We want Sex – Eine Filmkritik

Heute feiern wir zum 100. Mal den Internationalen Frauentag. Rechtzeitig dazu erschien in den Kinos der Film „We want Sex“ über den Streik der Näherinnen im Ford-Werk Dagenham für gleichen Lohn.
Der Film von Regisseur Nigel Cole spielt im Jahr 1968 im Londoner Vorort Dagenham, wo Zehntausende im größten Werk des US-Autokonzerns Ford arbeiten. Darunter sind auch 187 Arbeiterinnen, die in einer schäbigen Fabrikhalle Autositzbezüge nähen.


Die Luft ist stickig, bei Regen tropft es in die Halle, der Lärm ist ohrenbetäubend, aufgrund der unerträglichen Hitze arbeiten sie meist nur in Unterwäsche. Die Arbeit ist hart und anspruchsvoll, wird vom Management aber nur als „unqualifizierte Arbeit“ mit dementsprechend niedriger Entlohnung eingestuft. Die Antwort der Arbeiterinnen, die von einem älteren Betriebsrat in ihrem Anliegen unterstützt werden, lautet Überstundenboykott und ein 24-stündiger Streik. Die Arbeiterin und Mutter zweier Kinder Rita O’Grady wird von der Belegschaft zur Sprecherin gewählt. Der Streikbeschluss löst bei allen Beteiligten Enthusiasmus aus. Am Beispiel von Rita wird schnell klar, dass dieser Streik einen Wendepunkt in ihrem Leben darstellt.
Nun kommt aber der zuständige Gewerkschaftsfunktionär ins Spiel, der auf dem Verhandlungsweg einen Deal mit dem Management anstrebt. Bei einem netten Essen in einem guten Restaurant erklärt er Rita und ihrer Freundin Connie seine Vorgehensweise. Sie sollen einfach ruhig daneben sitzen und bei seinen Ausführungen zustimmend nicken. Doch Rita lässt sich nicht bevormunden und sprengt die Verhandlungsrunde. Der Arbeitskampf eskaliert. Und nun lautet das Ziel, die Frauenlöhne an die Löhne der männlichen Ford-Arbeiter anzugleichen.

Für Rita und ihre Kolleginnen beginnt nun eine turbulente Zeit. Ihr Mann Eddie hält Rita anfangs den Rücken frei, übernimmt die Kinder und macht, wenn auch etwas unbeholfen, den Haushalt. Doch je länger der Streik andauert, desto größer werden die Spannungen auch in den eigenen Familien. Die Arbeiterinnen haben zu Hause ihre Aufgaben zu erledigen. Ritas Kinder brauchen Aufmerksamkeit, Connies Mann ist schwer krank. Dazu kommt, dass das Geld knapp wird. Auf die Dauer machen Kohl und Kartoffeln aus Spenden nicht glücklich. Die Ratenzahlungen für Kühlschrank und andere Dinge wollen bezahlt werden.
Und die streikenden Arbeiterinnen stehen starken Gegnerinnen gegenüber. Das Ford-Management, die Gewerkschaftsbürokratie und anfangs auch die rote Staatssekretärin Barbara Castle, die ihre Aufgabe darin sieht, ein investitionsfreundliches Klima ohne Streiks zu schaffen. Das Management versucht bewusst die Arbeiterinnen einzuschüchtern und zu spalten, die Gewerkschaftsfunktionäre zu erpressen. Die Gewerkschaftsbürokratie fürchtet um ihre guten Beziehungen zu Ford und opfert dafür bereitwillig die Interessen der Arbeiterinnen.

Doch Rita und ihre Kolleginnen haben einen langen Atem. Sie touren durchs Land und rufen Arbeiterinnen in anderen Werken auf, sich ihnen anzuschließen im Kampf für gleiche Löhne. Der Streik legt letztlich das ganze Werk in Dagenham still. Damit wird aber auch ein kritischer Punkt erreicht. Die männlichen Arbeiter werden nach Hause geschickt. Damit steigt der ökonomische Druck auf die Familien der Region ins Unermessliche. In dieser Situation bekommen die streikenden Frauen den Unmut der Arbeiter voll zu spüren. Ritas Beziehung droht nun ebenfalls zu zerbrechen.
Doch die Näherinnen führen den Kampf entschlossen weiter. Es ist schlicht und ergreifend die Einsicht in die Notwendigkeit, in die Richtigkeit der eigenen Ideen, die ihnen die Kraft gibt durchzuhalten. Es ist diese Entschlossenheit und Kampfbereitschaft, die dazu führt, dass die Mehrheit auf dem Gewerkschaftskongress nach einer Brandrede von Rita den Streik gegen den Wunsch der Bürokratie doch unterstützt. Dass der Kampf jedoch in keiner Phase von den männlichen Arbeitern aktiv, durch eine Ausweitung der Arbeitsniederlungen unterstützt wurde, zeigt das mangelnde Bewusstsein, dass die gesamte Gewerkschaftsbewegung für gleiche Löhne kämpfen sollte.
Letztlich stellt sich sogar die Staatssekretärin unter dem Eindruck dieses entschlossen geführten Kampfes auf ihre Seite stellt, obwohl sie kurz zuvor von einem US-amerikanischen Ford-Manager unverhohlen erpresst wurde. Es gehört sicher zu den Stärken des Films das Beziehungsgeflecht zwischen ArbeiterInnenklasse – Betriebsräten - Gewerkschaftsbürokratie und Labour Party darzustellen.
Ein Nebenstrang der Handlung ist Ritas Bekanntschaft mit der 31jährigen Lisa, der Frau eines lokalen Ford-Managers. Sie steht stellvertretend für eine Generation von Frauen aus bürgerlichem Hause, die zwar eine höhere Bildung genossen haben, dann aber als Ehefrauen und Mütter im goldenen Käfig der bürgerlichen Kleinfamilie ihr Dasein fristeten. Rita und Lisa lernen sich kennen, weil sie beide bei einem Lehrer vorsprechen, der ihre Söhne verprügelt. Lisa ist beeindruckt von der Kampfkraft der Näherinnen, die durch ihre Proteste eine breite Medienöffentlichkeit erreicht haben. In einer Szene, als Rita knapp davor ist aufzugeben, ermuntert Lisa sie zum Durchhalten. Der Film, der den Anspruch hat, eine wahre Begebenheit zu erzählen, musste sich von ZeitzeugInnen die Kritik gefallen lassen, dass diese Elemente der Geschichte wohl kaum in der Realität so passiert sind. Was aber durch diese Passagen sehr gut vermittelt wird, ist die mögliche Beziehung zwischen proletarischen Frauen und einem Teil der Frauen der bürgerlichen Klasse, die sich Ende der 1960er Jahre ebenfalls gegen Frauenunterdrückung aufzulehnen begannen. Sobald die proletarischen Frauen für Gleichberechtigung zu kämpfen beginnen, werden sie auch zu einem Anknüpfungspunkt für die fortschrittlichsten Teile der bürgerlichen Frauenbewegung. Es ist aber nicht die weibliche Solidarität, die Rita und ihren Kolleginnen zum Sieg verhilft, sondern einzig und allein ihre Entschlossenheit zu kämpfen, die es ihnen auch letztlich ermöglicht die Unterstützung der (männlich dominierten) Gewerkschaft zu erhalten.

Dieser Streik der Näherinnen bei Ford hat einen Funken gezündet. In England sollte es in den folgenden Jahren zu einer Reihe von ähnlichen Arbeitskämpfen kommen. Bei Ford-Dagenham wurden die Frauenlöhne als direktes Ergebnis des Streiks auf 92% der Männerlöhne angehoben. 1970 wurde der Equal Pay Act von der Labour Regierung verabschiedet. Dass der Film in seinem Abspann ein Bild zeichnet, wonach das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ dadurch hergestellt sei und der Ford-Konzern seither ein „guter Arbeitgeber“ sei, ist aber leider eine unnötige Beschönigung der tatsächlichen Situation.

„We want Sex“ ist kein großes Kino, steht aber in der besten Tradition britischer Komödien mit sozialkritischem Hintergrund. Allein die Tatsache, dass Fabrikarbeiterinnen im Mittelpunkt des Geschehens stehen, und nicht Ärztinnen oder Juristinnen, ist in Zeiten wie diesen schon ein Wert an sich. Wer ein Verständnis für das Spannungsfeld bekommen will, in dem proletarische Frauen leben und arbeiten und für Gleichberechtigung und Emanzipation kämpfen, der muss diesen Film gesehen haben.

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