Kategorie: Jugend

Interview mit Juan Josè López, Generalsekretär der spanischen Schülergewerkschaft

Juan Josè López ist seit November 2004 Generalsekretär der spanischen Schüler- und Studierendengewerkschaft Sindicato de Estudiantes (SE). Die SE hat seit den 80er Jahren zahlreiche Streikbewegungen an Schulen und Hochschulen initiiert. Sie pflegt eine enge Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Elternverbänden.


 

Eure Organisation besteht seit 1987. Was hat die SE in den zurückliegenden 18 Jahren erreicht?

 

Ausgangspunkt waren die Massenproteste der SchülerInnen 1986, aus denen heraus unsere landesweite Organisation entstanden ist. Schon damals erreichten wir Zugeständnisse und Verbesserungen im Bildungswesen, durch die vor allem soziale Barrieren abgebaut wurden und Arbeiterkinder verstärkt in den Genuss höherer Bildung gelangt sind. Nach dem erneuten Wahlsieg der Konservativen im Jahre 2000 organisierten wir landesweit die erste wesentliche Protestwelle gegen deren reaktionäre Bildungspolitik. Neben Mobilisierungen an Schulen und zunehmend auch an Hochschulen haben wir uns durch landesweite Aktivitäten auch auf anderen Gebieten engagiert. So setzten etwa die von uns mit initiierten Massenproteste der Jugend gegen den Golfkrieg 1991 die damalige PSOE-Regierung unter Druck, so dass sie die spanischen Truppen aus dem Krieg heraushielt. Als Folge der Massenbewegung gegen den Irak-Krieg 2003, an der wir wieder stark beteiligt waren, hat der neue Ministerpräsident Zapatero sofort nach seinem Antritt 2004 die spanischen Truppen aus dem Irak wieder abgezogen. Das war eine Erfüllung der Wahlversprechen und kam an.

 

Wie beurteilst Du die bisherige Erfahrung mit der Regierung Zapatero? Was hat sich geändert?

 

Die spontane Massenbewegung nach den Madrider Terroranschlägen drei Tage vor der Wahl im März 2004 brachte viel Unmut an die Oberfläche, der sich bei Arbeitern und Jugendlichen in acht Jahren konservativer Regierung aufgestaut hatte. Zapatero kam somit eigentlich unerwartet an die Macht. Seine Regierung hat seither in bestimmten Bereichen – wie etwa bei demokratischen Grundrechten – eine andere Politik eingeschlagen als die reaktionäre Vorgängerregierung. So wurde der Einfluss der Kirche im Bildungsbereich zurückgedrängt und der obligatorische Religionsunterricht wieder abgeschafft. Die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern wurde legalisiert. Mit einer geringfügigen Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ging Zapatero sogar einen begrenzten Konflikt mit dem Unternehmerverband ein.

 

Also im Gegensatz zu Deutschland rundum Zufriedenheit mit einer sozialdemokratischen Regierung in Spanien?

 

Keineswegs. Allerdings sind die Flitterwochen noch nicht ganz beendet. Dazu kommt noch der besondere Charakter der spanischen Rechten, die eher in der Traditionen der klerikalfaschistischen CEDA aus den 30er Jahren steht. Sie hat ihre Wahlniederlage noch nicht akzeptiert und verdaut und stützt sich auf die reaktionärsten Schichten in der Gesellschaft, etwa Großgrundbesitzer und Kirchenhierarchie. Sie schiebt alles nur auf angebliche linksextreme Agitation und spricht von einem Pakt Zapateros mit Osama bin Laden. Sie organisiert mit Kirchenleuten Demos „für die Familie“ und gegen die „Homoehe“. Da solidarisieren sich viele Arbeiter und Jugendliche eher noch mit der PSOE. Aber das Kapital plant – wie überall – Angriffe auf Löhne, Arbeitsbedingungen, soziale Errungenschaften und Gewerkschaften und wird dementsprechend Druck auf Regierung ausüben. Im Bildungswesen gehen die Privatisierungstendenzen weiter. Noch stützt sich die Regierung auf 3,5% jährliches Wirtschaftswachstum, das vor allem von einem Bauboom gespeist wird. Mit EU-Geldern wurden zahlreiche Autobahnen und andere Infrastruktur geschaffen. Das wird bald aufhören. Und die Arbeiterbewegung wird sich gegen Angriffe wehren, denn sie hat in den letzten Jahren keine wirkliche Niederlage erlitten. Die Protestwelle der Werftarbeiter gegen die Privatisierung nicht-militärischer Werften letzten Herbst hat viele überrascht; vielfach streikte die Belegschaft gegen den Willen des Gewerkschaftsapparats. Durch Zugeständnisse wie Frühpensionierungen bei voller Lohnfortzahlung wurden vor allem ältere Arbeiter ruhig gestellt. Trotzdem brachte dieser Kampf erste Risse in der Regierung zum Vorschein und zeigte, dass sich die Arbeiterklasse bei künftigen Angriffen auch und gerade durch die PSOE-Regierung wehren wird.

 

Ihr sucht und pflegt vor allem den Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Wie sieht das in der Praxis aus?

 

Wir sehen uns als Teil der Arbeiterbewegung. Bildung ist für uns eine Klassenfrage; es geht darum, ob und wie Arbeiterkinder eine fundierte und kostenlose Ausbildung und eine sichere Zukunft bekommen. Gemeinsame Aktivitäten mit der Arbeiterbewegung bekommen wir aber nicht nur von oben durch gute Kontakte zum hauptamtlichen Gewerkschaftsapparat zustande. Natürlich pflegen wir auch auf dieser Ebene Kontakte und sind Gesprächspartner auf der Vorstandsebene. Der frühere Generalsekretär der Gewerkschaft Arbeiterkommissionen (CCOO), Kommunist und Antifaschist Marcelino Camacho war bei unserem letzten Kongress zum wiederholten Male Ehrengast. Gleichzeitig stellen unsere Gliederungen in den Provinzen direkte Kontakte zu den Betrieben her. Bei Arbeitskämpfen wie etwa der Streikwelle in den Werften letzten Herbst waren wir direkt vor Ort dabei. Unsere Redner werden zu Betriebs- und Streikversammlungen eingeladen und finden damit ein Echo in der Bewegung. Es geht immer darum, die Kämpfe weiter zu treiben, die gemeinsamen Interessen in den Mittelpunkt zu rücken und gemeinsam zu handeln.

 

Aber auch in Spanien kommen Massenkämpfe wohl nicht allein auf Knopfdruck zustande. Wie ist es Euch gelungen, über Jahre immer wieder große Mobilisierungen zustande zu bringen?

 

Von nichts kommt nichts. Bei jedem Kampf sind die Ideen wichtig. Wie erklären wir die Probleme, gegen die sich die Jugendlichen auflehnen? Welche Alternativen haben wir zu bieten? Mit welchen Methoden des Kampfes wollen wir unsere Ziele erreichen? Ein defensiver Kampf etwa gegen Studiengebühren reicht nicht aus, wenn man keine Alternativen anbietet. In der Massenbewegung gegen den Irak-Krieg haben wir etwa deutlich erklärt, warum wir gegen den Krieg sind und dass wir nicht auf Chirac und Schröder als Verbündete setzen. Sozialer Unmut ist latent vorhanden und kann jederzeit zu einer Explosion führen. Ohne Elternverbände und Gewerkschaften ist es allerdings schwer, den Kampf an den Schulen auszuweiten. Wenn eine breitere Bewegung bereits in Gang ist und viel Spontaneität – Demos, Verkehrsblockaden etc – sichtbar ist, dann kommt es umso mehr darauf an, der Bewegung mit einheitlichen Forderungen einen Zusammenhang und eine Richtung zu verleihen, damit sie nicht verpufft. Um eine Bewegung anzustoßen, muss man es aber manchmal auch einfach ausprobieren, ins Wasser springen und schwimmen und darf nicht von vornherein sagen: ‚Das wird nichts’. Wenn es einen Angriff gibt, ist es grundsätzlich unsere Pflicht darauf zu reagieren und nicht die Flinte ins Korn zu werfen.

Das Interview führte Hans-Gerd Öfinger.

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