-Regierung; die andere vom britischen „Wellcome Trust´s Glaxo Sanger Center".

Die größte Überraschung war die geringe Anzahl der menschlichen Gene. Als man die ersten Genstämme untersuchte, die Pharmaunternehmen von Interesse schienen, „brach fast Panik aus, weil die Gene nicht da waren", sagte Dr. J. Craig Venter, Leiter eines der Forschungsteams. Das Problem ist, daß die Lehrbücher davon ausgegangen waren, die Anzahl der Gene sei viel höher. Die Länge des menschlichen DNA-Strangs veranlaßte die Wissenschaftler zu der Annahme, daß er Informationen für die Bildung von 50.000 bis 150.000 Genen beinhalten könnte. Diese Vermutung basierte auf einem Vergleich mit einfacheren Organismen, wie zum Beispiel dem der Fruchtfliege. Man ging davon aus, daß der menschliche Organismus, der wesentlich komplexer ist als der einer Fruchtfliege mit 13.000 Genen, ein ungleich größeres Genreservoir besitzen müßte. Die Schätzung von bis zu 150.000 Genen schien um so vernünftiger, nachdem die ersten beiden tierischen Genome dechiffriert worden waren.

Die geringe Anzahl der menschlichen Gene stellt die Wissenschafter vor ein Dilemma. Wie ist die höhere Komplexität der Menschen zu erklären? Was ist es, dass den Menschen im Vergleich so hochentwickelt macht?

Der „Christian Science Monitor" stellte die Frage folgendermaßen: „Wenn der Mensch so fortschrittlich ist, wie kann es sein, dass sich seine Gene kaum von einem Wurm oder von Getreide unterscheidet?" Und wenn sich, wie erwartet wird, erweist, daß das Genom eines Schimpansen jenem eines Menschen sehr ähnlich ist, wird die Wissenschaft trotz alledem erklären müssen, wie es möglich ist, daß die eine Spezies in den letzten 50.000 bis 150.000 Jahren den Planeten beherrschte, während die andere noch immer auf Bäumen herumklettert. Es ist klar, daß diese Frage nicht nur auf genetischer Basis beantwortet werden kann. Der große Fortschritt der jüngsten Entdeckungen ist der, daß sie einen Bruch mit jenem Konzept bedeuten, wonach alles mit Bezugnahme auf individuelle Gene erklärt werden kann. Dem menschlichen Genom kann man sich jetzt als komplexes Ganzes annähern. Gene dürfen nicht als eine Ansammlung von isolierten Einheiten angesehen werden, sondern als ein Prozess von höchst komplexen Interaktionen. Die weitere Erforschung dieser Interaktionen, ihre Geschichte und die daraus resultierende genetische „Archäologie" könnten uns ein Verständnis über uns selbst und über unsere Stellung in der Welt geben.

Biologischer Determinismus

MarxstInnen haben nie die Rolle der Genetik in der Bestimmung des menschlichen Verhaltens ignoriert. Es ist selbstverständlich, daß Gene eine wichtige Rolle spielen. Sie bilden in gewissen Grad das Rohmaterial, aus dem sich Individuen entwickeln. Aber sie repräsentieren nur eine Seite der Medaille. Ein Problem entsteht dann, wenn bestimmte Menschen versuchen, Gene als den allein bestimmenden Faktor zu präsentieren. In Wahrheit beeinflussen sich Gene (die Natur – engl. „nature) und Umweltfaktoren (engl. „nurture") gegenseitig. In diesem Prozess der Beeinflussung ist die Rolle der Umwelt absolut zentral.

Die jüngsten Forschungsergebnisse des Human Genom Project haben die Auseinandersetzung zwischen „nature" und „nurture" ein für alle mal entschieden. Die relativ geringe Anzahl von Genen schließt die Möglichkeit, daß individuelle Gene unser Verhalten bestimmen und kontrollieren (Kriminalität, sexuelle Orientierung,...) aus. Es widerlegt Theorien von Leuten wie Dean Hammer, der behauptete, das Gen für Homosexualität isoliert zu haben. Ähnliche Aussagen wurden für eine ganze Reihe von menschlichen Eigenschaften, von Athletik über Kunstgeschmack bis hin zu politischen Einstellungen, gemacht. In Wirklichkeit ist das menschliche Verhalten sehr komplex und kann nicht auf die Genetik reduziert werden.

Die biologischen Deterministen behaupteten, Gene seien für Kriminalität und ähnliches verantwortlich. Sie versuchten, alle sozialen Probleme durch Genetik zu erklären. Im Februar 1995 fand in London eine Konferenz zur Genetik von „kriminellem und asozialem" Verhalten" statt. Während der Vorsitzende Sir Michael Rutter vom Londoner Institut für Psychiatrie feststellte, „daß es so etwas wie ein Gen für Kriminalität nicht gibt", bestanden andere Teilnehmer, wie z.B. Dr. Gregory Carey, darauf, daß genetische Faktoren für 40-50% der Kriminalität verantwortlich sind. Andere TeilnehmerInnen meinten, es gebe gute Möglichkeiten, Medikamente zu entwickeln, die, sobald die verantwortlichen Gene gefunden sind, in der Lage wären, Aggression zu kontrollieren. Sollten Tests zeigen, daß ein Embryo Gene besitzt, die für aggressives oder asoziales Verhalten verantwortlich sind, sollte eine Abtreibung in Erwägung gezogen werden, so Dr. Carey.

Es gibt noch viele andere Beispiele für biologischen Determinismus. Die berüchtigte Bell-Kurve von Charles Murray z.B., die vorgibt, eine genetische Erklärung für den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen IQ eines weißen und eines schwarzen Amerikaners gefunden zu haben. Oder die Position von C.R. Jeffery, der behauptet: „Die Wissenschaft muß erklären, welche Individuen kriminell werden und welche Bestrafungsmethoden funktionieren werden und welche nicht." Yudofsky unterstützt diese Meinung und stellt außerdem fest: „Wir stehen vor einer Revolution in der genetischen Medizin. In Zukunft werden wir die Genetik von aggressiven Abweichungen verstehen und jene identifizieren, die Tendenzen haben, gewalttätiges Potential zu entwickeln."

Der unwissenschaftlicher Charakter dieser „Theorien" wird nun bestätigt. Dr. Graig Venter von Celera formuliert es sehr klar: „Wir haben schlichtweg zu wenige Gene, um dem biologischen Determinismus eine wissenschaftliche Basis geben zu können. Die Vielfalt der menschlichen Spezies ist nicht in den genetischen Code eingebrannt. Die Umweltbedingungen sind entscheidend." (Observer, 11.2.2001) Der Observer schreibt weiter: „Nur wenn sich die ForscherInnen darauf konzentrieren, wie Gene aktiviert und deaktiviert werden und wie sie Proteine erzeugen, können sie einen signifikanten Unterschied zwischen den verschiedenen Säugetieren erkennen. Der entscheidende Unterschied liegt in der Art und Weise, in der menschliche Gene reguliert sind und wie sie auf umweltbedingte Stimulierungen, verglichen mit anderen Tieren, reagieren."

Das bedeutet, es sind die Umweltbedingungen, der äußere Reiz sowohl der physischen Welt und der Bedingungen unter denen wir leben, die die Evolution entscheidend bestimmen. Die Rolle von Genen ist wichtig, aber die Beziehung zwischen Genen ist nicht einfach und mechanisch, wie uns die Theorie des biologischen Determinismus weismachen will, sondern komplex und dialektisch. Es gibt eine komplexe Beziehung zwischen dem genetischen Aufbau des Organismus und den physischen Bedingungen, die ihn umgeben. In hegelianischer Sprache könnte man sagen, Gene repräsentieren Potenzial. Aber dieses Potenzial muss durch einen externen Reiz aktiviert werden. Die Gene werden durch Umwelteinflüsse „eingeschaltet", sie produzieren kleine Veränderungen, einige davon erweisen sich aus evolutionärer Sicht als sinnvoll und brauchbar, andere, oder besser gesagt die meisten genetischen Mutationen bedeuten allerdings keinen Fortschritt oder sind sogar schädlich. Über einen bestimmten Zeitraum führen die positiven Mutationen zu qualitativen Veränderungen im Organismus und bilden damit die Basis für den Prozess, den wir natürliche Selektion nennen. Der Leitartikel des Observer zog folgende politischen Konsequenzen: „Politisch stärken die jüngsten Entdeckungen die Linke. Mit ihrem Glauben daran, daß jeder Potential hat, wie armselig sein sozialer Hintergrund auch sein mag. Für die Rechte, mit ihrer Liebe zu herrschenden Klassen und zur Erbsünde, bedeutet es eine schwere Niederlage."

"Rasse ist in der Wissenschaft bedeutungslos"

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind auch bedeutend für einen weiteren Gesichtspunkt: Die Gene decken die Einheitlichkeit in der menschlichen Vielfalt auf. Sie zerstören den Mythos von rassischer Überlegenheit. Die biologische Grundlage aller Menschen ist gleich. Das Fehlen eines „Rassengens" wurde von zwei Seiten bestätigt. Celera verwendete die DNS von Männern und Frauen, die sich selbst als Asiatische Chinesen, Afroamerikaner, Kaukasier und Spanische Mexikaner bezeichneten. Die Wissenschaftler konnten eine Gruppe nicht von der anderen unterscheiden. Kein Gen für sich oder in Kombination mit anderen ließ Rückschlüsse auf eine bestimmte „Rasse" zu.

Die neue Untersuchung besagt, daß alle Individuen zu 99,99 Prozent gleich sind. Außerdem sind die Forscher der Meinung, daß der Genpool in Afrika, wo der Ursprung der Menschheit vermutet wird, am vielfältigsten ist. Diese Erkenntnis entzieht den Vorstellungen von Unterschieden wegen verschiedener Hautfarbe jede Grundlage. Svente Pääbo, ein deutscher Forscher, äußert sich in einem Artikel im Magazin „Science" über das Schema der Gensequenz: „Es ist oft der Fall, daß zwei Personen, die vom selben Teil der Erde stammen und sich oberflächlich betrachtet ähnlich sehen, weniger nahe verwandt sind als zwei, die von verschiedenen Kontinenten kommen und vielleicht sehr unterschiedlich aussehen."

Dr. Eric Lander vom Whitehead Institute for Genome Research, Mitglied des internationalen Konsortiums, betonte, daß obwohl zwei Menschen zu 99,9 Prozent genetisch identisch sind, immer noch Platz für beachtliche Variationen bleibt. Ein zehntel Prozent der menschlichen Gene ist verantwortlich für erbliche Unterschiede. Grundsätzlich sind alle Menschen gleich. Die Untersuchungen über die menschlichen Gene haben zweifelsfrei bewiesen, daß wir trotz äußerlicher Unterschiede zu über 99 Prozent identisch sind. Nur 3 Millionen der 3 Milliarden Chemikalien in der Gensequenz unterscheiden sich von Person zu Person, wodurch rassische Unterscheidungen bedeutungslos werden. Ethnische und kulturelle Unterschiede zwischen verschieden Völkern bestehen zweifellos, jedoch sind diese Unterschiede auf genetischer Ebene bedeutungslos, wo die Menschen ohne Rücksicht auf Rasse und Geschlecht gleich sind. Rassenhaß kann daher nicht als durch genetische Unterschiede hervorgerufen gerechtfertigt werden.

Das menschliche Genom und das große Geschäft

Die WissenschaftlerInnen vom Human Genome Project beschrieben das Entschlüsseln des menschlichen Erbguts als „ein Geschenk an die Menschheit", das die jetzigen Methoden, sich vor Krankheiten zu schützen, verbessern und neue Heilmitteln zu finden helfen wird. So könnte es zumindest sein. Aber in der Marktwirtschaft gehen die Uhren anderes und für dieses Geschenk wird ein hoher Preis zu zahlen sein.

Das Entschlüsseln des menschlichen Bauplans ist eine historische Errungenschaft. Nun stehen wir aber vor der Aufgabe, die Komplexität und den dialektischen Prozeß zwischen Gene und Umwelt zu erforschen. Und da hat die Arbeit erst begonnen. Die Wissenschaft hat bis jetzt noch nicht die Rolle der Gene in komplexen Krankheiten erforscht. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, doch dieses immense Potential wird bald in Konflikt mit den engen Grenzen des kapitalistischen Systems kommen. Einem System, in dem alles dem privaten Gewinn untergeordnet ist. Die neue Technologie wird schnell unter die Kontrolle der großen Multis kommen, die sie für sich selbst ausbeuten werden. Die allgemeinen Interessen der Menschheit werden an die zweite Stelle gedrückt.

Das „Human Genome Project" hat natürlich das Big Business in der Hoffnung auf große Profite angezogen. Die Resultate haben aber auch Bestürzung in einigen Chefetagen der großen Pharmafirmen gebracht. Sie freuten sich schon auf eine Menge Geld mit den verbesserten Heilmitteln, die mit dem Wissen um das Verhalten der menschlichen Gene gemacht werden könnten. Anfänglich rechneten sie mit 120.000 bis 150.000 Genen und danach richteten die Pharmakonzerne ihre Investitionen. So wurden Craig Venter und sein Team von dem Chef eines führenden biotechnischen Unternehmen wüst beschimpft, als diese bekannt machten, daß die Anzahl der Gene „nur" 30.000 sein wird.

„Er fluchte, beschwor uns und benutzte alle möglichen Beschimpfungen gegen mich und meine Firma." Als er von Venter gefragt wurde, wo denn das Problem sei, antwortete der unbekannte Chef: „Ihr habt gerade bekannt gemacht, daß es nur 30.000 menschliche Gene gibt. Aber ich habe gerade einen Deal mit SmithK-line Beecham abgeschlossen und ihm versprochen, 100.000 Gene zu verkaufen. Wo glaubt ihr nun soll ich die restlichen auftreiben, ihr Bastarde."

Dieser kurze Austausch wirft ein erheiterndes Licht auf die Beziehung zwischen dem Big Business und wissenschaftlicher Forschung. WissenschaftlerInnen- zumindest die guten- sind an der Wissensfindung um ihrer selbst willen interessiert, daran, neue Ufer zu ergründen, und den Horizont der Wissenschaft zu erweitern. Das Big Business dagegen interessiert sich ausschließlich für das Geldmachen. In diesem Fall waren sie bereit zu investieren, weil sie die Perspektive üppiger Profite vor Augen hatten. Die Biotechnologieindustrie basiert auf der Isolierung von Genen, die in unserem Körper nicht richtig funktionieren, um neue Medikamente entwickeln und mit Gewinn verkaufen zu können. Selbst 30.000 potentielle neue Medikamente bedeuten eine große Summe Geld - für einige wenige.

Das internationale „Human Genome Sequencing Consortium" ist ein multinationales, öffentlich finanziertes Projekt, das seine Forschungsergebnisse für alle zugänglich macht. „Celera Genomics" dagegen, ein privates Unternehmen, hält seine Forschungsergebnisse in der Hoffnung, seine Investoren reich zu machen, unter Verschluß. Mit ihrem Bauplan der menschlichen Genetik in der Tasche hofft die Celera Genomics, das große Geld mit Biotechnologie- und Pharmafirmen zu machen, welche die genetische Informationen zur Entwicklung neuer Medikamente brauchen. Obwohl der genetische Bauplan und LeserInneninformationen vom Human Genome Projekt kostenlos zur Verfügung gestellt werden, haben Forschungsunternehmen wie Immunex bereits über 15 Millionen Dollar bezahlt, um den Bauplan von Celera zu erhalten. AnalystInnen meinen, daß das Unternehmen mit einem Marktkapital von etwa 3 Milliarden Dollar, sich von seiner Position als Genbibliothek weg bewegt, hin zur Entwicklung von Medikamenten und Behandlungsmöglichkeiten, begünstigt durch das Wissen über den genetischen Bauplan. Celera Aktien stiegen an der New Yorker Börse von 10 Cents auf 47.85 Dollar. Bereits jetzt benutzt Celera den genetischen Bauplan, um Medikamente und Behandlungsmethoden selbst zu entwickeln. Es wird gesagt, daß Celera so groß werden könnte wie der Gesundheits- und Medikamentengigant Pfizer.

Weil Unternehmen üblicherweise gesicherte Eigentumsrechte über die Erbinformationen haben wollen, bevor sie die Millionen von Dollars investieren, die notwendig sind, um neue Medikamente aus ihnen zu entwickeln, könnten Zweifel über Patentrechte weitreichende Folgen haben. Manche Forscher meinen, daß zwei WissenschaftlerInnen oder Unternehmen bei der Forschung an verschiedenen Proteinen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Krankheiten, Anteile desselben Gens patentieren. Das Ergebnis könnte eine Serie von Reibereien um Patente sein, die eine oder beide Unternehmen blockiert und so von der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung von Krankheiten abhalten könnte.

Das Patentamt schätzt, daß es Patente für etwa 1000 menschliche Gene erteilt hat, aber immer noch Zehntausende Anträge anhängig sind. Die Geier kreisen bereits! Die Aussicht auf Chaos und endlose Rechtsstreitigkeiten ist vorhersehbar, zum Schaden der Wissenschaft und der Millionen von Menschen, die verzweifelt neue medizinische Behandlungen brauchen, welche durch das Genetikprojekt möglich wären. Selbst wenn zwei gültige Patente erteilt werden, wäre es möglich, daß einer der Besitzer einen Rechtsstreit gewinnt und damit den anderen bei der Weiterführung seiner Forschung an einem neuen Medikament blockiert. KritikerInnen haben sich bereits darüber beschwert, daß Human Genome Sciences die Rechte über die Rolle der Gene bezüglich Aids garantiert wurden, ohne ausreichenden Beweis, daß es deren Rolle verstanden hatte. Dies ist nur der Anfang.

Es gibt weitere Probleme bezüglich der Verwendung dieser Technologie im Kapitalismus. Sie könnte in eine neue Ära der genetischen Diskriminierung münden. Wenn z.B. WissenschaftlerInnen diagnostische Tests entwickeln, die eine individuelle Neigung zu bestimmten Krankheiten feststellen, sollte dann der/die ArbeitergeberIn oder die Versicherungsgesellschaft der getesteten Person davon wissen? „Ohne adäquate Sicherheitsmaßnahmen könnte die genetische Revolution einen Schritt vorwärts für die Wissenschaft, aber zwei Schritte zurück für die Menschenrechte bedeuten," schreiben die beiden US-Senatoren James Jeffords und Tom Daschle. „Der Mißbrauch genetischer Information könnte eine neue Unterklasse kreieren: die der genetisch weniger Begünstigten." Dr. Venter und Dr. Collins, die führenden Pioniere auf diesem Gebiet, haben beide Versuche von Unternehmen beklagt, ArbeitnehmerInnen heimlich zu testen und sie auf der Grundlage genetischer Profile zu diskriminieren. Kürzlich, übrigens zum ersten Mal, hat die „Federal Equal Employment Opportunity Commission" einen Arbeitgeber - die Burlington Northern Santa Fe Railway - wegen Diskriminierung auf der Grundlage genetischer Tests belangt. In einer Meinungsumfrage, durchgeführt im letzten Jahr von der American Management Association unter 2133 ArbeitgeberInnen, gaben sieben an, daß sie genetische Tests bei JobbewerberInnen oder ArbeitnehmerInnen anwenden.

Ebenso wie jede technologische Entwicklung kann auch der genetische Bauplan in den Händen von verantwortungslosen Kapitalisten von einem Segen für die Menschheit zu einem Fluch werden.

Die neuesten großartigen Entdeckungen im Bereich der Genetik, die nur möglich gemacht werden konnten durch die Zusammenarbeit von Frauen und Männern jedes Kontinents und jeder Nationalität, sind zu wichtig, als daß sie von einer handvoll Profiteuren monopolisiert werden.

Die Arbeiterbewegung muß weltweit die Vergesellschaftung der großen Biotechnologie- und Pharmakonzerne fordern, als ersten Schritt zur Vergesellschaftung aller großen Banken und Monopole, die unser Leben dominieren und alle Aspekte unseres Existenz der Diktatur des Kapitals unterwerfen. Nur in einer rationalen sozialistischen Planwirtschaft können die Entdeckungen ihr volles Potential ausschöpfen und können an den richtigen Platz gestellt werden, nämlich in den Dienst der Menschheit.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Das Leben im 21. Jahrhundert bleibt, in den unvergessenen Worten von Hobbes, „nasty, brutish, short" („häßlich, brutal, kurz"). Aber dies müßte nicht der Fall sein. Die Möglichkeiten der modernen Industrie, der Landwirtschaft, der Wissenschaft und der Technik sind mehr als ausreichend, um all die drückenden Probleme der Menschheit zu lösen und ein Paradies zu schaffen, nicht hinter den Wolken des Jenseits, sondern hier und jetzt, in dieser Welt.

Wenn wir uns die Fortschritte der Wissenschaft zunutze machen, können wir die Lebenserwartung weit über die „natürlichen Grenzen" ausdehnen. Es ist möglich, ein aktives und gesundes Leben jenseits der 100 Jahre zu führen: das Leben zu genießen, Kunst zu schaffen, sich in den Wissenschaften und anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu verwirklichen, die Möglichkeiten, die uns die Natur mit auf den Weg gegeben hat, voll zu entfalten - um dann, wenn wir alles gegeben haben, diese Welt reinen Herzens unseren Nachkommen zu hinterlassen, die unsere Arbeit weiterführen und vertiefen werden. Solche Aussichten mögen utopisch wirken für den Geist der zweiten Reihe für Leute, die durch den Verfall des Kapitalismus so demoralisiert und dehumanisiert geworden sind, daß sie alle Hoffnung und allen Sinn für die menschliche Würde verloren und sich damit abgefunden haben, daß der gegenwärtige miserable Stand der Dinge der Weisheit letzter Schluß sei. Was uns die Errungenschaften der Wissenschaft zeigen, sind die unbegrenzten Möglichkeiten der Menschheit. Gleichzeitig enthüllen sie die verbrecherische Verschwendung der sogenannten Marktwirtschaft. Bis heute konnten sich die Verteidiger des gegenwärtigen Systems hinter dem pseudowissenschaftlichen Argument verstecken, das Prinzip der sozialen Ungleichheit wäre ein Resultat der eisernen Notwendigkeit, daß alles in unseren Genen steht – genauso wie man früher behauptete, alles stünde in den Sternen. Dieser Unsinn wird nicht länger aufrecht zu erhalten sein! Die kriminelle Ungerechtigkeit der Klassengesellschaft steht nun schuldig auf der Anklagebank eben jener Wissenschaft, auf die sie sich immer berief.

Die griechische Mythologie überliefert die Geschichte von Tantalos, dem Giganten, der von Zeus dazu verurteilt wurde, die Qualen von Hunger und Durst zu erleiden, während sich eine Tafel von Essen und Trinken gerade außerhalb seiner Reichweite befand. In diesem Mythos haben wir eine direkte Analogie zu der kapitalistischen Gesellschaft in der Periode ihres Verfalls. Alle materiellen Mittel sind vorhanden, um das Ziel des Sozialismus zu erreichen - eine klassenlose Gesellschaft, in der Menschen ihr Leben selbst bestimmen, statt blinde Objekte im Spiel unsichtbarer, von ihnen unverstandener Kräfte zu sein. Der nächste Schritt der Evolution verlangt, daß wir der degradierenden sozialen Apartheid der Klassengesellschaft ein Ende setzen, daß wir mit dem modernen Gegenstück zur Sklaverei Schluss machen und die kapitalistische Anarchie und das „Gesetz des Dschungels" durch wahrhaft menschliche Beziehungen ersetzen. Haben wir einmal die notwendigen Bedingungen für die menschliche Entwicklung geschaffen, indem wir das unglaubliche Potential, welches in Industrie, Landwirtschaft, Technik und Wissenschaft steckt, werden wir auch das unerkannte Potential, das in jedem von uns schlummert, freisetzen können.

 

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