Kategorie: Kultur

Der Mann, der Hunde liebte

Eine Novelle ersten Ranges aus der Feder des kubanischen Autors Leonardo Padura über die Zukunft der kubanischen Revolution und das Leben und die Ermordung Trotzkis. Padura erzählt in diesem Buch drei Geschichten, die in einer dramatischen und tragischen Form miteinander verflochten sind. Die erste Geschichte handelt von dem von literarischen Bestrebungen und revolutionärem Idealismus getriebenen Kubaner Iván, der sich jedoch angesichts von Bürokratie und ökonomischer Krise zusehends an einen Abgrund aus Depression und Ernüchterung gedrängt fühlt.




Iván lernt am Strand einen mysteriösen Mann kennen, welcher ihm unter dem Vorwand der Liebe zu Hunden, welche beide bei sich führen, von dem kriminellen Leben des Ramón Mercader del Río erzählt – von seiner Hinwendung zum Stalinismus, seiner ödipalen Beziehung zu seiner Mutter, seinem tristen Leben nach dem Mord an Trotzki und seinen letzten Tagen im postrevolutionären Kuba – das Leben eines von sich selbst entfremdeten, fanatischen Mannes, welcher sich in eine Maschine ohne Namen, ohne Leidenschaft im Dienste Stalins verwandelt hat. Die Novelle erzählt weiters den Kampf Trotzkis gegen den Stalinismus aus seinem Exil in der Türkei, in Frankreich und Norwegen, seinem Aufenthalt in Mexiko und seiner brutalen Ermordung.

Die drei Erzählstränge schildern mit einer ausnahmslos dramatischen Spannung die durch die stalinistische Maschinerie betriebene brutale Vernichtung der Architekten der russischen Revolution, den Genossen Lenins, Trotzkis Familie, jeglichen Mitwirkenden, Millionen von Menschen, welche zum Tode oder zur Verbannung nach Sibirien verurteilt wurden; den Verrat durch den Stalinismus an der spanischen Revolution und der brutalen Entmenschlichung, dem Fanatismus und dem pervertierten Ausverkauf des revolutionären Traumes. Der Autor hatte die Absicht, über „die Perversion der Utopie des 20. Jahrhundert“ und deren Folgen für Kuba zu reflektieren.

Abgesehen vom künstlerischen Wert dieses Buches verdienen auch Paduras politische Überlegungen, die in dieser Arbeit stecken, eine genauere Betrachtung. Der Autor sieht Leo Trotzki mit einer gewissen Sympathie, dabei handelt es sich um die gleiche Sympathie wie bei dem Helden Don Quijote, der unnötigerweise gegen kolossale Windmühlen antritt – Mühlen, die sich von Blut, Menschenkörpern und zerrütteten Träumen ernähren. Für Padura wurde Trotzkis Kampf unfruchtbar, weil die Revolution schon tot war, so tot wie für ihn auch die kubanische Revolution ist. (Iván ist in Wirklichkeit eine Projektion der politischen Demoralisierung des Autors).

Dementsprechend betrachtet der Autor auch mit großer Skepsis, was vielleicht die wesentlichen Lehren von Trotzkis Anschauungen für die kubanische Revolution wären: Die bürokratisch deformierte Revolution müsste durch eine sozialistische Demokratie, die internationale Ausbreitung der Revolution und die Erhaltung der Planwirtschaft gerettet werden. Im Gegensatz dazu lässt Padura Trotzki romanhaft das Gegenteil von dem sagen, was er in Wirklichkeit verteidigt hat. Trotzki wird in Abständen in eine Bauchrednerpuppe verwandelt, welche die politische Meinung des Autors wiedergibt. „Man muss zugeben, dass die UdSSR nicht mehr war als die Vorläuferin eines neuen Systems der Ausbeutung und dass ihre politischen Strukturen zwangsläufig eine neue Diktatur hervorbringen mussten, die allenfalls mit anderer Rhetorik geschmückt wurde.“ Für Padura ist die kubanische Revolution ein Kadaver, der weder regeneriert noch verteidigt werden kann.

Als zusätzliche Frage – ohne seine literarischen Qualitäten zu mindern – hat dieses Werk den Nachteil, dass es fast alle Daten bezüglich Trotzkis Leben aus Isaac Deutschers dreibändiger Trotzki-Biographie (Der bewaffnete Prophet, Der unbewaffnete Prophet, Der verstoßene Prophet) nimmt. Dabei handelt es sich um ein ambivalentes Werk, welches einerseits vielen LeserInnen, u.a. der leider viel zu früh verstorbenen kubanischen Kommunistin Celia Hart, die Ideen Trotzkis nähergebracht hat, aber auch viele historische Verzerrungen reproduziert hat. Deutscher neigte dazu den Antagonismus zwischen Stalin und Trotzki als einen Streit zwischen Persönlichkeiten und nicht als einen Kampf sozialer Kräfte (Bürokratie versus Proletariat) darzustellen. Folglich vertrat er auch die Meinung, die stalinistische Bürokratie würde sich selbst reformieren. In diesem Zusammenhang ist auch Paduras Urteil über das Scheitern der IV. Internationale zu sehen, die er rein daran misst, dass sich lediglich Kleingruppen rund um Trotzki scharten ohne die für zukünftige Generationen enorm wichtigen theoretischen Leistungen bei der Verteidigung des Marxismus zu berücksichtigen.

Trotz dieser politischen Schwächen des Autors ist dieses kunstvolle Werk angesichts seiner enormen literarischen Verdienste absolut empfehlenswert und verdient Aufmerksamkeit. Es ist auch vor dem Hintergrund der Debatten und Polemiken über die Zukunft der kubanischen Revolution zu sehen und zeugt vom wachsenden Interesse an Trotzkis Ideen in den Kreisen, welche die Revolution retten und vertiefen wollen. Wer darüber hinaus das Leben und Werk von Trotzki in authentischer Form studieren möchte, dem seien die „Denkzettel“, laut der jungen Welt „die beste deutschsprachige Sammlung von Trotzki-Texten“ ans Herz gelegt.

Eine weitere Buchrezension von Leonardo Padura: „Ein perfektes Leben“

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