Kategorie: Kapital und Arbeit

Union Busting – Professionelle Gewerkschaftsbekämpfung

Union Busting hat ihren Ursprung in den USA. Dort existiert eine Branche aus Anwaltskanzleien, Instituten und Beraterfirmen, die sich auf die Bekämpfung von Gewerkschaften spezialisiert hat.


In ihrem Buch „Die Fertigmacher“ (Papyrossa 2015) beschreiben Rügemer und Wigand das Union Busting wie folgt: „Union Busting wird sowohl betrieben, um den erreichten Status quo an Kollektivität, Mitbestimmung und arbeitsrechtlichem Schutz anzugreifen, wie auch, um Organisierungsbemühungen von Beschäftigten möglichst im Keim zu ersticken. Dazu gehören sehr häufig Maßnahmen gegen einzelne Meinungsführer aus der Belegschaft, insbesondere Mitglieder von Vertretungsorganen oder Gewerkschaften, mit dem Ziel diese zu diskreditieren, zu isolieren und zu entlassen.“ (S. 27)

Die US-amerikanischen Arbeitgeber zahlen jährlich eine Milliarde Dollar an die Busting-Branche, um ihre Betriebe gewerkschaftsfrei zu halten und engagierte GewerkschafterInnen loszuwerden. Heute sind in den USA nur 7% der Beschäftigten in der Privatwirtschaft Mitglied einer Gewerkschaft. Im Zuge der Globalisierung haben sich immer mehr amerikanische Unternehmen weltweit ausgebreitet und mit ihnen die Mentalität, auf Gewerkschaften und Betriebsräte verzichten zu können. Zu diesen Konzernen gehören Walmart, McDonald’s, Starbucks, UPS u.a. Aber auch deutsche Firmen in der Systemgastronomie, Supermarktketten und Paketdienste haben in den vergangenen Jahren verstärkt Versuche unternommen, betriebsratsfreie Zonen zu bleiben. Allerdings sichert das Betriebsverfassungsgesetz Betriebsräten einen besonderen Kündigungsschutz und stellt die Behinderung von Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit unter Strafe (§ 119 BetrVg). In dieser Situation setzen die Unternehmer auf professionelle Gewerkschaftsbekämpfer, wie Anwaltskanzleien, PR-Agenturen, Stiftungen, arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute usw.

In den letzten zehn Jahren ist auch in der BRD nach amerikanischem Vorbild eine Branche entstanden, welche Unternehmern behilflich ist, Betriebsräte bereits im Vorfeld zu verhindern, engagierte Betriebsratsmitglieder zu zermürben und zu kündigen. „Zum Standardprogramm gehören u. a. Wellen von substanzlosen Abmahnungen und Kündigungen, Bespitzelung durch Detektive, demütigende Personalgespräche und gezieltes Mobbing.“ (Elmar Wigand, jW, 24.09.2014)

Die bekanntesten Juristen aus dieser Branche sind der Arbeitsrechtler Helmut Naujoks und die Kanzlei Schreiner + Partner. Auf der Website „arbeitsunrecht.de“ kann man über Naujoks Vorgehen bei Burger King folgendes erfahren:

„Der Arbeitsrechtshardliner, über den auch bei uns schon viel geschrieben wurde hatte zuletzt ein Mandat für die Burger King-Franchise-Nehmer Yi-Ko Holding. Hier trat er, ohne bisher nennenswerte Erfolge zu erzielen, eine beispiellose Abmahnungs- und Kündigungswelle gegen Betriebsräte los. Laut Hamburger Abendblatt kamen seit Übernahme der Geschäftsführung durch Yildiz im Mai 2013 mehr als 320 arbeitsrechtliche Verfahren, sowie 20 Kündigungsverfahren gegen Betriebsratsmitglieder, zum Teil mit Schadenersatzklagen zusammen. Dabei ist Naujoks jedes Mittel recht, seine Opfer zu diskreditieren. Sogar Diebstahl wurde (erfolglos) unterstellt. Kaum eines der angezettelten Verfahren hielt vor Arbeits-Gerichten stand. Die Anklage wegen des angeblichen Diebstahls, der einem Betriebsrat unterstellt wurde, endete mit einem Freispruch. Helmut Naujoks freilich kann das egal sein. Er stellt seine Rechnungen schließlich auch im Fall von Niederlagen und findet offensichtlich trotz der gehäuften Misserfolge neue Auftraggeber.“

Während Naujoks in den ersten Jahren seiner Tätigkeit aktiv die Mandate vertrat (Burger King, Götz-Brot) , wird er mittlerweile im Vorfeld als Berater engagiert, mit dem die Unternehmer planen, welche Methoden sie anwenden können, um unliebsame Betriebsräte loszuwerden. Das eigentliche Mandat übernehmen dann Anwälte, denen nicht der Ruf des „Betriebsrätefressers“ vorauseilt.

Schreiner + Partner veranstalten Seminare für Personalverantwortliche, in denen es um die „Kündigung der Unkündbaren“ , „Effektive Strategien im Umgang mit schwierigen Betriebsräten“ oder „Grenzen des Betriebsrats – So weisen Sie Ihren Betriebsrat in die Schranken“ geht. Das Gleiche gilt für den Leipziger Jura-Professor Boemke, der bei den von der Rentrop Verlagsgruppe organisierten Arbeitgebertagen mit Vorträgen wie „So bekommen Sie den Betriebsrat, den sie sich wünschen“ oder „Mitbestimmung im Arbeitskampf: Streikbrecher-Einsatz auch ohne Beteiligung des Betriebsrats“.

Rügemer und Wigand nennen ein Dutzend weiterer Anwaltskanzleien, Institute, Stiftungen und sogar eine Arbeitsrichterin, die sich dem Union Busting verschrieben haben, und beschreiben anhand verschiedener Beispiele (Maredo, Würth, UPS, Charité/Vivantes u.a.) deren Vorgehen.

Elmar Wigand gibt in seinem Artikel in der jW (s.o.) folgenden Tipp: „Wer als engagierter Gewerkschafter oder als Betriebsratsmitglied eine gesicherte Zukunft in einem deutschen Betrieb haben will, sollte sich also dafür interessieren, auf welche Schulungen seine Personalleiter so fahren und welche »Coaches« für »Inhouse«-Seminare in die Firma kommen. Es lohnt sich außerdem, die Vorgeschichte von Kanzleien und Unternehmensberatern zu recherchieren, die Augen offen zu halten und gelegentlich auch, unbekannte Auto­kennzeichen auf den Parkplätzen der Personalabteilung aufzuschreiben.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Union Busting in Nordwestdeutschland

Enercon

Enercon in Aurich (Ostfriesland) ist der größte Hersteller von Windkraftanlagen in der BRD. Der Eigentümer der Firma, Aloys Wobben, hasst nach eigenen Angaben Gewerkschaften und Betriebsräte und bekämpft diese, weil mit der betrieblichen Mitbestimmung „sein Lebenswerk bedroht“ wird. (nach Otto König/Richard Detje, Betroffen ist einer – Gemeint sind wir alle, Zeitschrift Sozialismus 12/2014) Aus diesem Grund hat Wobben die Enercon-Muttergesellschaft in 250 nationale und internationale Tochtergesellschaften aufgesplittet, in der Region Ostfriesland sind das 25 rechtlich selbstständige Firmen mit 4000 Beschäftigten.

„Im Bereich der erneuerbaren Energien hat der Markführer Pionierarbeit geleistet; im Umgang mit den Beschäftigten herrscht autoritärer Rückschritt. Die saubere Energie wird mit unsauberen Methoden produziert. »Das Unternehmen agiert innerbetrieblich wie im vorletzten Jahrhundert und hat offensichtlich deutlich Schwierigkeiten, demokratische Strukturen und die Mitbestimmung von Beschäftigten zu akzeptieren«, so IG Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine. Das Management drohte den Beschäftigten, das Weihnachts- und Urlaubsgeld zu streichen bzw. die Produktion zu verlagern, wenn sie Betriebsräte wählen würden.“ (König/Detje)

Im Herbst 2013 kam es in allen Servicegesellschaften der Enercon-Holding zu Betriebsratswahlen, an denen sich 75% der Beschäftigten beteiligten. Dabei gelang es der IGM in sieben von neun Gremien die Mehrheit zu gewinnen. Die Enercon-Geschäftsführung reagierte mit Schikanen, Drohungen, Abmahnungen und Versetzungen. So berichtet ein gewählter Betriebsrat der Enercon-Tochter in Georgsheil. „Für mich wurde extra ein Arbeitsplatz geschaffen.“ „Vorher habe er als Gießkranfahrer eine Tätigkeit ausgeübt, für die im ganzen Betrieb nur wenige Personen qualifiziert seien. Nun mache er Arbeiten, die von Ungelernten ausgeführt worden seien.“ (Ostfriesen-Zeitung, 28.07.2015)

In der WEA Service Ost GmbH in Magdeburg sollte der Betriebsratsvorsitzende Nils-Holger Böttger entlassen werden, weil er sich für die Leiharbeiter in seinem Betrieb einsetzte. „Die hatten sich an den Betriebsrat gewandt, weil sie in ihrer Freizeit unbezahlt an Schulungen teilnehmen mussten. Bei »seiner« Geschäftsleitung und bei der Geschäftsführung der Leiharbeitsfirma Detmers, mit der Enercon seit Jahren zusammenarbeitet, forderte er ein, dass die Zeit vergütet wird. Daraufhin wurde er schriftlich ermahnt. Als sich nichts ändert, machte er seinem Ärger Luft und schrieb eine E-Mail an alle Service-Beschäftigte, in der er seine Kritik in ein »satirisches Märchen« kleidete. Drei Wochen später erhielt Böttger die fristlose Kündigung mit der Begründung, er habe seine Kompetenzen »massiv überschritten«. Die Leiharbeitsfirma habe wegen seiner Intervention die Zusammenarbeit beendet, damit sei der WEA Service Ost »ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden« entstanden.“ (König/Detje)

Enercon ließ sich juristisch von der internationalen Sozietät Hogan Lovells mit Sitz in Hamburg vertreten, welche über Dutzende Arbeitsrechtler mit Schwerpunkt Union Busting verfügt. Das Arbeitsgericht Magdeburg lehnte die Kündigung ab. Jörg Meyer schrieb dazu im ND vom 12.02.15: „Nils-Holger Böttger bleibt auf seinem Arbeitsplatz, und er bleibt Betriebsratsvorsitzender der WEA Service Ost, einer Tochter des Windkraftanlagenbauers Enercon. Das Unternehmen ist mit der Absicht gescheitert, sich eines kritischen Betriebsrates zu entledigen, der sein Amt auch noch ernst nimmt und sich bedingungslos für die Beschäftigten engagiert - ob Stammbelegschaft oder Leiharbeiter.“

Meyer Werft

Ende September 2015 gab die Werftleitung der Papenburger Meyer Werft bekannt, den Betriebsratsvorsitzenden Ibrahim Ergin fristlos kündigen zu wollen. Ihm wird vorgeworfen 2012/13 junge MitarbeiterInnen zum Eintritt in die IG Metall genötigt zu haben. (s. Der Funke Nr. 98) Wenige Tage vor der Bekanntmachung wurde der „Betriebsrätefresser“ Helmut Naujoks auf der Werft gesehen. Meyer will einen engagierten Betriebsrat loswerden, der sich für die Schaffung eines Aufsichtsrats und für die Beschäftigten der Meyer-Tochter EDL einsetzte. Ergin und die IGM bestreiten die Vorwürfe und auch die von Meyer in einer Pressekonferenz mit den Werft-Anwälten vorgelegten Zeugenaussagen lassen Zweifel aufkommen. SPD, Linke und Gewerkschaften kritisieren Meyers Vorgehen und fordern die Werftleitung auf zu einem „sozialpartnerschaftlichen Verhältnis“ zurückzukehren.

Anfang November legt Meyer nach und in der lokalen Presse tauchten Berichte auf, in denen Ergin vorgeworfen wird, dass durch die Änderung seines Namens ein Vertrauensverlust entstanden sei. Ergins Eltern waren vor dem Bürgerkrieg aus der Türkei in den Libanon – der Schweiz des Nahen Ostens - eingewandert und hatten den Namen Darweesh angenommen. Während des Bürgerkriegs floh die Familie 1986 in die BRD. Die Änderung des Namens, des Geburtsortes und –datums hätten allein einen familiären Hintergrund und seien auf Betreiben der deutschen Behörden erfolgt, so Ergin in der Rheiderland Zeitung vom 04.11.2015. Der Harburger Arbeitsrechtler Rolf Geffken schrieb zum Verhalten der Werftleitung:"Das ist doch alles grotesk. Ich habe als Anwalt bei türkischen Einwanderern der ersten und zweiten Generation immer wieder erlebt dass Geburtsdaten abwichen. In der Türkei spielt dieses Datum nicht dieselbe Rolle wie hier. Das weiß jeder. Dass man das in Papenburg nicht weiß zeigt nur die ganze Provinzialität dieser Unternehmensführung. Von wegen "Globalisierung"......"

Am 19.11.2015 schlug das System Naujoks erneut zu, als auf der Werft ein anonymes Mail auftauchte, das von einem enttäuschten, engagierten Gewerkschafter stammen sollte und die örtliche IG Metall angriff. Dieses Mail soll vom Personalchef der Werft Paul Bloem hundertfach kopiert in Umlauf gebracht worden sein. Wie es aussieht soll mit dem Schreiben die Belegschaft gespalten und gegen die IG Metall und den Betriebsrat aufgebracht werden. Wem nützt das? Ein engagierter Gewerkschafter wird bei der aktuellen Lage auf der Werft keine derartige Aktion starten und seinen KollegInnen in den Rücken fallen. Anders die Werftleitung, die ihren Betriebsratsvorsitzenden kündigen und den Restbetriebsrat auf ihre sozialpartnerschaftliche Linie bringen will.

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