Kategorie: Wirtschaft

„Lasst die Opelaner ran!“ – Wie die Krise tatsächlich zur Chance werden könnte

Die Situation beim Opel ist ernst. Man darf sich da nichts vormachen. Die Abwrackprämie wird pünktlich zur Bundestagswahl auslaufen. Der Trend, dass Geringverdiener und Mittelschicht-Haushalte, durchschnittlich betrachtet, mit immer weniger verfügbarem Einkommen auskommen müssen, wird anhalten. Wer soll all die Mittelklasse-Autos kaufen? Die Gewerkschaft IG Metall formuliert Anfang April Sozial-Bedingungen für private Opel-Investoren. Das reicht nicht. Es muss grundsätzlich anders an die Lösung der Probleme rangegangen werden.


„Wenn die da oben nicht mehr können und die die da unten nicht mehr wollen, dann zeichnet sich am Horizont die Möglichkeit ab, den Kapitalismus zu überwinden.“
(aus einer improvisierten Rede während der Frankfurter
Demonstration „Wir zahlen nicht! Für Eure Krise!“)

Abwrackprämie: Probleme aufschieben, Konkurse verursachen

Kaum ist die Abwrackprämie am Laufen, erheben sich auch schon Stimmen, die ihre Abschaffung fordern. Und das mit guten Gründen. Einmal abgesehen von der ökologischen Absurdität dieser Maßnahme tun sich sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialpolitischer Hinsicht Abgründe auf. Klar ist, dass es zu viele Autos auf der Welt gibt, die partout nicht gekauft werden. John M. Keynes hat einen solchen Zustand einmal sehr hübsch als „Nachfragelücke“ bezeichnet. Angesichts der Tatsache, dass sich die breite Masse der Bevölkerung, inklusive Mittelschichten, in den großen Industrienationen, aufgrund fortgesetzter neoliberaler Politikstrategien, immer weniger vergleichsweise sehr teure Produkte leisten kann, ist auch nicht davon auszugehen, dass die weltweite Absatzkrise für massenhaft durch viele Anbieter produzierte Automobile mittelfristig beendet werden kann. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, jedenfalls ist sich ganz sicher, wie man der Krise begegnen muss: Löhne runter, das hilft! (siehe BamS vom 6.4.09, S. 3) Wir haben es, marxistisch gesprochen, mit einer klassischen Überproduktionskrise zu tun, welche sich durch das Abschmelzen der kleinen und der Mittelschicht-Einkommen zu einer Systemkrise der industriellen Fertigung hochwertiger und vergleichsweise sehr teurer Produkte auswächst. Rationale Überlegungen zur politischen Steuerung ökonomischer Prozesse im High-Tech-Bereich müssen von dieser Tatsache ausgehend angegangen werden.

Dass die klassisch keynesianisch funktionierende Abwrackprämie vor diesem Hintergrund keine mittelfristige Lösung für die fundamentale Schieflage des Autosektors bieten kann, liegt auf der Hand. Sie erhöht kurzfristig den künstlichen Absatz von gleichwohl weiterhin auf Halde produzierten Waren. Mehr nicht. Das ist für die regulär beschäftigten (!) Opelaner (und die Arbeitnehmer bei anderen Autobauern und in den Zulieferbetrieben) insofern gut, als die vermehrte Einführung von Kurzarbeit oder gar Entlassungen auf diese Weise gestreckt werden können. Die Gefahr hierbei ist jedoch die, dass Politik wie Belegschaft das Nachdenken über grundsätzliche Lösungsstrategien für das Unternehmen weiter aufschieben und dass so wertvolle Zeit verloren wird, in der man produktive Überlegungen anstellen und neue Strukturen im Kleinen und Großen bereits auf den Weg bringen könnte und müsste. Time is money. Stattdessen scheinen sich die Politiker der Großen Koalition – neben Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) war auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den letzten Wochen im Opelstammwerk Rüsselsheim zugegen – bis zur Bundestagswahl im September diesen Jahres als Arbeiterfreunde präsentieren zu wollen. Also streckt man die Strukturprobleme, die anzupacken man sich nicht wirklich traut, für ein paar Monate per Abwrackprämie auf die lange Bank. Das freut auch viele andere ArbeitnehmerInnen, die sich nun mit staatlicher Hilfe eine neue Kiste leisten können. Das kommt nicht nur in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserlautern unter dem Strich gut an.

Eines allerdings ist hierbei so sicher wie das Amen in der Kirche: Auf diese Weise „(verhindert man) eine sich selbst verstärkende Spirale nach unten“ (Bundespräsident Horst Köhler in seiner Berliner Rede zur Wirtschaftskrise am 24.3.09) gewiss nicht. Sehr zu Recht definierte dem entgegen der Herr Bundespräsident in seiner Rede die Verhinderung dieses Abwärtssogs, neben dem Anpacken von ökonomischen Strukturveränderungen als zentrale Aufgabe der gegenwärtigen Politik. Ob Merkel, Steinmeier & Co. ihrer aktuellen Pflicht und Schuldigkeit gerecht werden, darf nicht nur in Bezug auf die Lösung der systemischen Probleme der Autobauer und ihrer Zulieferindustrie bezweifelt werden. Was bei der großen Politshow namens „Abwrackprämie“ leicht aus dem Blickfeld gerät sind die Folgeprobleme, die diese Maßnahme insbesondere für die vielen, vielen kleinen und mittleren Betriebe mit sich bringt, die zwar von der Automobilindustrie, aber eben nicht vom Verkauf von Neuwagen leben. Konkret: Wer seinen geliebten Altwagen nun mit Eurozeichen in der Pupille der Schrottpresse übergibt, der lässt diesen eben nicht mehr reparieren. Wer jetzt ein vermeintliches Neuwagen-Schnäppchen machen kann, der kauft keinen Gebrauchtwagen. Wer fragt nach den kleinen Meisterbetrieben des Reparaturbetriebs und den Gebrauchtwagenhändlern im Land, denen nun die Aufträge weg brechen? Wer fragt nach den Arbeitern und Angestellten dieser kleinen und mittleren Unternehmen, die nun oder demnächst entlassen werden? Zumal in diesen Betrieben, schon alleine aufgrund ihrer geringen Größe, oftmals keine Betriebsräte existieren und die gewerkschaftliche Bindung der Mitarbeiter gegen Null tendiert. Unter solchen Bedingungen gibt es voraussichtlich weder Abfindungen noch Sozialpläne. Wer macht die Krise dieser Firmen und die soziale Unsicherheit ihrer Mitarbeiter öffentlich? Welche Regierungsvertreter werden bei der Firma „Müller-Meier & Kinder“ einfliegen und irgendeinen Rettungsschirm anbieten für die ökonomisch absurden und sozial unverträglichen Folgewirkungen der großen Politshow namens „Abwrackprämie“?

Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass die Abwrackprämie vor allem das Betriebsergebnis mancher Autohandelshäuser positiv beeinflussen wird. Autohändler haben bereits ihr Interesse an einem möglicherweise einmal erfolgenden Einstieg neuer privater Investoren in ein von GM losgelöstes deutsches Unternehmen namens Opel bekundet. Egal ob das so kommen wird oder nicht, fest steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur, dass größere und manche mittlere Autohandelshäuser die Abwrackprämie geschickt für die Vermehrung des eigenen Gewinns nutzen können, während viele kleine und mittlere Betriebe des Reparatur- und des Gebrauchtwagengewerbes mit jedem Tag mehr in Schwierigkeiten geraten werden, den die Subventions-Maßnahme weiter in Kraft bleibt. Auch über die Autobranche hinaus entfaltet die Abwrackprämie kontraproduktive Wirkungen. Angesichts des im ersten Quartal 2009 erfolgten Umsatzeinbruchs im Einzelhandel warnt der Geschäftsführer des niedersächsischen Einzelhandelsverbandes, Hans-Joachim Rambow, vor den Folgewirkungen der Abwrackprämie: „Mit einem Rückgang beim Verkauf von Möbeln und Elektrogeräten ist laut Rambow auch wegen der Abwrackprämie für Altwagen zu rechnen: ‚Wer sich jetzt einen Neuwagen zulegt, kauft nicht sofort danach neue Möbel. Möglicherweise werden solche Käufe dann aber zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.’ Bedingung dafür sei aber, dass sich die wirtschaftliche Lage nicht weiter verschlechtere.“ (siehe fr-online.de vom 6.4.09, Artikel: Dramatische Einbußen. Krise erreicht den Einzelhandel) Was die Umsatzerwartungen bis Jahresende angeht, so sieht Rambow die von ihm genannte Bedingung als offensichtlich nicht begründet an.

Internationale Beziehungen und die Lösung der Opel-Krise

Es droht die Gefahr, dass auch diese durch die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise hervorgerufene Überproduktionskrise die Prozesse der Kapitalkonzentration einerseits und der „sich selbst verstärkenden Spirale nach unten“ (Horst Köhler) sowohl im Bereich der High-Tech-Produktion (aufgrund ausbleibender, fundamentaler Umstrukturierungen) als auch im Kleingewerbe verstärkt. Produktive Hochtechnologie droht ebenso wie Kleinproduktion und Kleinhandel einem sich durch indirekte Steuer-Subvention weiter aufblähenden Handelskapital geopfert zu werden. Das solchermaßen vergleichsweise unproduktiv vermehrte Handelskapital – MarxistInnen sprechen von „Überakkumulation“ als eines der grundsätzlichen Resultate des Reproduktionsprozesses des Kapitals - wird wiederum renditeträchtig „angelegt“ werden müssen. Der Bau eines Geldspeichers á la Dagobert Duck macht schließlich keinen Sinn. Neulich sah ich einen Bericht im Fernsehen, dass in Dubai gerade der Häusermarkt boomt. Deutsche mit viel überschüssigem „Bimbes“ (Helmut Kohl) legen diesen bereits dort an. Auch deutsche Strohfirmen vermitteln die Deals. Und wenn demnächst „Steueroasen“ in den europäischen Nachbarländern auf deutschen Druck hin ausgetrocknet sein werden, dann werden die angeschlagenen deutschen Privat- und Staats-Banken im großen Stil, noch sehr viel mehr als bisher, als internationale Investment-Dealer auftreten und sich auf Kosten des „ausgetrockneten“ Schweizer und Luxemburger Finanzkapitals gesund stoßen können. Das weltweite Monopoly-„Spiel“ mit überschüssigem, d.h. mit unproduktiv erworbenem und insgesamt nicht produktiv investiertem Kapital geht munter weiter ... bis zur nächsten Investment-Krise, ausgelöst durch die nächste Überproduktionskrise, z.B. im Häusermarkt Dubais. Kennt man schon aus Amerika. Lösungsversuche wie die Abwrackprämie bereiten nur die Krisen der Zukunft vor.

Anstatt grundsätzlich umzusteuern, versuchen die Regierenden die Krise mit den Mitteln zu lösen, die die Krise verursacht haben. In gewöhnlichen Rezessionsphasen kann Keynesianismus, z.B. die Abwrackprämie, durchaus positiv wirken und die meisten Gesellschaftsmitglieder nehmen eventuelle negative Folgewirkungen wahrscheinlich hin, weil es vielen Menschen nach ein paar Monaten konjunktureller Krise wieder besser gehen wird. Leider hat die Politik allerdings – wenn auch, gerade in Deutschland, mit einer gewissen Verzögerung – inzwischen erkennen müssen, dass wir es zurzeit eben nicht mit einer gewöhnlichen konjunkturellen Abkühlung, sondern in der Tat mit einer systemischen Krise der globalen Reproduktionsbedingungen der herrschenden Wirtschaftsweise zu tun haben.

Die internationale Politik wird zurzeit neu strukturiert. Eine Mittelmacht wie Deutschland, die sich neuerlich darum bemüht, sich ein paar rentable Plätzchen an der Sonne zu sichern, hat seit Jahren darauf gewartet und sich systematisch darauf vorbereitet, dass die USA eines nicht mehr fernen Tages in eine schwere finanzielle, politische und moralische Krise schlittern werden. Nun ist diese Zeit gekommen. Man versucht die Gruppe der führenden Wirtschaftsnationen von acht auf zwanzig Mitglieder zu erhöhen, um der aufstrebenden Mittelmacht neue Absatzmärkte und Einflusszonen zu sichern und, parallel dazu, die USA in ihrem Hegemonialstreben einzugrenzen. Aufgrund ihrer fundamentalen gesellschaftlichen und moralischen Krise haben die USA wiederum keine andere Wahl, als sich auf dieses Spiel einzulassen. Nur so kann der US-Staat eigene Gestaltungsmacht in Relation zu den derzeit sich im Aufwind befindlichen Mittelmächten bewahren. Infolge dessen treten insbesondere die USA und Deutschland als wichtige, d.h. die Agenda wesentlich bestimmende Spieler im Kreis der G20 auf.

Daher erklärt sich auch, warum sich ausgerechnet Bundesaußenminister Steinmeier (SPD) so umtriebig in Sachen Opel zeigt. Mit einer Rückbesinnung der SPD auf ihre Traditionen als Arbeiterpartei hat das nichts zu tun. Vielmehr damit, dass das Verhältnis zwischen dem deutschen und dem US-Imperialismus gerade neu abgesteckt wird. Grundlage des Opel-Spiels auf der Bühne der internationalen Politik: Der Opel-Mutterkonzern hat sich selbst, im Zuge der staatlichen Kreditvergabe der US-Regierung an die heimischen Autobauer, schon vor Monaten an den US-Staat verpfändet und ist folglich nicht mehr Herr im eigenen, weltweiten Haus. Monatelang wurde so getan, als würde es für die deutsche Politik „nur“ schwierig sein, die Patente an den in den deutschen Opelwerken hergestellten Autos aus dem amerikanischen GM-Konzern heraus zu lösen. Anfang April 2009 wird die Öffentlichkeit durch ein namentlich nirgendwo genanntes „Mitglieder der Bundesregierung“ nun also darüber informiert, dass auch Betriebsflächen, Gebäude, Computer, Roboter und Maschinen deutscher Opelwerke inzwischen dem amerikanischen Staat gehören. Opel, so das geheimnisvolle „Mitglied der Bundesregierung“, sei „nur eine Hülle“. Vor dem Hintergrund der aktuellen Neuverteilung der politischen Kräfteverhältnisse im sozialen Kräftefeld der internationalen Politik wird die Frage, ob und wie man Opel aus dem GM-Konzern herauslösen kann, zu einer Frage der aktuellen Machtrelationen zwischen den USA und Deutschland. Die Opelbelegschaften und die deutsche Öffentlichkeit sollten der Tatsache klar ins Auge sehen, dass das Schicksal der deutschen Opelstandorte nicht vorrangig vom God-Will deutscher PolitikerInnen, sondern vom vorläufigen Ausgang der Repositionierungskämpfe im Feld der internationalen Politik abhängt.

Wrackt den Überproduktionsmechanismus ab!

So schlecht sieht es für Opel dabei übrigens nicht aus. Denn wenn sich Opel bereits in der Hand des US-Staates befindet und eine Übergabe seiner Eigentumsrechte an den deutschen Staat erfolgen sollte, dann ist das aus marxistischer Perspektive durchaus eine – wenngleich auf paradoxem Weg zustande gekommene – Chance für die Umsetzung einer sinnvollen Umstrukturierung des Unternehmens. MarxistInnen unterstützen Staatseigentum an Produktionsmitteln unter allen Umständen, drängen jedoch gleichzeitig entschieden auf demokratische, unbürokratische und effiziente Strukturen innerhalb dieser Rechtsform. Wir MarxistInnen bezeichnen diesen Zustand – Staatseigentum mit demokratischen und unbürokratischen Verwaltungs- und Aufsichtsstrukturen – als „Arbeiterkontrolle“. Dass sich eine Chance dafür, ein solches Unternehmensmodell beim Opel einführen zu können, tatsächlich ergeben könnte ist so unwahrscheinlich nicht. Vielleicht wird es so enden, dass die US-Regierung angesichts eines vollständigen Zusammenbruchs des GM-Konzerns bei gleichzeitigem Bedürfnis des Staates nach Widererlangung moralischer Stärke dazu bereit ist, den „europäischen Partnern“ (wie es neuerdings wieder heißt) Patente, Gebäude, Anlagen etc. zu einem fairen Preis zu überlassen. Denkbar ist dieses Szenario durchaus.

Was würde als nächstes geschehen, wenn nicht starke Kräfte der Arbeiterbewegung auf die Beibehaltung der staatlichen Eigentumsform drängen sollten? Der deutsche Staat würde tatsächlich einen steuerfinanzierten Rettungsschirm aufspannen, um potenziellen privaten Investoren den riskanten Opel-Einstieg schmackhafter zu machen. Unterstellen wir hierbei im Sinne eines Gedankenexperiments, dass es sich bei diesen potenziellen Investoren um moralische geschäftliche Akteure handelt. Das heißt, sie haben z.B. nicht das Ziel durch ihren Einstieg in eine am Boden liegende Firma auf deren Geschäftsführung Einfluss zu nehmen, um einen danieder liegenden alten Konkurrenten weiter am Boden zu halten oder gar das Unternehmen zu „filetieren“. Gehen wir wohlwollend davon aus, dass diese Investoren dem gemeinsamen Motto von Horst Köhler und Gesine Schwan folgen und also an der moralischen Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft und an der Rückbesinnung auf ihre „kulturelle Kraft“ mitarbeiten wollen. Dinge, die man „nicht tut“ (siehe Redetext des Herrn Bundespräsidenten) tun die nicht.

Leider sind Kapitalismus und Moral nur schlecht miteinander in einen funktionierenden Einklang zu bringen. Auf begrenzten Spezialmärkten, wie etwa Fair-Trade-Produkten, mag das klappen. Auf Märkten mit viel Kapitaleinsatz und hoher Kapitalkonzentration kann das allerdings mittelfristig gar nicht funktionieren. Fakt ist, dass zu viele Autos produziert werden, die von der Masse der Weltbevölkerung, angesichts weiter anhaltender Einkommens- und Vermögensumverteilung von unten nach oben, nicht mehr nachgefragt werden. Sicherlich hoffen gewisse politökonomische Strategen, im Zuge des anlaufenden G-20-Kommunikationsprozesses deutschen Produkten neue Märkte z.B. in Brasilien, Russland, Indien, Südafrika oder China erschließen zu können. Doch die Mehrheit der Menschen in den Schwellenländern der G-20 ist arm und wird es mittelfristig auch bleiben. Eine solche Expansionsstrategie wird insgesamt nicht klappen. Um es klar und deutlich zu sagen: Auch wenn man innerhalb der Kategorien der herrschenden Verhältnisse denkt, kommt man sehr schnell an den Punkt, dass die Überproduktion im Automobilsektor abgebaut werden muss. „Moralisches Handeln“ von Opel-Investoren wäre im Hinblick auf dieses Ziel geradezu ökonomisch kontraproduktiv. Die nächste Überproduktionskrise würde so nur vorbereitet werden und in ein paar Jahren wären Opelaner, Politik und Gesellschaft mit einer neuen Schräglage des Unternehmens und anderer Autobauer beschäftigt.

Was (statt dessen) tun?

Der Überproduktions-Mechanismus muss weg. Opelaner, Staat und Gesellschaft haben eine Entscheidung zu treffen: Überlässt man die notwendigen Umstrukturierungen unkontrollierten privaten Investoren und sichert ihre Profiterwartungen mit steuerfinanzierten Staatsbürgschaften oder gar Direktsubventionen ab – oder lässt man die Techniker, Arbeiter, Ingenieure des Unternehmens – kurz die eigentlichen Experten für Produktentwicklung, Produktion und den Verkauf von Waren – ran? Eine dritte Möglichkeit gibt es natürlich noch: Man ersetzt das private Management durch eine staatliche Bürokratie. Wir MarxistInnen plädieren für eine solche Lösung definitiv nicht (und wir haben uns niemals für solche Lösungen „hüben wie drüben“ ausgesprochen). Wir sind vielmehr dafür, dass der deutsche Staat, sollte er vom amerikanischen Staat (was, wie gesagt, durchaus wahrscheinlich ist) Patent- und Eigentumsrechte an der Marke Opel erwerben, definitiv Eigentümer des neu zu gründenden Unternehmens bleibt. Unter diesem Schutz und Schirm durch den deutschen Staat können sich die Opelaner dann zusammensetzen und sinnvolle sowie vermarktbare Produktideen entwerfen. Selbstverständlich muss es gleichzeitig finanzielle Absicherungen des Staates für ein solches Projekt geben. Steuerfinanzierte Bürgschaften, günstige Kredite seitens staatlicher Banken und Subventionen zwecks z.B. Lohnzahlung in der Übergangszeit sind in diesem Fall notwendig. Sie fließen dann allerdings nicht in die Taschen unkontrollierter privater Anteilseigner, sondern ganz unmittelbar in Produktentwicklung, Herstellung und Vertrieb. In diesem Sinne stimmen wir MarxistInnen übrigens durchaus Vizekanzler Steinmeier zu: „Staatshilfe (für Opel, KF) kommt nur in Betracht, wenn die Produkte auf dem Markt eine Chance haben. Ich denke, die haben sie.“ (Interview „Ich bin kein Chorknabe“, in: FASZ vom 29.03.09, S. 5) Interessanterweise spricht Herr Steinmeier in den Passagen, in denen er über Opel redet, kein einziges Mal über Autos. Die deutsche Politik ist gut damit beraten in dieser Richtung weiterzudenken.

Ein solches Unternehmen beruht auf der kreativen Kraft seiner Mitarbeiter. Deswegen müssen auch seine Verwaltungs- und Kontrollstrukturen ihren Ausgang bei diesen Menschen, ihren Ideen, Bedürfnissen und Konflikten nehmen. In demokratischen Entscheidungsprozessen müssen Gremien gewählt werden, kraft derer die Kolleginnen und Kollegen über das Schicksal ihres Unternehmens und damit über ihr eigens Schicksal bestimmen. Gleichzeitig haben Staat und Gesellschaft ein berechtigtes Interesse daran, sicherzustellen, dass die steuerfinanzierten Bürgschaften, Anschubsubventionen und verbilligten Kredite seitens der Staatsbanken vernünftig verwendet werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass wichtige Überlegungen, die das Unternehmen weiterbringen können, systematisch von außen in die internen Entscheidungsprozesse hineingetragen werden. Aus diesen Gründen braucht es neben der betriebsinternen Kreativität und Demokratie gleichermaßen demokratisch legitimierte Gremien, die Staat und Gesellschaft mit den Kolleginnen und Kollegen bzw. ihren gewählten Einrichtungen systematisch in produktive Gespräche bringen und diese dauerhaft etablieren. Opel hat nur Zukunft als ein im doppelten Sinne des Wortes vergesellschaftetes Unternehmen: Es muss Produkte herstellen lernen, die einen tatsächlichen gesellschaftlichen Bedarf aufweisen (anstelle unsinnig überschüssig produzierter Mittelklasse-Autos) und exakt dafür müssen seine internen Verfahrensweisen und Entscheidungsprozesse eng mit Staat und Gesellschaft verzahnt sein. Vor diesem Hintergrund ist es übrigens unsinnig zu fordern, Opel in eine Kooperative zu verwandeln, wie es eine sozialistische Gruppierung auf der Frankfurter Antikrisendemo in einem Flugblatt schrieb. Aus marxistischer Perspektive ist vielmehr folgendes richtig: Opel muss als integriertes Unternehmen erhalten bleiben, nur muss es sich anders (intern und in seinen Außenrelationen) „integrieren“.

Diese Vorstellung ist durchaus keine schöne Idee ohne Chancen auf Verwirklichung. Das Vorhaben „Grüner Blitz“ (siehe Online- und Printausgabe der taz vom 5.4.09, dort Artikel: Opel arbeitet am ‚Grünem Blitz’. Wende in der Denke?) ist ein guter Anfang. Offensichtlich sind Opelaner bereits dabei die Fertigung von Produkten zu forcieren, die bisher im Konzern zwar als Ideen gereift aber nie verwirklicht worden sind: Öko-Kleinautos. Die Opelaner scheinen mit Überlegungen zur Zukunft des Unternehmens weiter zu sein als die Damen und Herren Politiker! Sicherlich hat Opel aber noch mehr produktives Potenzial, das jetzt entfaltet werden kann, wenn die stupide Management-Orientierung auf immer größere und in ihrer Herstellung immer energieintensivere Automobile nun beendet werden sollte. Dabei kämen dem neuen Unternehmen aktuelle Entwicklungen in der internationalen Politik entgegen. Anfang April 2009 beschlossen die G-20-Länder in London, künftig mehr Geld für die Entwicklung von Schwellen- und Entwicklungsländern bereitzustellen. Das ist ein gutes Stück weit durchaus ernst gemeint. Denn zum einen hat der Westen festgestellt, dass weniger Terror, Piraterie und Drogenhandel – kurz: unverschleierte Gewaltökonomien - nicht ohne ernsthafte Bemühungen um die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen in den betroffenen Regionen zu haben sind. Einfach nur den militärisch-polizeilichen Deckel drauf halten – so lassen sich diese Dinge nicht in den Griff kriegen. Doch Lösungen müssen her, denn diese Gewalt-Phänomene belasten westliche Staatshaushalte, den freien Welthandel und das Ansehen der westlichen Gesellschaften in der Welt inzwischen in großem Ausmaß. Langwierige Kriegs- und Polizeieinsätze in fernen Gestaden rechnen sich eventuell erheblich weniger, als wenn man Gelder gibt, um instabile Weltregionen wenigstens etwas mehr zu entwickeln. Zum anderen sehen die aufstrebenden Mittelmächte des Nordens in manchen Schwellenländern tatsächlich zukünftige Handelspartner in einer multipolar neu geordneten Welt. Für ein Unternehmen wie Opel mit seiner weltweiten Produktions- und Absatzstruktur ergeben sich hier enorme Möglichkeiten, das eigene High-Tech-Wissen im Sinne der Förderung nachhaltigen Wachstums auf technisch hohem Niveau fruchtbar werden zu lassen. Massenhaft Mittelklasse-Autos wird man z.B. in Brasilien demnächst nicht verkaufen können. „Wirtschaftswunder“ nach dem westdeutschen Muster der 1950er-Jahre wird es nicht geben. Aber man kann durchaus – hier und da - absolute in relative Armut verwandeln, die Lebensqualität der armen Menschen durch solche in Massenproduktion billig hergestellte und verkaufte technische Produkte heben und bei allem ökologisch verantwortbares Wachstum erzeugen. Exakt in diesem Sinne kann ein Unternehmen wie Opel mit seinem Know-How viel Gutes im Sinne einer sozial und ökologisch nachhaltigen industriellen Entwicklung von Landschaften und menschlichen Gemeinschaften in anderen Weltregionen tun. Geld ist vorhanden, denn gerade die Bundesrepublik Deutschland meint es tatsächlich ein Stück weit ernst mit der externen Förderung und Finanzierung von Wachstumspotenzialen außerhalb des eigenen Landes. Wenn sich Außenminister Steinmeier schon jetzt so intensiv um Opel kümmert und sogar in Rüsselsheim eine Rede gehalten hat – dann sollte sich doch an dieser Schnittstelle von außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und einer nachhaltigen Stärkung des Unternehmens Opel andererseits etwas tun lassen. Die staatliche Frankfurter/Eschborner „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) z.B. wird sicherlich tatkräftig dabei helfen können, solche für alle Seiten und die Umwelt sinnvolle technologische Entwicklungen jenseits der deutschen Grenzen auf den Weg zu bringen. Man muss es nur wollen, dann kann man es machen.

Ein solches Projekt hat nicht nur produktives Potenzial, ist auf nachhaltiges Wirtschaften hin angelegt und kommt den Steuerzahler billiger als jede andere Lösung. Es hat auch Signalcharakter. Etwa innerhalb des globalen GM-Konzerns. So existieren z.B. weltweite Personalvertretungsstrukturen, über die sich die Idee eines durch Arbeiter und Angestellte in enger Absprache mit Staat und Gesellschaft demokratisch geleiteten Unternehmens auch in die USA, nach Frankreich, Spanien, Großbritannien usw. vermitteln lässt. Und wenn so etwas bei Opel/GM möglich ist ... warum nicht auch in anderen, krisengeschüttelten Betrieben?

Wir bleiben dabei:

Opel hat Zukunft – in Arbeiterhand!

„Lasst die Opelaner ran!“

Für den Durchbruch der Vernunft!

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