Kategorie: Deutschland

Hartzer Käse stinkt zum Himmel - Vorsicht Lohndumping!

Es ist in aller Munde, aber kaum jemand kennt es. Von den Delegierten einer eilig einberufenen SPD-Bundeskonferenz Mitte August wurde es - damals als Hoffnungsanker und Strohhalm - gutgeheißen. Wetten, dass kaum ein Dutzend unter den Delegierten das Papier, über das sie da abgestimmt haben, ausreichend kannte?

Die Rede ist vom Hartz-Papier. Bei näherer Betrachtung zeigt sich: Was uns als Effektivierung der Arbeitsvermittlung und Bekämpfung der Massenerwerbslosigkeit dargestellt wird, läuft vor allem auf eines hinaus: auf Lohndumping! Der Kanzler und sein Superminister Clement wollen es "1:1" umsetzen.
Federführend und tonangebend in der Hartz-Kommission waren neben dem VW-Manager Hartz eine Reihe anderer Spitzenmanager der Wirtschaft: Norbert Bensel (bisher Vorstand DaimlerChrysler, jetzt Deutsche Bahn), Eggert Voscherau (BASF), Heinz Fischer (Deutsche Bank) und Jobst Fiedeler (Roland Berger). Die Mitarbeit der Gewerkschaftsvertreter Isolde Kunkel-Weber (ver.di) und Peter Gasse (IG Metall) darf nicht darüber hinwegtäuschen, wessen Interessen im Hartz-Papier verfolgt werden. Es geht den Bossen und ihren Vertretern im Bundeskabinett vor allem um eines: die Gewerkschaften sollen beim staatlich angeordneten Lohndumping mit ins Boot gezogen werden und für eine konstruktive Mitarbeit gewonnen werden.

Leiharbeit

"Herzstück des Abbaus der Arbeitslosigkeit ist eine neue Form der integrationsorientierten Zeitarbeitsgesellschaft, die PersonalServiceAgentur (PSA)". (O-Ton Hartz-Bericht).
Mit der Leiharbeit will die Bundesregierung bis zu 800.000 Arbeitslose wieder in Arbeit und Brot bringen.
Auch wenn die IG Metall fordert, die Ausweitung der Leiharbeit dürfe "nicht zu Lohn- und Gehaltsdrückerei führen": Leiharbeit ist Lohndumping. So zumindest stellt es Wilhelm Adamy vom DGB in der Frankfurter Rundschau (22.10.2002) fest.
Leiharbeit ist eine Wachstums- und Boombranche - was aber nur auf den Knochen der Lohnabhängigen möglich war. Das Wachstum der Leiharbeit ging Hand in Hand mit der Zerstörung bisheriger fester und tariflich besser gestellter Arbeitsplätze in den Betrieben. Branchen wie die Automobilindustrie haben schon jetzt über 30% Leiharbeiter in der Produktion beschäftigt.
Leiharbeiter(innen) verdienen in der Regel bis zu 40% weniger als die anderen Beschäftigten des Betriebes, an den sie ausgeliehen werden. Leiharbeit untergräbt branchenübliche Tarife, und Leiharbeiter kommen nicht in den Genuß von Sozialleistungen und tariflichen Ansprüchen. Sie arbeiten oft länger und klotzen mehr ran in der Hoffnung, eines Tages vielleicht gnädigerweise in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Nutznießer sind die Leiharbeitsfirma (sie zieht ihre Profite aus dem riesigen Lohngefälle) wie auch der Betrieb, der sich die Leiharbeiter einkauft. Denn Leiharbeiter tragen dazu bei, die "eigenen" Lohnabhängigen zu disziplinieren und bestehende Tarife auszuhöhlen. Auch wenn mit etlichen Leiharbeitsfirmen Tarifverträge bestehen, so liegt das Niveau diese Tarifverträge bei 65 bis 80% des branchenüblichen Tarifs. Dieser Zustand herrscht seit Jahren vor. Anhaltend hohe Massenarbeitslosigkeit wirkt disziplinierend.

"Sklavenarbeit" ist schlimm genug - doch "Hartz" macht es noch schlimmer

Nun werden PSA geschaffen, an denen auch private Leiharbeitsfirmen beteiligt sind. Die Bundesanstalt für Arbeit kann alle arbeitsfähigen Erwerbslosen sowie 900.000 arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger in die PSA einweisen. Wer sich weigert, erhält eine Sperre. Auch künftige neue Tarifverträge mit PSA werden deutlich unter den bisherigen Tarifen liegen.
In einer Probezeit bis zu 6 Monaten soll ein "Nettolohn" in Höhe des Arbeitslosengeldes gezahlt werden können. Danach soll die PSA "tariflich" zahlen. "Tariflich" bedeutet hier: Tarife in Höhe von 80% bzw. 70% des letzten Bruttolohns des Arbeitslosen. Durch die Bildung einer Tarifgemeinschaft der DGB-Gewerkschaften soll dieses Tarifdumping "tariflich" abgesegnet werden. Denn was auf keinen Fall gelten soll, ist der bisherige Tarif des Entleihbetriebes, der somit de facto immer mehr untergraben wird.
Bisher galten für die Leiharbeit gesetzliche Grenzen, die nun durch "Hartz" gestrichen werden sollen:

  • Noch ist es untersagt, einen Leiharbeiter zu feuern und ihn bei Bedarf innerhalb von drei Monaten wieder einzustellen. Diese Regelung soll nach "Hartz" ersatzlos gestrichen werden.
  • Die Begrenzung der Entleihdauer auf 24 Monate wird ersatzlos gestrichen. Somit soll ein Leiharbeiter lebenslänglich als Leiharbeiter in einem Betrieb beschäftigt werden können - ohne die üblichen Rechte und Ansprüche (etwa Kündigungsschutz oder Interessensausgleich und Sozialplan bei Massenentlassungen). Der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" bzw. "Ein Betrieb - ein Tarif" wäre damit endgültig begraben.

Die Arbeitslosigkeit durch Leiharbeit bekämpfen?

Weite Teile der SPD wie auch der Gewerkschaftsvorstände preisen Leiharbeit als Mittel zur Senkung der Massenarbeitslosigkeit. Sicher: die Zahl der durch Leiharbeit vermittelten Arbeitslosen ist gestiegen. Dabei zeigt ein genauerer Blick auf die Tatsachen: Leiharbeit ging in den letzten 10 Jahren einher mit einem Abbau von Stammbelegschaften und einer Steigerung der Arbeitslosigkeit. Jüngere wurden wieder eingestellt, dafür wurden viele Ältere aus den Stammbelegschaften verdrängt und "freigesetzt".
1991 gab es 29,4 Millionen Vollzeit-Arbeitsplätze und 100.000 Vollzeit-Leih-arbeiter(innen). 2000 gab es 25,7 Millionen Vollzeit-Arbeitsplätze und 340.000 Vollzeit-Leiharbeiter(innen). Im selben Zeitraum ist das gesamtgesellschaftliche Arbeitsvolumen von 60 Mrd. Stunden auf 57,35 Mrd. Stunden gefallen. Angesichts gestiegener Produktivität wird immer weniger Arbeitszeit benötigt, um immer mehr Produkte herzustellen.
Leiharbeit bedeutet Ausnutzung der Massenarbeitslosigkeit und Schwächung der Arbeitnehmerrechte. "De facto führt die verstärkte Einschaltung von PSA und anderen Zeitarbeitsfirmen zur Neutralisierung des Kündigungsschutzes" (O-Ton Hartz, S. 149).

Ausgemustert

Machen wir uns nichts vor: Massenarbeitslosigkeit wird eine Dauererscheinung bleiben, solange wir im real existierenden Kapitalismus leben. Wer nicht mithalten kann, wird ausgemustert - und soll bei möglichst geringen Kosten ein Dasein fristen - bis an das Ende seiner Tage. "Hartz" bekämpft nicht die Arbeitslosigkeit - sondern die Arbeitslosen:

  • "Hartz" fordert die Streichung des besonderen Kündigungsschutzes für Ältere.
  • Ältere Arbeitslose sollen sich in den Vorruhestand zurückziehen können ("Bridge-System") - aber nur für gut die Hälfte des Arbeitslosengeldes. Das spart eine Menge Geld an Arbeitslosenunterstützung, doch davon kann im Grunde niemand eigenständig leben.
  • Durch verschäfte Zumutbarkeitsregelungen wird der Druck auf Arbeitslose massiv verstärkt. Finanzielle Sanktionen werden erweitert. Wer sich nicht gleich am Tag der Kündigung meldet oder wer nicht umziehen will oder nicht unter Sklavenbedingungen in einer PSA arbeiten will, bekommt eine Sperre aufgebrummt. Die bisherige jährliche Anpassung des Arbeitslosengeldes an die Bruttolohnsteigerung entfällt. Dies ist eine reale Verschlechterung. Clements Vorschlag, das Arbeitslosengeld für Arbeitslose mit Kindern pauschal auf 60 Prozent abzusenken, zeigt, was sich der Kanzler da für einen "Superminister" geholt hat. Zwar wurde dieser Vorschlag unter Protest wieder zurückgezogen, doch die Absenkung der Bezüge für Arbeitslose bleibt bestehen.
  • Alles in allem führen die "intelligenten" Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung wegen angeblichen individuellen Fehlverhaltens der Arbeitslosen zum selben Ziel wie die plumpen pauschalen Kürzungen, die Clement und das Kapital vorschlagen.

Weitere Knackpunkte

"Hartz" hält noch mehr unangenehme Überraschungen bereit. Um nur drei davon zu nennen: So sind die angestrebten 500.000 "Ich-AGs", ein weiteres Kernstück bei "Hartz", im Endeffekt nichts anderes als staatliche Förderung der Scheinselbständigkeit und bewirken eine Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten vorwiegend in Klein- und Mittelbetrieben. Zusammen mit den Leiharbeitern der PSAs tragen sie zur Zerstörung bisheriger unbefristeter Arbeitsverhältnisse bei. Normalarbeitsverhältnisse gehören damit zunehmend der Vergangenheit an. Mit der Einführung von Ausbildungszeit-Wertpapieren nimmt "Hartz" die Verantwortung für eine funktionierende Berufsausbildung aus den Händen der Unternehmen. Stattdesssen sollen Familien für die Ausbildung ihrer Kinder ansparen und diese neue Form von "Lehrgeld" für die betriebliche bzw. außerbetriebliche Ausbildung bezahlen. Bildung ist dadurch nicht mehr Grundrecht und Aufgabe des Sozialstaats, sondern wird zu einer kostenpflichtigen und teuren Ware. Nichts zu lachen haben auch die Beschäftigten der Arbeitsämter. Auch hier fordert "Hartz" immer mehr befristete Arbeitsverhältnisse für Arbeitsvermittler und Entlohnung nach einem Bonus-System. Genervte Angestellte in mittelmäßig bezahlten befristeten Jobs werden somit auf der Jagd nach Prämien den Druck von oben künftig an die Arbeitslosen weitergeben.

Fazit

Nicht der Abbau der Arbeitslosigkeit durch Schaffung und Vermittlung annehmbarer und sicherer Arbeitsplätze, sondern die Erhöhung der Profite für das Kapital durch Subventionierung aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung ist der Kern von "Hartz". Die Arbeitslosen von heute, letztlich aber alle abhängig Beschäftigten zahlen drauf. Höhere Profite bedeuten aber nicht weniger Arbeitslose. 1991 machten die Kapitalgesellschaften 362 Mrd. DM Gewinn. Im Jahre 2000 waren es 572 Mrd. DM. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit im selben Zeitraum um 1,2 Millionen gestiegen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist nicht die Schuld der Arbeitslosen, der Regierung oder der Globalisierung. Das kapitalistische System verstrickt sich weltweit immer tiefer in Krisen. Während die gestiegene Produktivität dazu genutzt werden könnte, um Lebensstandard und Lebensqualität aller Menschen anzuheben, möchte uns das Kapital Einkommensverluste verordnen, um seine angegriffenen Profitraten zu sanieren. Wer nicht konsequent dagegen kämpft, sondern sich auf dieses "Spiel" einläßt und "konstruktiv" "mitgestaltet", der hat schon verloren.

Darum:

  • Keine Ausweitung der Leiharbeit über PersonalServiceAgenturen!
  • Der Tarif der Entleihbetriebe muß ab dem ersten Tag für alle Leih-arbeiter(innen) gelten. Ein Betrieb - ein Tarif! Besser noch: Gesetzliche Abschaffung der Leiharbeit!
  • Radikale Arbeitszeitverkürzung und Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle arbeitsfähigen Menschen im erwerbsfähigen Alter! 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich! Garantiertes Mindesteinkommen von 800 Euro netto plus Warmmiete!

Wir müssen schnell handeln!

"Hartz" ist noch nicht als Gesetz verabschiedet. Doch Clement drückt auf die Tube und will alles "über die Bühne bringen", bevor es den meisten Leuten überhaupt bewusst wird, was uns da blüht. Unterm Strich drohen uns die schärfsten Angriffe auf Arbeitnehmerrechte seit Jahrzehnten. Stammbelegschaften werden dann ausgetauscht und durch Sklavenarbeiter ersetzt. "Hartz" ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeitslosen, der (noch) Arbeitenden und der Gewerkschaften. Daher ist gewerkschaftlicher Widerstand jetzt das Gebot der Stunde. "Hartz" verhindern statt "mitgestalten" muss unsere Parole sein. Das Hartz-Paket muss insgesamt vom Tisch. Viele gewerkschaftliche Untergliederungen, Betriebsräte und Vertrauenskörper haben sich bereits in diesem Sinne geäußert. Doch das ist erst der Anfang. Die Zeit drängt. Wenn Papier nicht ausreicht, müssen wir in Betriebsversammlungen über die Folgen von "Hartz" aufklären und den Protest auf die Straße verlagern. Wir haben nicht Stoiber verhindert, um jetzt mit "Hartz" immer mehr Leiharbeit, Lohndumping und Sozialabbau aufgetischt zu bekommen.

Hans-Gerd Öfinger

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