Kategorie: 1918

Kapp-Putsch 1920 - Generalstreik gegen Militärputsch mündet in bewaffneten Arbeiteraufstand

Im März 1920 löste eine Verschwörung reaktionärer Offiziere zur Errichtung einer Militärdiktatur in Deutschland einen Generalstreik aus. Innerhalb weniger Tage brach das Militärregime kläglich zusammen. Dieser Generalstreik stellt die größte und breiteste Solidaritätsaktion in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung dar.


Was sich damals in Deutschland abgespielt hat, lässt sich nur verstehen im Zusammenhang mit jenen Kämpfen, Krisen und Revolutionen geschüttelten Jahren, die mit der Russischen Revolution 1917 und der Deutschen Revolution 1918 anfingen und für Deutschland mit dem Sieg des Faschismus endeten.

Novemberrevolution

In der Novemberrevolution 1918 hatten die Arbeiter und kriegsmüden Soldaten Arbeiter- und Soldatenräte gegründet und damit begonnen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Aus Angst vor der Revolution hatten die Unternehmer weitgehende Zugeständnisse gemacht: bürgerliche Freiheiten, 8-Stunden-Tag, Erwerbslosenfürsorge, Frauenwahlrecht, soziale Absicherung, um nur einige zu nennen. Hinter den Kulissen verbündeten sich die rechten SPD-Führer (Noske, Ebert, Scheidemann) mit der Reaktion. Unter der Führung von Noske wurden "Freikorps" (Freiwilligen-Truppen aus reaktionären Kräften der versprengten Armee) gebildet mit dem Ziel, die Räte zu zerschlagen und die Herrschaft des Kapitals zu sichern. Aber trotz vieler Listen und Tücken gelang dies nicht ohne weiteres. Das ganze Jahr 1919 ziehen die „Freikorps“ mordend durch das Reich, zerschlagen die Ansätze zur Arbeitermacht, bauen die Errungenschaften der Revolution wieder ab. Die Arbeiter leisten erbitterten Widerstand und reagieren mit neuen Streiks und Generalstreiks in einer Reihe von Industriezweigen.

Ausnahmezustand

Anfang 1920 spitzte sich die Lage zu. Es herrschte Belagerungszustand im ganzen Reich, im Ruhrgebiet verschärfter Ausnahmezustand. Wegen der Militanz der Arbeiterschaft im Ruhrgebiet erfuhren diese eine "Spezialbehandlung": sie wurden durch die Truppen General Watters regelrecht eingeschlossen; jeder Streik, jedes Aufbegehren sofort durch eine Strafexpedition seiner Truppen brutal niedergewalzt. Als Regierungsvertreter wurde 1919 Reichskanzler Severing (SPD) ins Ruhrgebiet entsandt, der Watter bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung hilfreich zur Seite stand.

Die Ernährungslage wurde immer katastrophaler, der Lebensstandard sank stark. Bei einer Demonstration vor dem Reichstag gegen das geplante Betriebsrätegesetz (aus den Arbeiterräten sollten Betriebsräte mit begrenzten innerbetrieblichen Mitspracherechten werden) schoss die Polizei in die Menge: 42 Tote. Zwei Monate vor dem Putsch schrieb Stinnes (Kohle- und Stahlmagnat im Ruhrgebiet) in einem Brief an führende Regierungsmitglieder, dass die Zeit gekommen sei, die parlamentarische Demokratie in Deutschland abzuschaffen, dass es „das Merkmal einer Demokratie sei, dass die in Zeiten von Todesgefahr ihren Diktator findet“. Gleichzeitig stellte er Kapp, einem der beiden Anführer der Verschwörung, 1,5 Millionen Reichsmark zur Verfügung, die über die Mitteldeutsche Kreditbank in Königsberg in monatlichen Raten von 125.000 Mark ausgezahlt wurden. Nur 15 Monate nach der Novemberevolution fühlte sich die Reaktion bereits wieder stark genug für einen Gegenschlag. Es war ein offenes Geheimnis, dass ein Militärputsch bevorstand. Was nur noch fehlte, war der Auslöser....

Offene Kampfansage

Am 1. März 1920 ordnete die sozialdemokratisch geführte Reichsregierung (in Erfüllung des Versailler Vertrages) die Auflösung von zwei der berüchtigtsten Freikorps-Brigaden an. Einer der betroffenen Söldner aus der Marinebrigade unter Kapitän Erhardt schrieb: „Dieser Noske - wir haben für ihn alles getan. Bei der Parade in Wünsdorf hat er uns in die Augen geblickt und erklärt: 'Ihr seid meine verlässlichsten Leute, ihr seid gekommen, um mir in meiner schwierigsten Stunde zu helfen, ihr habt in unserem geliebten Vaterland die Ordnung wiederhergestellt. Ich werde Euch das nie vergessen und auch immer für Euch da sein.' Und dann wollte er unser Korps auflösen und uns auf die Straße werfen!“ Allerspätestens am 10. März wussten Ebert und Noske von der Verschwörung. An diesem Tage hatte sie General von Lüttwitz (von der obersten Heeresleitung) besucht und eine offene Kampfansage gemacht: er werde sich der Auflösung der Brigade Erhardt entschieden widersetzen. Noske gab daraufhin den Befehl, Kapp und einige seiner Freunde zu verhaften. Aber als die Kriminalbeamten auftauchten, fanden sie nur leere Büros vor. Die Verschwörer waren rechtzeitig von einem Polizisten vorgewarnt worden. Am Abend des 12. März befahl General von Lüttwitz der Marinebrigade, auf die Hauptstadt zu marschieren. Mit Hakenkreuzen auf ihren Stahlhelmen rückten sie in den frühen Morgenstunden des 13. März in Berlin ein, während sich Kapp und seine monarchistischen Anhänger zu den neuen Herrschern Deutschlands erklärten. Die alte Reichsflagge wurde auf den öffentlichen Gebäuden gehisst. Kapp ernannte General von Lüttwitz zu seinem Oberbefehlshaber, Streiks wurden als „Verrat am Volk“ und „Sabotage“ verboten.

Herrschende Klasse gespalten

Die Führer dieser Verschwörung waren General von Lüttwitz (Oberste Heeresleitung) und Dr. Wolfgang Kapp (Generallandschaftsdirektor in Ostpreussen), der 1916 die fanatische nationalistische Vaterlandspartei gegründet hatte. Dahinter steckten natürlich Großgrundbesitz und Kapital: Vögler und Stinnes (beide Stahlbarone des Ruhrgebiets), Borsig (ein künftiger Nazi-Anhänger) und Kirdorf (ebenfalls Ruhrkohlemagnat und späterer Nazi-Gönner). Grundsätzlich hat sich jedoch nur ein Teil der Bourgeoisie aktiv an dem Putsch beteiligt und ihn unterstützt. Vor allem die ostelbischen Junker und Großgrundbesitzer, der ehemalige Landadel - also die reaktionärsten Teile der herrschenden Klasse - wollten die alten Verhältnisse wiederherstellen. Hinzu kamen die Ruhrgebiets-Kapitalisten, die jetzt die Stunde der Generalabrechnung mit der kämpferischen Arbeiterschaft des Ruhrgebiets gekommen sahen.

Der größte Teil des Industrie- und Finanzkapitals war jedoch weitsichtig genug, um von Anfang an den abenteuerlichen Charakter des Unternehmens zu erkennen und hielt sich im Hintergrund. Auch die Reichswehr teilte sich in zwei Lager: aktiv unterstützt wurde der Putsch von den Truppen östlich der Elbe (Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Mecklenburg), in Bayern und im Ruhrgebiet. Entscheidende Teile der Reichswehr, so auch die Oberste Heeresleitung, verhielten sich jedoch „neutral“, dachten allerdings auch nicht daran, die „rechtmäßige“ Regierung zu verteidigen, die erst nach Dresden und später nach Stuttgart floh. Die SPD, die immer die Reichswehr gehätschelt hatte, erhielt jetzt eine drastische Lektion in Sachen „Verlässlichkeit“ und „Verfassungstreue“ der Armee. Diese rührte keinen Finger, um z.B. ihren bisherigen Freund und Förderer Noske zu verteidigen, sondern sah stattdessen mit wohlwollender Neutralität dem Kapp-Putsch zu.

Vier Tage Kapp-Regime

Am 13. März fahren in Berlin ab 17.00 Uhr weder Straßenbahnen noch Züge, gibt es weder Gas, Wasser noch Strom. Wenig später kommt es zur bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Arbeitern und Soldaten. Die Arbeiter sind bereits zu einem Zeitpunkt in Bewegung, als sie noch gar keinen Aufruf zum nationalen Generalstreik erreicht hat. In Chemnitz wird unter Anleitung des späteren KPD-Führers Brandler ein Aktionskomitee aus Gewerkschaften und den Vertretern der drei Arbeiterparteien KPD, USPD und SPD gegründet, sowie auch eine Arbeiterwehr, die in Abwesenheit der Truppen die Führung in der Stadt übernimmt und Bahnhof, Post und Rathaus besetzt. In Heimfeld bei Hamburg sperren die Mannschaften des 9. Regiments ihre Offiziere ein und verteilen Waffen an die Demonstranten. Ein Freikorps aus ehemaligen Baltikum-Kämpfern unter Hauptmann Berthold wird in einer Schule eingeschlossen. Die meuternden Soldaten und die Arbeitermilizen, unterstützt von mehreren tausend bewaffneten Demonstranten, greifen das Gebäude an und überwältigen die Freikorps-Truppen. In Berlin meutern die Soldaten des Pionierregiments und setzen ihre Offiziere fest. Jetzt lehnt auch die Sicherheitspolizei (SiPo) von Berlin ein weiteres Zusammengehen mit den Putschisten ab und fordert einen sofortigen Rücktritt Kapps, weil sie die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens erkennt.

Generalstreiksgegner führen Generalstreik an!

Die Herrschaft des Kapp-Regimes wird durch den größten Massenstreik in der (sogar internationalen) Geschichte des Kapitalismus zerrüttet. Auf dem Höhepunkt sind 12 Millionen Menschen im Streik. Alle Räder stehen still, als die gesamte Arbeiterklasse sich weigert, auch nur einen Finger für das verhasste Regime zu rühren. In Berlin missachten sogar hohe Beamte einfach die Anweisung der neuen Minister – „verlieren“ Geldschrankschlüssel oder Gummistempel für amtliche Bekanntmachungen. Kapp kann nicht einmal jemanden finden, um die Plakate mit seinen Regierungserklärungen anzubringen!

Die Stimmung in der Arbeiterschaft war derart radikal, dass selbst der rechte Gewerkschaftsbürokrat und ADGB-Vorsitzende Carl Legien persönlich dazu beitrug, dass der Generalstreik ausgerufen wurde. Noch in den großen Massenstreikdebatten in der SPD von 1905/06 und 1910/11 hatte er sich gegen den politischen Massenstreik ausgesprochen. Er verfocht eine rechte, partnerschaftliche Linie und plädierte für die Unabhängigkeit der Gewerkschaften von der SPD (was den angeblich unpolitischen „Nur-Gewerkschafter“ allerdings nicht daran hinderte, 1916 den Ausschluss von Karl Liebknecht und anderen Linken aus der SPD zu fordern). Jetzt musste derselbe Legien als Vorsitzender des zentralen Streikausschusses zusammen mit unabhängigen Sozialisten und Kommunisten einen Generalstreik führen. Vorangetrieben durch die Wucht der Streikwelle befand sich der ADGB zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in der Situation, wo seine Forderungen ihn links von der SPD stellten. Er gab ein ziemlich radikales Neun-Punkte-Programm heraus – eine politische Notwendigkeit, wollte die ADGB-Führung nicht jeglichen politischen Einfluss auf die radikalisierten Arbeiter verlieren.

Arbeiterregierung wird nicht gebildet

Ziemlich verwässert wurden diese Forderungen am 19. März von der Regierung angenommen - Anlass für den ADGB, den Streik wieder abzublasen. Aber man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Von heute auf morgen ließen sich die Arbeiter nicht wieder in die Betriebe schicken als wäre nichts geschehen. Misstrauen war durchaus am Platz: denn tatsächlich erfüllt wurden lediglich einige zweitrangige Forderungen, aber keine, die die Macht der Kapitalisten angetastet hätten. So musste z.B. Noske seinen Hut nehmen, was zwar das Ende seiner politischen Karriere bedeutete, aber keineswegs das Ende seiner Politik in der SPD-Führung. Die Truppen wurden aus Berlin entfernt und man versprach, keine offensiven Maßnahmen gegen die bewaffneten Arbeiter, besonders im Ruhrgebiet, zu treffen. Auch dieses Versprechen war angesichts der weiteren Ereignisse glatter Zynismus. Zwei Tage zuvor war die Bildung einer Arbeiterregierung gescheitert, zu der Legien die USPD aufgefordert hatte. Allein die Tatsache, dass Legien sein Angebot an die USPD richtete, zeigt schon, für wie radikalisiert er die Arbeiterklasse hielt. Doch die USPD weigerte sich, zusammen mit den „Arbeitermördern“ des ADGB eine Regierung zu bilden, wenn dieser sich nicht ganz klar von seiner bisherigen Politik distanziere und zur Diktatur des Proletariats bekenne. Der linke Flügel der USPD drohte sogar mit Spaltung, falls sich die Partei sich auf das Angebot Legiens einlasse. Dieses Verhalten kennzeichnet die z.T. äußerst sektiererische und unentschlossene Haltung der USPD, die der ADGB-Führung offensichtlich mehr Durchschlagskraft zutraute als den Arbeitermassen, die hinter einem sozialistischen Programm einer solchen Regierung gestanden hätten.

Kapp flieht nach Schweden

In den letzten beiden Tagen seiner kurzlebigen Herrschaft wenden sich selbst die Kapitalisten von Kapp ab. So weigerte sich der Reichsbankdirektor, 10 Millionen Reichsmark an die Regierung Kapp auszuzahlen. Und als Kapp am 16. März befiehlt, ab 16.00 Uhr auf alle Anführer und Streikposten zu erschießen, forderte selbst Borsig ihn persönlich dazu auf, auf Gewalt zu verzichten, da die Einigkeit der Arbeiterklasse zu stark sei. Die Bourgeoisie erkannte in dieser Situation die Gefahr eines Bürgerkrieges, bei dem sie alles verloren hätte. Da angesichts der Überlegenheit einer entschlossenen und kampfbereiten Arbeiterfront die Unterstützung von entscheidenden Teilen des Großkapitals und führender Militärs ausgeblieben ist, sieht schließlich auch Kapp die Hoffnungslosigkeit seines Unternehmens ein - und begibt sich am Vormittag des 17. März auf die Flucht nach Schweden. Mit der Evakuierung der Brigade Erhardt aus Berlin am selben Tag war die Macht der Arbeiterklasse für alle Welt deutlich. Niemals zuvor und niemals nachher war die Solidarität unter den Werktätigen in Deutschland so groß wie während der Tage des Kapp-Putsches. Und niemals zuvor und niemals später gab es eine gleich günstige Gelegenheit, sich von den Kräften der Reaktion für immer zu befreien und das Fundament für eine sozialistische Demokratie zu legen.

Ultralinke Politik der KPD

Die KPD war - in Abwesenheit von Paul Levi, der im Gefängnis saß - zu diesem Zeitpunkt wieder unter dem Einfluss der ultralinken Kräfte in der Partei. Am 13. März gab die KPD-Zentrale einen Aufruf heraus, der sich gegen den Generalstreik wandte: „Sollen sich die Arbeiter in diesem Augenblick zum Generalstreik erheben? Die Arbeiterklasse, die gestern noch in Banden geschlagen war von den Ebert-Noske, waffenlos, unter schärfstem Unternehmerdruck, ist in diesem Augenblick nicht aktionsfähig. Wir halten es für unsere Plicht, das klar auszusprechen. Die Arbeiterklasse wird den Kampf gegen die Militärdiktatur aufnehmen in dem Augenblick und mit den Mitteln, die ihr günstig erscheinen. Dieser Augenblick ist noch nicht da. Er ist erst da, wenn das Gesicht der Militärdiktatur sich enthüllt haben wird.“

Am folgenden Tag erwies sich diese Perspektive als vollkommen falsch, als das Ausmaß des gewaltigen Generalstreiks offensichtlich wurde. Die KPD musste sich dann der Bewegung anschließen, sonst hätte sie sich endgültig zu einer kleinen Sekte abgestempelt. Auch hier wieder die ultralinke und sektiererische Haltung, wie sie auch bei der USPD zum Vorschein kam, die den anderen Strömungen in der Arbeiterbewegung das eigene Programm ultimativ vorsetzen will und erst dann zu gemeinsamen Aktionen bereit ist. Die Mehrheit der KPD-Basis war allerdings von Anfang an dabei – wahrscheinlich, weil sie wirklichkeitsnäher dachte als die KPD-Zentrale. Die Politik der KPD im ganzen Reich war dadurch sehr uneinheitlich. In vielen Orten arbeiteten Kommunisten mit Unabhängigen und Sozialdemokraten zusammen, verfassten gemeinsame Aufrufe und bildeten gemeinsame Aktionskomitees - in anderen Orten, wie z.B. in Hamburg lehnte die KPD jede gemeinsame Aktion mit den 'Sozialverrätern' ab. Im Erzgebirge/Vogtland wiederum gründete der dortige KPD-Führer Max Hoelz bewaffnete Formationen jugendlicher Arbeitsloser, die sowohl Polizisten angriffen, als auch Läden und Fabriken ausraubten und Banken überfielen. Hoelz strebte eine „Aktivierung“ der Arbeiter an, indem er Massenaktionen durch Kommandoüberfälle ersetzte. In Berlin hatte sich die ADGB-Führung an die Spitze des Generalstreiks gestellt, um nicht die Kontrolle über die Bewegung zu verlieren und ihn baldmöglichst wieder abblasen zu können. So kommt es in der Reichshauptstadt nicht zu größeren Kämpfen. Im Ruhrgebiet hatten sich die Gewerkschaften schon von Anfang an durch Abwarteappelle ausmanövriert.

Arbeiter an die Macht

Doch nicht nur im Ruhrgebiet dauern die Kämpfe an: In Leipzig, Frankfurt, Halle und Kiel kommt es zu weiteren bewaffneten Auseinandersetzungen. Die Matrosen in Wilhelmshaven meutern, verhaften den Admiral von Leventzow und 400 Offiziere. Das Chemnitzer Aktionskomitee ruft die Arbeiter auf, sich an den Arbeiterratswahlen zu beteiligen. Einige Stunden später haben 75.000 Arbeiter an den Arbeiterrat auf der Grundlage der Verhältniswahl gewählt: 10 Kommunisten, 9 Sozialdemokraten, einen Unabhängigen und einen Demokraten. Heinrich Brandler, der später Führer der KPD werden sollte, ist einer der drei Präsidenten des revolutionären Organs, dessen Macht und Prestige sich auf das ganze umliegende Industriegebiet ausdehnt, wo die reaktionären Kräfte entwaffnet und neutralisiert und die Arbeiter bewaffnet werden. In Ablehnung der Arbeitereinheitsfront sagte der Aufruf der KPD weiter: „Wenn in dieser 'Stunde der Gefahr' die blutbedeckten Verräter des Sozialismus oder mattherzige Schwachköpfe die Arbeiter zu 'Sammlung' aufrufen, so antworten wir ihnen: es gibt nur eine Sammlung, die keine Lüge ist, die Sammlung um das rote Banner des Kommunismus.“ (Es gibt in der Politik der KPD Ansätze zur späteren Taktik der Arbeitereinheitsfront, mittels derer es der KPD im Jahre 1923 gelang, die Mehrheit der Arbeiter für sich zu gewinnen. Dass die KPD 1923 ihre Chance wieder verspielte, kann hier leider nicht weiter erörtert werden.)

Die reaktionären Verschwörer hatten gedacht, sie könnten sich durch einen Truppenmarsch in Berlin zu den Herrschern über ganz Deutschland aufschwingen. Die Arbeiter im rheinisch-westfälischen Industriegebiet brachten ihnen jedoch sehr bald bei, dass sie sich gründlich verschätzt hatten. Deutschland befand sich weitgehend unter der Kontrolle von Vollzugsräten oder Aktionskomitees, die von den Arbeiterparteien und Gewerkschaften gebildet wurden, und die den Kampf gegen die Putschisten geführt hatten. Faktisch waren die Arbeiter einige Tage lang an der Macht. Die verschiedenen Arbeiterorganisationen - Arbeiterräte, Vollzugsräte, Aktionskomitees, Streikkomitees, die Arbeitermilizen - spielten die Rolle von revolutionären Machtorganen und stellten in der Praxis die Frage nach der Macht und der Regierung auf die Tagesordnung. Aber die Chance ging ungenutzt vorüber.

SPD unterschreibt „Diktatur des Proletariats“

Am 15. März rufen die drei Arbeiterparteien (KPD, USPD, SPD) im Bezirk Niederrhein zum Generalstreik auf mit den Zielen:

1. Diktatur des Proletariats

2. Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweige

Der Generalstreik nimmt die Form eines bewaffneten Aufstands an. Die Stimmung unter den Arbeitern war durch Erschießungen und andere Provokationen durch die Reichswehrsoldaten am Siedepunkt angelangt. Als der militärische Oberbefehlshaber für das Ruhrgebiet, General Watter, die militärische Besetzung der USPD-Hochburg Hagen und Umgebung anordnet, wird die Lawine des bewaffneten Kampfes ins Rollen gebracht. In Wetter/Ruhr greifen die Arbeiter mit wenigen Gewehren das im östlichen Ruhrgebiet Freikorps Lichtschlag an, eine von Hauptmann Otto Lichtschlag angeführte reaktionäre Truppeneinheit mit etwa 2500 Mann. Die Arbeiter bringen der Reichswehr eine verheerende Niederlage bei. Es folgen wenig später weitere Siege im Raum Hagen. Die bewaffneten Arbeiter beginnen mit dem planmäßigen Aufbau ihrer eigenen militärischen Einheiten. Am 17. März werden die Lichtschlag-Truppen aus Dortmund vertrieben. Im Rathaus regiert nun ein Aktionsausschuss aus KPD, USPD und Syndikalisten.

Bewaffnete Kämpfe an der Ruhr

Die Eroberung Dortmunds feuert die Kampfbereitschaft der Arbeiter in den andren Städten weiter an und untergräbt die Moral der Reichswehrtruppen. Innerhalb weniger Tage ziehen diese sich fluchtartig aus dem Revier zurück und lassen den Arbeitern Kriegsmaterialien aller Art zurück. In Remscheid stoßen nun zum dort stationierten Freikorps Lützow zahlreiche flüchtende Soldaten. Am 18. März beginnt die Entscheidungsschlacht um die Stadt. Arbeiter aus dem Bereich zwischen Hagen und Wuppertal kommen den Remscheidern zu Hilfe. Am Tag darauf werden die Lützower entscheidend geschlagen. Ihre Resttruppen fliehen Hals über Kopf auf Solinger Gebiet, wo sie von britischen Besatzungstruppen entwaffnet und aufgenommen werden. Ebenfalls am 19. März erobern die Arbeiter in verlustreichen Kämpfen die Ruhrmetropole in Essen. Das militärische Oberkommando in Münster ordnet den Rückzug der restlichen Truppen aus dem Industrierevier an. Am 20. und 21. März kommt es nochmals in Hamborn-Marxloh, Walsum und Dinslaken (nördlich von Duisburg) zu schweren Kämpfen mit den sich nach Wesel zurückziehenden Soldaten. Das Ruhrgebiet ist von Reichswehrtruppen befreit. Trotz technischer Überlegenheit der Reichswehrtruppen haben die Arbeiter gesiegt. Selbst Reichswehrsoldaten laufen zu den Arbeitern über. Die Arbeiter haben gezeigt, dass sie auch bis zu letzten bereit sind, um ihre Errungenschaften zu verteidigen.

Die „Rote Ruhrarmee“

Die „Rote Ruhrarmee“ umfasst auf ihrem Höhepunkt 50.000 bis 60.000 Mann. Ihre Einheiten werden freiwillig auf der Basis von Fabrikgemeinschaften, Parteidistrikten, kleinen Ortschaften, Wohnbezirken und Junggesellenwohnheimen gebildet. Ihr Sieg über die Reaktion und die Herrschaft der Vollzugsräte sind erste Ansätze zum Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung. Doch weil es aus dem Stegreif heraus nicht gelingt, alle Kräfte zu koordinieren und unter einer einheitlichen Führung zu zentralisieren, wurden in den einzelnen Städten und Truppenabschnitten unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet. Reaktionäre Bürgermeister werden abgesetzt, politische Gefangene aus der Novemberrevolution befreit. Die Rationierung von Wohnraum wird eingeleitet und der Wohnraum der Reichen an die Obdachlosen verteilt. Arbeiterräte kontrollieren bürgerliche Lokalblätter und veröffentlichen ihre Bekanntmachungen der örtlichen Vollzugsausschüsse. Unternehmer gestehen unter dem Druck der Arbeitermacht Lohnzahlung für die Streiktage und Arbeitszeitverkürzungen zu. In einigen Städten wird der Alkoholausschank verboten, damit nicht nach langen Jahren der Entbehrung ein allgemeiner Freudenrausch die Kampfkraft lähmt! Doch gegenüber der bürgerlichen Justiz und Beamtenschaft bleiben viele örtliche Vollzugsräte untätig. Das Fehlen einer allgemeinen Leitung rächt sich schon in der Frage der Lebensmittelbeschaffung. Die Reichsregierung lässt Lebensmittelzüge beschlagnahmen, um die Arbeiter auszuhungern. Die rasch ausbrechende Knappheit führt dazu, dass sich die Vollzugsräte der Städte gegenseitig um einzelne Waggons zanken. Und obwohl jeder einzelne Aktivist voll und nach beim besten Gewissen mitkämpft, wird selten bzw. nur im Ansatz versucht, allen Kollegen eine politische Erklärung der Lage zu liefern und ihnen die Wahrheit zu sagen. Zehn Tage nach dem Ausbruch des Kapp-Putsches ist in Deutschland nur noch das Ruhrgebiet in Arbeiterhand. Wieder verbündet sich die rechte SPD-Führung mit der Reichswehr, um die Erhebung an der Ruhr niederzuschlagen. Doch Voraussetzung dafür ist, die politische und militärische Front der Arbeiter völlig zu zerschlagen. Für den 23. März beruft der Sonderbeauftragte der Ebert-Regierung, Carl Severing, eine Konferenz von Regierung, Parteien, Gewerkschaften, Vollzugsräten und Behörden nach Bielefeld ein.

Bielefelder Abkommen“: Der Verrat

Im Bielefelder Abkommen macht die Regierung den Arbeitern zahlreiche leere Versprechungen: Entwaffnung aller am Putsch Schuldigen, demokratische Verwaltungsreform, Sozialreformen, Inangriffnahme von Sozialisierungen. Dafür sichert sie sich die Unterschrift von Arbeiterführern aus dem östlichen Kampfgebiet von Hagen und dem Bergischen Land. Die Arbeiterführer akzeptieren damit den Waffenstillstand, die Waffenabgabe der Arbeiter, die Freilassung der gefangenen Soldaten und die Wiedereinsetzung der bisherigen Verwaltungsbehörden. Die Hagener militärische Führung ordnet den Abbau des östlichen Frontabschnittes an, ohne dass die Arbeiter im westlichen Ruhrgebiet überhaupt vom Bielefelder Abkommen erfahren hätten. Die Bedingungen im Abkommen und die verschiedenen Ultimaten von Regierung und Reichswehr waren ohnehin so abgefasst worden, dass sie unter keinen Umständen von den Arbeitern eingehalten werden konnten. Die blutige Abrechnung war vorprogrammiert. Die durch das Abkommen verursachte Verwirrung und Demoralisierung unter den Arbeitern wurde ausgenutzt, um rasch Truppen aus dem ganzen Reich, Zeitfreiwillige und reaktionäre Studenten um das Revier zusammenzuziehen. (In den Reihen dieser Studenten übrigens auch der spätere SPD-Politiker Carlo Schmid.) Von der Ebert-Regierung erhalten sie die „volle Freiheit des Handelns, um zu tun, was die Lage gebietet“.

Weißer Terror gegen Arbeiter

Am 2. April beginnt der weiße Terror. An Arbeitern, Frauen und Kindern werden unvorstellbare Grausamkeiten verübt. Sie werden misshandelt, erschlagen, erschossen. Die Zahl der Opfer des Terrors übersteigt wesentlich die Zahl der in den Märzkämpfen gefallenen Arbeiter. Tausende werden ohne "ordentliches" Verfahren verhaftet und in Zuchthäusern zusammengepfercht. In Sennelager bei Bielefeld wurden bis zu 1.200 unter KZ-artigen Bedingungen festgehalten. Wenige Tage nach ihrem überwältigenden Sieg über den Kapp-Putsch hatte das Bündnis der rechten SPD-Führer mit der Reaktion wieder (vorläufig) „Ruhe“ in Deutschland hergestellt. Scharenweise verließen nun die Arbeiter die SPD. Bei den Reichstagswahlen im Juni 1920 fiel sie (von 11,5 Mio. Stimmen 1919) auf 5,6 Mio. zurück, während die USPD-Wählerzahl von 2,3 Mio. auf 5 Mio. anstieg. In sieben der zehn größten Industriegebiete überholte die USPD die SPD. Hier drei markante Beispiele:

Reichstagswahl Juni 1920, ausgewählte Ergebnisse

Wahlkreis / Stadt

USPD

SPD

Berlin

42,7%

17,5%

Leipzig

42,2%

9,1%

Düsseldorf-Ost
(Düsseldorf, Wuppertal, Remscheid)

32,8%

10,0%

Doch dabei macht die Radikalisierung nicht halt. Die KPD, die bei der Reichstagswahl im Juni 1920 nur 400.000 Stimmen erhält, wächst in wenigen Monaten bis Oktober von 45.000 auf 80.000 Mitglieder an. Noch im selben Monat beschließt ein USPD-Parteitag in Halle den Anschluss an die Kommunistische Internationale. So machen im Dezember 300.000 neue Mitglieder die KPD zur Massenpartei, während sich die rechte Rest-USPD 1922 wieder mit der SPD vereinigt. Mit dem Kapp-Putsch werden zwar die großen Hoffnungen der Arbeiterklasse enttäuscht, aber die Arbeiter schöpfen bald neue Kräfte, neue Führer und damit neue Hoffnungen.

Basis für den Faschismus

Der Kapp-Putsch war eine Frühwarnung vor dem Faschismus. Hitlers Ziele stimmten mit denen von Dr. Kapp weitgehend überein. Die Basis der Arbeiterparteien erkannte von Anfang an die Gefahr von Kapp und griffen fast instinktiv zu den effektivsten Abwehrmitteln: Aktionseinheit, Bewaffnung, Bildung von Arbeiterräten oder Aktionskomitees als Organe der Macht. Wie die Geschichte der nächsten Jahre der Weimarer Republik zeigt, hatten die Führer der Arbeiterparteien, so gut wie nichts aus dem Kapp-Putsch und der sich daraus ergebenden revolutionären Situation gelernt. Der Kapp-Putsch war der erste ernsthafte Versuch rechter Kräfte, die Weimarer Republik zu stürzen. Seine Niederlage veranlasste die Bourgeoisie, zunehmend zur Lösung des Faschismus zu greifen, weil man zu dem Schluss gekommen war, dass nur mit dem Rammbock einer kleinbürgerlichen Massenbewegung eine so starke und kampfbereite organisierte Arbeiterbewegung wie die deutsche zerstört werden konnte.



Augenzeugenberichte aus jenen Tagen

Im Anhang dokumentieren wie die Aussagen von zwei Augenzeugen, die 1920 an der Abwehr des Kapp-Putsches mitwirkten. Die Niederschrift gründet sich auf Interview, die Hans-Gerd Öfinger 1980 mit Otto Rau und Bruno Stolowski führte. Sie waren damals, 60 Jahre nach dem Kapp-Putsch, schon hochbetagt, konnten sich allerdings noch sehr gut an Details erinnern.

Wir waren am Boden zerstört“

Als Sanitäter hat Otto Rau den militärischen Kampf um Remscheid im März 1920 miterlebt:
Die hatten von Hagen aus in Wuppertal oben, am Hahnerberg, ein paar Geschütze aufgestellt und schossen hier runter. Ich hatte mich auch um Waffen bemüht. Hier am Alexanderwerk sind auch ein paar Waffen verteilt worden, aber das war bitter wenig: Ich sagte mir dann: Du kannst auch als Sanitäter deinen Dienst tun. . . . . .Wir haben die Lützower aus der Stadt vertrieben. Da hieß es dann: im Schlachthof kämpfen sie noch. Wir gingen dahin, und da waren noch einige. Ein Teil verwundet, ein Teil hat die Hände hochgehoben. Die wurden dann abgeführt. Wir haben uns dann um die Verwundeten bemüht. Einer mit Hodenschuss war dabei. Der hat furchtbar gejammert. Einer fiel mir auf, weil er so einen furchtbar verbluteten Verband auf dem Kopf hatte. Wie ich anfing seinen Verband abzumachen, flehte der mich an: „Verrat mich nicht, verrat mich nicht!“ Als ich den Verband abhatte, sah ich, dass ihm überhaupt nichts fehlte. Der hatte sich nur eine Binde ins Blut getunkt und die sich um den Kopf gebunden, um heil wegzukommen.

Als wir vom Schlachthof zu unserem Standort zurückkamen, war da ein Soldat, den hatte die Zivilbevölkerung draußen geschnappt und verhauen. Der saß jetzt ganz verdattert da und war am Jammern. Aber außer Nasenbluten fehlte ihm nichts. Ich habe keine blauen Flecken an ihm feststellen können. Das war bei ihm in der Hauptsache die Angst, man wolle ihn totschlagen. Da haben mein Schwager und ihn auf einer fahrbaren Bahre in eine Klinik gebracht. Er schimpfte auf die Kommunisten, und da habe ich ihm gesagt: „Du weißt doch gar nicht, was Du da redest und was überhaupt los ist. Wir beide, wir sind Kommunisten. Die dich da auf der Straße verhauen haben, die haben mit der Kommunistischen Partei nichts zu tun.“ Da war er dann platt. Dann erzählte er uns, er wäre früher Ober im Hotel Adlon in Berlin gewesen, und als er dann vom Krieg zurückkam, war seine Stelle anderweitig besetzt. Da stand er da, hat keine Verwandte, niemand, mittellos, haltlos, entwurzelt. Da ist er dann zu der Schwarzen Reichswehr gegangen. Ich habe ihn später noch einmal besucht, denn in gewisser Hinsicht hat er mir leidgetan. Dann kam die Meldung vom Bielefelder Abkommen, dass da wieder alles verraten und verkauft worden ist. Alles war niedergeschlagen: Die ganzen Opfer umsonst. Wir waren richtig am Boden zerstört.

Ein Junge rächte den Vater“

Erinnerungen von Bruno Stolowski:
Im Lenneper Rat hatten die Arbeiter gerade wieder so eine Versammlung gemacht. Da kamen die dort stationierten 22 Mann von der Reichswehr und ein Offizier auf den Markt und wollten die Versammlung sprengen. Sie stellten Maschinengewehre auf und gaben Befehl, wir sollten auseinandergehen. Verschiedene waren ja sehr ängstlich, aber das hätteste mal sehen sollen. „Hau ab!“, schrie da der Redner, und da gab der Offizier den Befehl, abzuhauen. Sie mussten sich nach Remscheid zurückziehen. In Lennep hätten sie ja nichts machen können. Als wir auf die Straße zugingen, fing es schon an mit dem Knallen. Ich selbst habe keine Waffe gehabt, ich habe aber geholfen bei den Wasserkästen für die Maschinengewehre. Die aus dem Kohlenpott haben ein Geschütz mitgebracht. Sie haben von Lüttringhausen aus rübergefeuert auf das Rathaus zu, wo die Reichswehr saß. Der erste Schuss ging daneben. Aber der zweite Schuss der saß. Dann hauten die aus dem Rathaus ab, am Schlachthof haben sie sich noch zur Wehr gesetzt. Da sind auch viele von den unseren gefallen. Die mussten über die Mauer rüber, und da haben sie sie abgeknallt! Ich war bei der Truppe aus Hamborn, als wir die die Freiheitsstraße hochgingen dem Schlachthof zu. Auf einem Dach war ein MG-Nest, und an der Ecke, da gingen fünf Straßen auseinander. Da kam man nicht mehr durch. Ich habe da miterlebt, wie ein 15jähriger Junge seinen Vater gerächt hat. Ein Schuss traf meinen Mantel und ging ihm, weil er klein war, direkt ins Gesicht. Der Sohn hat bloß mit den Zähnen geknirscht. Als wir dann weiter an die Plakatsäule kamen, da konnten wir sehen, wo die Schüsse herkamen. Wir mussten dauernd in Deckung gehen und konnten nicht durch. Der Junge hat angelegt und aufgepasst. Auf einmal sah er einen Stahlhelm auf dem Dach. Er traf den Mann, der dann mitsamt der MG vom Dach fiel. Die Kämpfe gingen immer noch weiter. Kollegen von hier fuhren mit einem Lastwagen nach Wesel, wo die schlimme Schlacht stattfand. Sie brachten zwei Tote mit. Die waren bei der Verteidigung einer belagerten Fabrik gefallen.

Schließlich kam es zum Waffenstillstand von Bielefeld. Die Stimmung war so, dass die Bevölkerung hier wenigstens dagegen war, dass die Waffen abgegeben werden sollten. Andere haben gesagt, wir kriegen unser Recht auch ohne Waffen - das waren hauptsächlich die SPD-Führer. In Bielefeld wurde über die Abgabe der Waffen beraten. Alle Zivilisten mussten die Waffen abgeben. Wir haben uns gefragt - wie kann man denn nur so blöd sein! Wie die Waffen abgegeben wurden, da wurden sie frech. Dann war es zu spät. Dieses Bielefelder Abkommen 1920 war der größte Fehler, den sie machen konnten. Wir hatten ja schon eine richtige Arbeiterarmee zusammen, mit Führung und so. Aber ohne Waffen konnte man nichts machen, da wurden die wieder frech. Dann war alles vorbei.



Kurze Chronik der Ereignisse 1918-1920

9. November 1918: Im Deutschen Reich entstehen überall Arbeiter- und Soldatenräte

12. November 1918: Die Unternehmer gestehen den Arbeitern bürgerliche Freiheiten, 8-Stunden-Tag und Sozialreformen zu

Nov./Dez. 1918: Die SPD-Führung verbündet sich mit der Reaktion zur Bildung von „Freikorps“

15. Januar 1919: Ermordung der KPD-Führer Liebknecht und Luxemburg durch Freikorps-Soldaten

1919: In den Industriezentren dauern die Kämpfe weiter an. Vorläufige Rückschläge für die Arbeiter. Weitere Streiks gegen den Abbau der Errungenschaften der Revolution

13. Januar 1920: Die Polizei schießt vor dem Reichstag in eine Massendemonstration gegen das geplante Betriebsrätegesetz: 42 Tote!

13. März 1920: Die Marine-Brigade Erhardt besetzt das Berliner Regierungsviertel. Die Regierung Ebert flieht nach Dresden. Kapp ernennt sich zum Reichskanzler. Arbeiter im ganzen Reich treten in den Generalstreik. Die ADGB-Führung stellt sich an die Spitze

15. März 1920: Die KPD schließt sich dem Streikaufruf an, nachdem sie dies zwei Tage zuvor noch abgelehnt hatte

16. März 1920: Beginn der Arbeitererhebung an der Ruhr

17. März 1920: Dortmund wird von den Arbeitern eingenommen. Reichswehr zieht sich aus dem Ruhrgebiet zurück. Kapp erkennt die Hoffnungslosigkeit seiner Lage und flüchtet nach Schweden. Der Putsch ist gescheitert.

20. März 1920: Die Regierung kehrt nach Berlin zurück. Der Generalstreik wird von der Führung offiziell abgebrochen. Im Ruhrgebiet, in Sachsen und Thüringen kämpfen die Arbeiter jedoch weiter

21. März 1920: Alle arbeiterfeindlichen Truppen haben das Ruhrgebiet verlassen

22. März 1920: Rücktritt Noskes als Verteidigungsminister

24. März 1924: Das „Bielefelder Abkommen“ wird unterzeichnet: Waffenstillstand und freiwillige Entwaffnung der Arbeiter

2. April 1920: Die Reichswehr marschiert ins Ruhrgebiet ein und terrorisiert die Bevölkerung

6. Juni 1920: Bei der Reichstagswahl riesige Verluste für die SPD und Gewinne für die USPD

12.Oktober 1920: Spaltung der USPD auf dem Parteitag in Halle: Die Mehrheit beschließt die Vereinigung mit der KPD

 

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