Kategorie: Asien

Chinas Imperialismus in Südostasien

Die Ankündigung des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte sich zukünftig an China statt der USA zu orientieren hat hohe Wellen geschlagen. Mit den dahinter liegenden Prozessen beschäftigt sich unser Autor.


Die Annäherung Dutertes an China ist nur eine von vielen Veränderungen im südostasiatischen Raum und ein Vorbote der geopolitischen Verwerfungen, die uns nach einer langen Phase der Stabilität und der unangefochtenen Vorherrschaft der USA bevorstehen. China kann die US-amerikanische Dominanz in dieser strategisch extrem wichtigen Region anfechten, weil es in der Weltwirtschaft mittlerweile ein zentraler Player geworden ist. Es ist der größte Industrieproduzent und der wichtigste Importeur und Exporteur der Welt. Dies zeigt sich auch in der chinesischen Handelsinfrastruktur: 7 der 10 größten Häfen der Welt befinden sich in China. Mit Shanghai auch der größte. Im Vergleich dazu befindet sich kein US-Hafen unter den Top 10 der Welt, während China beim aktuellen Wachstum 2030 ein Drittel aller Container-Schiffe international stellen würde. Diese immer gewichtigere Rolle in der Ökonomie muss auch ihren Ausdruck in veränderten internationalen Beziehungen finden. Unter diesem Gesichtspunkt muss man Rodrigo Dutertes Ankündigung, sich an China zu orientieren, verstehen.

Chinas Reichtum…

Als Anlass für die Umorientierung der Philippinen wird die Kritik der USA an Dutertes außergerichtlichen Tötungen von vermeintlichen Drogendealern herangezogen. Doch die Ursache liegt tiefer. Die Philippinen galten als einer der loyalsten Verbündeten der USA in Südostasien, was aber in der jüngeren Vergangenheit ein Hindernis für Handel mit und Investitionen aus China darstellte. China ist derzeit in der Position, mittels Kapitalexport die Infrastruktur der Philippinen auszubauen. Die rasche Reaktion Chinas auf Dutertes „Kotau“ hat ihn wohl selbst überrascht. Nicht nur, dass philippinische Fischer wieder Zugang zu einer von China besetzten, aber völkerrechtlich zu den Philippinen gehörenden Insel bekommen haben, sondern es kam auch zum Aufheben von Handelsbeschränkungen und dem Widerruf einer Reisewarnung. Binnen eines Monats soll es auch eine Flug-Direktverbindung zwischen Guangzhou (China) und Laoag (Philippinen) geben.

Außerdem wurde von einem chinesischen Staatskonzern verkündet, massive Investitionen auf 208 Hektar in einen philippinischen Hafen zu tätigen. Mit der Akzeptanz chinesischer Annexionen von philippinischem Gebiet und dem öffentlichen Zurschaustellen von Sympathie hat Duterte auf einen Schlag mehr erreicht als viele seiner Vorgänger. Abseits der materiellen Konsequenzen, die erst wirksam werden müssen, handelt es sich hier auch um ein Ereignis mit Symbolkraft: Dem US-amerikanischen Imperialismus wurde ein herber Schlag versetzt und die Botschaft an andere Staaten Südostasiens ist klar: „Akzeptiere die Vorherrschaft Chinas und Reichtum wird folgen.“ Der Premier-Minister von Malaysia besuchte China bereits eine Woche nach der Ankündigung von Duterte.

…und Stärke

Das Ziel von China ist es das süd- und ostchinesische Meer anstelle der USA selbst zu dominieren, unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Territorial-Forderungen von China zu verstehen. Die Durchsetzung dieser Forderungen würde die Annexion der Meere rund um die relevantesten Nationen Südostasiens bedeuten. Handelsbeziehungen und Investitionen sind dabei die Eintrittskarten Chinas in der gesamten Region. Doch es genügt nicht nur ökonomische Macht auszuüben. Deshalb sehen wir bereits seit einiger Zeit einen Anstieg militärischer Aktivitäten Chinas in der Region, und erst vor kurzem wurde ein Gesetz verabschiedet, das es ermöglicht chinesische Soldaten in anderen Ländern zu stationieren. Die US-Navy ist und bleibt bislang die stärkste Flotte in dieser Weltgegend. Deshalb versucht China Stück für Stück Fakten zu schaffen, und immer wenn die USA sich weigern oder nicht in der Lage sind, außenpolitisch zu intervenieren, wie in der Ukraine oder in Syrien, wird dies vor allem auch in Peking, Hanoi, Taipeh und Seoul wahrgenommen. Die Verbündeten der USA in Südostasien fragen sich: „Was bringt uns die US-amerikanische Militärmacht, wenn sie nicht real ist?“ Der philippinische Präsident Duterte sprach bei seinem China-Besuch sogar davon, dass der Schutz seitens der USA eine „Show“ sei.

Zwar scheint es so, als hätten die USA die meisten Nationen auf ewige Zeit auf ihrer Seite, doch dieser Schein trügt. So bestehen enge wirtschaftliche Geflechte zwischen Südkorea, Taiwan und China. Auch im traditionell anti-chinesischen Vietnam wurde bei den letzten Präsidentschaftswahlen von der Kommunistischen Partei ein „pro-chinesischer Kandidat gewählt“. Es zeigt sich also, dass anstatt klar auf der Seite der USA zu stehen, viele Staaten verstärkt versuchen, zwischen den USA und China zu balancieren, um „das Beste“ für sich herauszuholen. Mit steigender ökonomischer und militärischer Stärke wird sich diese Balance mehr und mehr Richtung China verschieben.

Eine neue Seidenstraße

Mit dem Ziel Handelswege zur See zu sichern, arbeitet China daran, Einfluss auf strategischen Inseln zu gewinnen. Sri Lanka, die größte dieser Inseln, ist trotz einiger Spannungen de facto ein chinesischer Verbündeter. Nicht nur, dass China dort einen Hafen baut, der indische Häfen zwergenhaft erscheinen lässt, auch liegen bereits chinesische Militär-U-Boote in Sri Lanka vor Anker. China ist der größte Investor, und die Investitionen stiegen in den letzten zehn Jahren massiv an. Sri Lanka ist für China ein wichtiger Baustein im Vorhaben alternative Handelsrouten zur von den USA kontrollierten Straße von Malakka und dem Pazifik zu errichten, ohne seinen „Hinterhof“ endgültig den USA zu überlassen. Im Zusammenhang damit arbeitet China an einer „Chinesisch-Pakistanischen-Wirtschaftszone“ und errichtet ebenfalls einen Hafen in der pakistanischen Stadt Gwadar. Über diese Regionen hinaus versucht China auch Einfluss in Zentralasien zu erlangen. Dies hat den Hintergrund, dass die USA im Falle einer diplomatischen Krise oder eines Konflikts aufgrund ihrer militärischen Dominanz China schnell den Zufluss von Rohstoffen „abdrehen“ könnten, da beispielsweise 70-80% der chinesischen Ölversorgung über die von den USA kontrollierte Straße von Malakka importiert werden. China versucht daher über die „neue Seidenstraße“ eine andere Route zur EU, seinem wichtigsten Handelspartner außerhalb von Asien, und zum Nahen Osten zu erhalten. Zwar hat Russland in Zentralasien ebenfalls geopolitische Interessen, doch die ökonomische Schwäche Russlands und seine internationale Isolation werden eine Einigung zwischen diesen beiden Mächten erlauben.

Überproduktion und Krise

Doch China ist kein unbezwingbarer Riese, der die USA zermalmen wird. Die USA bleiben die ökonomisch stärkste Macht der Erde und werden ihren Einfluss gerade auch in Südostasien mit Zähnen und Klauen verteidigen. Zwar kam es auch in Thailand zu einer Verschiebung hin zu China, aber den USA gelang es im Gegenzug in Myanmar Einfluss zu gewinnen. Gerade die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wird zu einem verstärkten Engagement der USA in der Region führen und hat bereits zu ersten Verstimmungen zwischen Washington und Peking geführt. Man droht sich bereits mit protektionistischen Maßnahmen, und ein ausgewachsener Handelskrieg könnte die innenpolitische Lage in beiden Ländern aus dem Gleichgewicht bringen.

China braucht Wirtschaftswachstum und Kapitalexportmöglichkeiten, um die eigene Gesellschaft zu stabilisieren, seine Überproduktion in Grenzen und die Massen ruhig zu halten. China sieht sich trotz immenser Investitionsprogramme immer größerer Überproduktion und Verschuldung ausgesetzt. Gleichzeitig ist die soziale Ungleichheit in dem Land eine der höchsten auf der Welt. Die kapitalistische Krise hat längst China erfasst und setzt seinen Expansionsmöglichkeiten Grenzen. Der chinesische Kapitalismus steht auf ebenso wackeligen Füßen wie sein Hauptkonkurrent auf der anderen Seite des Pazifik.

Mit der Herausbildung einer starken Industrie hat die herrschende Klasse Chinas auch die größte Arbeiterklasse der Welt und damit ihren eigenen Totengräber erschaffen. In den letzten Jahren gab es stetig wachsende Streikzahlen, die mit den ökonomischen Krisenerscheinungen ab 2015 in die Höhe schnellten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die chinesische Arbeiterklasse ihr Haupt erhebt und in Aktion tritt.

 

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