Kategorie: Theorie

Perspektiven des Weltkapitalismus [Teil 5]

In den letzten eineinhalb Jahren standen die Arabische Revolution und die stürmischen Ereignisse in Europa im Mittelpunkt des Interesses. Im Gegensatz dazu schien die Lateinamerikanische Revolution ein langsameres Tempo als bisher eingeschlagen zu haben. Solche Entwicklungen sind unvermeidlich und reflektieren den kombinierten und ungleichen Charakter des Prozesses der Weltrevolution. Doch auch in Lateinamerika gehen wichtige Entwicklungen vor sich, wobei für die kommenden Monate einige entscheidende Ereignisse in Vorbereitung sind.


 

 

 

Lateinamerika

 

Lateinamerika und die Karibik wurden von der weltweiten Rezession von 2008/9 schwer getroffen. Das BIP dieser Staaten sank 2009 um 2,1 Prozent. Am stärksten betroffen waren die Länder, deren Ökonomien eng mit jener der USA verbunden sind (z.B. Mexiko, das einen Einbruch von 6,1% verzeichnete). 2010 erholte sich die Region jedoch relativ schnell wieder mit einem BIP-Wachstum von 5,9 Prozent (6,4 Prozent für die zehn Staaten Südamerikas). Dieses Wirtschaftswachstum ist in den meisten Fällen auf den Zustrom chinesischer Investitionen und den Export von Rohstoffen nach China zurückzuführen. Die Region stellt 25 Prozent aller chinesischen Rohstoffimporte. Allein 2010 investierte China in Lateinamerika einen Betrag, der doppelt so hoch ist wie die Investitionen der vergangenen 20 Jahre. China ist heute das wichtigste Exportziel für Brasilien, Chile und Peru, und das zweitwichtigste für Argentinien, Costa Rica und Kuba. Der wirtschaftliche Erholungsprozess ist also sehr stark abhängig von der Entwicklung in China, und zeigt dementsprechend auch bereits eine erste Verlangsamung (geschätzte 4,4 Prozent für 2011, und prognostizierte 4,1 Prozent für 2012). Ein plötzlicher Einbruch in China in Kombination mit einer Rückkehr der Rezession in den USA und der EU würde die Erholung in der Region abrupt beenden. Das Wirtschaftswachstum war zu einem großen Teil verantwortlich für die Wahl von Dilma Rousseff (PT) in Brasilien und die Wiederwahl von Cristina Kirchner in Argentinien und von Daniel Ortega von der FSLN in Nicaragua. Dies spielte auch eine gewisse Rolle bei der temporären Stabilisierung der Beziehungen zwischen Kolumbien und Venezuela und dem Abkommen zwischen den beiden Staaten, das die Rückkehr von Zelaya nach Honduras ermöglichte. Gleichzeitig sahen wir aber auch die heroische Bewegung der Studierenden in Chile, die monatelang andauerte und an der sich Hunderttausende Studierende aber auch ArbeiterInnen beteiligten und die endgültig den politischen Konsens der Ära nach Pinochet zerstörte.

 

Eine ähnliche Bewegung sahen wir in Kolumbien, und wir stehen am Beginn einer Mobilisierung an den Unis in Brasilien. 2012 werden wir eine wichtige Auseinandersetzung rund um die Wahlen in Mexiko sehen. Andres Manuel Lopez Obrador wurde zum Kandidaten der PRD gekürt. Und in Venezuela finden ebenfalls entscheidende Präsidentschaftswahlen statt.

 

Die Gründung der CELAC

 

Die Gründung der CELAC (Community of Caribbean and Latin American States) hat innerhalb der Arbeiterbewegung und der Jugend in Lateinamerika eine gewisse Erwartungshaltung geschürt. Die CELAC wird als eine Alternative zur Organisation of American States (OAS) gesehen, die unter der Kontrolle des US-Imperialismus steht. Die CELAC hat sich selbst zum Ziel gesteckt, den Integrationsprozess der karibischen und lateinamerikanischen Staaten innerhalb des Rahmens von “Solidarität, Zusammenarbeit, Komplementarität und politischen Abkommen” zu vertiefen. Doch es ist aufgrund des kapitalistischen Charakters dieser Ökonomien und Nationalstaaten, der Heterogenität der Mitgliedsländer und ihrer Regierungen, des reaktionären Charakters der nationalen Bourgeoisie und ihrer unterwürfigen Abhängigkeit vom Imperialismus unmöglich auf diesem Weg entscheidende Fortschritte zu erzielen. Die historische Waffe der nationalen Befreiungsbewegung gegen den Imperialismus ist der Klassenkampf. Unter allen Umständen müssen wir erklären, dass es ohne die Enteignung des Großgrundbesitzes, der Banken und Monopole (sowohl der imperialistischen wie der lateinamerikanischen) und ohne eine harmonische sozialistische und demokratische Planung der immensen natürlichen Ressourcen des Subkontinents durch die arbeitende Bevölkerung keine Möglichkeit zu einer genuinen antiimperialistischen Befreiung Lateinamerikas kommen kann. Unser Slogan bleibt weiterhin der Kampf für die Sozialistische Föderation Lateinamerikas als ersten Schritt zu einer Sozialistischen Föderation der Amerikas, der einzigen Orientierung, die für die unterdrückten und ausgebeuteten Völker einen Ausweg bieten kann.

 

Venezuela

 

Die Bolivarische Revolution steckt in einer Sackgasse. Das Versagen, die Hauptaufgaben der sozialistischen Revolution durchzuführen, hat – so wie wir es vorausgesagt haben – zu einer chaotischen Situation geführt, die gekennzeichnet ist durch wirtschaftliche Stagnation, Inflation, Fabrikschließungen und sinkenden Lebensstandard. Dazu kommt das Gift aus Bürokratie und Korruption. Alles zusammen hat eine gefährliche Situation für das Schicksal der Revolution geschaffen. Die Bolivarische Revolution hätte in mehreren Situationen ohne größeren Widerstand und ohne Bürgerkrieg bereits siegreich zu Ende gebracht werden können. Besonders nach der Niederlage des Putschs von 2002 wäre eine friedliche sozialistische Revolution möglich gewesen. Die konterrevolutionären Kräfte waren demoralisiert und konnten keinen Widerstand leisten. Die Massen waren zu Leben erwacht, sie waren voller Selbstbewusstsein und genossen die Unterstützung entscheidender Sektoren in der Armee. Ein Wort des Präsidenten hätte genügt, um die Aufgabe zu erfüllen. Doch das Wort des Präsidenten blieb aus.

 

Eine Revolution ist ein Kampf lebendiger Kräfte. Trotz all der Fehler und Rückschläge verfügt die Bolivarische Revolution noch immer über große Reserven unter den Massen. Doch diese Reserven werden von der Chavista-Bürokratie gelähmt. Es handelt sich um ein Problem der Führung. Das ständige Schwanken zwischen linken und rechten Positionen und wieder zurück, der Unwillen entscheidende Maßnahmen gegen die konterrevolutionäre Oligarchie zu setzen, bedeuten, dass viele günstige Gelegenheit bereits ungenützt blieben. Das Kräfteverhältnis ist heute um einiges ungünstiger als noch vor ein paar Jahren. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen stellen einen zentralen Wendepunkt dar. Entscheidende Ereignisse werden in den nächsten 12-18 Monaten vorbereitet, die wichtige Folgen für das Schicksal der Venezolanischen Revolution haben werden. Die Enttäuschung unter den Massen könnte sich in einer sehr hohen Wahlenthaltung ausdrücken, was der konterrevolutionären Opposition zum Sieg verhelfen könnte. Doch dieser Ausgang ist auf keinen Fall sicher.

 

Über ein Jahrzehnt lang stellte der enorme revolutionäre Elan der Massen die Lokomotive der Revolution dar. In jedem entscheidenden Moment mobilisierten die ArbeiterInnen und die Bauernschaft für die Revolution. Es ist durchaus möglich, dass die Massen mit dem Heranrücken des Wahltages und angesichts der stärker werdenden Bedrohung durch die Konterrevolution, die im Massenbewusstsein tief verankert ist, einmal mehr mobilisieren werden, um Chávez den Sieg zu ermöglichen. Die Bürokratie ist der wichtigste Verbündete der Konterrevolution und höhlt die Revolution systematisch von innen her aus. Viele dieser Bürokraten haben eine stalinistische Vergangenheit. Das ist die Quelle für ihren Zynismus und ihre pessimistische Sicht auf die Massen. Der typische Bürokrat hat eine arrogante Herangehensweise an die Massen und zeigt eine feige Unterwürfigkeit gegenüber der Bourgeoisie, deren Herrschaft er für normal erachtet.

Außerdem ist es klar, dass jene Teile der kubanischen Bürokratie, die Richtung kapitalistischer Restauration in Kuba gehen, Druck auf Chávez machen, damit dieser die Revolution in Venezuela stoppt und ein Abkommen mit der Bourgeoisie schließt. Diese Elemente haben gänzlich mit dem Sozialismus und dem Kommunismus gebrochen, sie haben kein Interesse an einer sozialistischen Revolution in Venezuela. Alles was sie wollen, ist ein Kuba freundlich gesonnenes bürgerliches Regime in Caracas, das Kuba mit Erdöl versorgt. Doch ihr Handeln wird genau das Gegenteil hervorbringen. Sie bereiten damit den Sturz von Chávez und den Sieg der konterrevolutionären Bourgeoisie vor, deren erster Akt es sein wird, alle Beziehungen zu Kuba abzubrechen.

Es scheint, als würde sich alles gegen die Venezolanische Revolution verschwören, trotz des zweifellos vorhandenen Heldenmuts der Massen. Alle „linken“ Strömungen haben in Venezuela einen kriminellen Standpunkt eingenommen. Die Ex-StalinistInnen in der PSUV spielen ihr übliches konterrevolutionäres Spiel und unterstützen die reformistischen Kräfte in der Parteiführung. Aber sie sind nicht die einzigen Kräfte, die für die ArbeiterInnenklasse ein Hindernis darstellen.

 

Der Gewerkschaftsverband UNT, der über ein enormes revolutionäres Potential verfügte, erlitt durch das unverantwortliche Abenteurertum von Orlando Chirinos und den anderen sogenannten TrotzkistInnen völligen Schiffbruch. Diese Elemente waren Teil der UNT-Führung und weigerten sich irgendetwas zu leisten, das den Kampf für den Sozialismus materiell weiterbringen würde. Sie haben die Bewegung der besetzten Betriebe und für ArbeiterInnenkontrolle nicht ausgeweitet, und mittlerweile organisiert Chirinos Demos gegen Verstaatlichungen.

 

Über mehr als ein Jahrzehnt spielte Chávez die Rolle eines Referenzpunktes für die revolutionären Kräfte. Chávez mag vielleicht die sozialistische Revolution durchführen wollen, aber er hat keine Ahnung, wie er das anstellen soll. Noch dazu ist er umgeben von einer Clique an Bürokraten, Reformisten und noch Schlimmerem. Das ständige Hin- und Herschwanken zwischen linken und rechten Positionen hat die Massen verwirrt und falsch orientiert. Die Menschen werden müde, weil der Prozess schon zu lange andauert.

 

Chávez versucht sich auf unterschiedliche Klassen zu stützen, was zu seinem Hin- und Herschwanken beiträgt. Nach der Wahlniederlage im September 2009 schien es, als würde er tatsächlich die gesamte Ökonomie verstaatlichen. Doch dann begann er erneut zu zögern. Die Sondervollmachten würde es ihm ermöglichen, die Macht zu übernehmen und die Großgrundbesitzer und Kapitalisten zu enteignen. Er müsste dann nur noch an die ArbeiterInnen appellieren, dass sie die Kontrolle über die Fabriken übernehmen, und an die Bauern, dass sie das Land übernehmen. Doch das hat er nicht getan.

 

Die Weigerung den Großgrundbesitz, die Banken und Konzerne zu enteignen, hat zu dem gegenwärtigen Durcheinander geführt. Wir unterstützen alle Verstaatlichungen, aber eine partielle Verstaatlichungspolitik funktioniert nicht; schon gar nicht wenn die Unternehmen dann nicht unter ArbeiterInnenkontrolle im Rahmen eines vernünftigen Produktionsplans für die gesamte Ökonomie verwaltet werden. Solange nicht die Schalthebel der Wirtschaft, einschließlich der Banken, verstaatlicht werden, kann die Wirtschaft nicht geplant werden.

 

Die Politik des Reformismus soll angeblich „praktikabler“ sein, doch in Wirklichkeit erschwert sie das Funktionieren der Ökonomie. Im Endeffekt bekommen wir die Schlimmste aller Welten: Die Nachteile der Marktwirtschaft mit all ihrem Chaos und ihrer Anarchie in Kombination mit all der Korruption und dem Pfusch eines bürokratischen Systems. Das Ergebnis ist ein völliges Chaos. Die Interessen der Bourgeoisie und der Bürokratie nehmen immer die gleiche Form an. Es gibt eine fünfte Kolonne in der Bolivarischen Bewegung, die darauf abzielt die Revolution von innen her zu besiegen. Das bedeutet eine tödliche Bedrohung für die Revolution. Doch eine weit größere Bedrohung geht davon aus, dass die Massen enttäuscht sind und passiv werden.

 

Die Massen sind müde von dem endlosen Gerede über Sozialismus und Revolution, während sich gleichzeitig die Lebensbedingungen verschlechtert. Die Lage wird noch durch Chávez’ Krankheit verkompliziert. Man kann mit der Revolution nicht verstecken spielen. Es ist Zeit eine Entscheidung herbeizuführen. Wenn die Frage nicht auf die eine Weise beantwortet wird, dann wird sie auf die andere Art und Weise entschieden. Die Wahlen im Jahr 2012 werden einen kritischen Punkt darstellen. Die von Enttäuschung geprägte Stimmung unter immer größeren Schichten der Bevölkerung könnte zu Passivität und Wahlenthaltung führen, während die Rechte aus den Rückschlägen der Revolution zusätzliche Energie gewinnt.

 

Es ist unmöglich das Wahlergebnis vorherzusagen, doch der schlussendliche Ausgang der Ereignisse wird nicht an der Wahlurne allein entschieden. Es kann sein, dass Chávez mit knapper Mehrheit gewinnt. In diesem Fall wird die Opposition wahrscheinlich von Wahlbetrug sprechen und ihre UnterstützerInnen auf der Strasse mobilisieren. Das könnte Venezuela in den Bürgerkrieg treiben, wobei nicht sicher ist, ob die konterrevolutionären Kräfte eine solche Auseinandersetzung gewinnen können. Die Schaffung von Volksmilizen wird in der Gleichung einen wichtigen Faktor darstellen. Die Chavistas sind bewaffnet und trotz mangelhafter Ausbildung und Disziplin könnten sie in einem bewaffneten Zusammenstoss mit der Konterrevolution die Oberhand behalten. Das würde der Revolution einen neuen Impuls geben. Auf der anderen Seite, wenn die Opposition mit einer kleinen Mehrheit gewinnen würde, was würde dann passieren? Chávez warnte in einer Reihe von Reden die Opposition, dass er nicht bereit sei die Bolivarische Revolution kampflos aufzugeben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sich weigert das Resultat anzuerkennen. Das würde denselben Effekt haben wie beim oben erwähnten Szenario: Die Angelegenheit würde auf den Strassen entschieden.

 

Kuba

 

Die Zukunft der Kubanischen Revolution hat weitreichende Auswirkungen für ganz Lateinamerika und darüber hinaus. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR hielt Kuba nur 90 Meilen vom mächtigsten imperialistischen Staat entfernt weiter durch. Die Erfolge der staatlichen Planwirtschaft auf den Gebieten des Gesundheits- und Bildungswesens, des sozialen Wohnbaus und der Beschäftigungspolitik standen immer im starken Kontrast zu den Bedingungen in den Nachbarstaaten in Lateinamerika. Außerdem war da noch eine Generation am Leben, die aktiv an der Revolution beteiligt war. In Osteuropa hingegen verglichen die Menschen ihr eigenes Leben mit den Bedingungen in Westeuropa. Die KubanerInnen verglichen sich großteils mit dem Rest von Lateinamerika.

 

Doch jetzt steht ein Fragezeichen über der Zukunft Kubas? Was ist der Klassencharakter des kubanischen Regimes, und wohin geht es? Kuba bleibt ein deformierter Arbeiterstaat. Doch der Zusammenbruch der UdSSR bedeutet, dass die Bürokratie nicht mehr länger über ein mächtiges stalinistisches Vorbild mit Einfluss und ideologischer Autorität verfügt. Viele Menschen auf Kuba denken sehr kritisch, und es gibt leidenschaftliche, offene Debatten über das Scheitern der UdSSR und die Lehren für Kuba. Auf der anderen Seite gibt es einen Sektor in der Bürokratie, der sich voll und ganz der Konterrevolution verschrieben hat und sich in Stellung bringt, um von der Restauration des Kapitalismus profitieren zu können. Der wichtigste Faktor ist allerdings die schwere Wirtschaftskrise auf der Insel. Der Marxismus geht davon aus, dass in letzter Instanz die Überlebensfähigkeit eines sozioökonomischen Systems von seiner Fähigkeit zur Entwicklung der Produktivkräfte bestimmt wird. Solange das System den Menschen ein gutes Gesundheitswesen, Bildung und sichere Jobs zur Verfügung stellen konnte, konnte es sich halten, und die herrschende Partei genoss eine gewisse Legitimation. Aber wenn das nicht mehr der Fall ist, kann es zu sozialen Unruhen kommen, das System wird in Frage gestellt und vor allem in der Jugend machen sich Zynismus und Skepsis breit.

 

Zwei miteinander verwobene Faktoren führten zu dieser Wirtschaftskrise: der Zusammenbruch der UdSSR und die Krise des Weltkapitalismus. Der Zusammenbruch des Ostblocks führte dazu, dass Kuba keine Subventionen mehr erhielt und keine günstigen Handelsbeziehungen mehr hatte. Damit war das Land dem Weltmarkt ausgeliefert.

 

Die Idee vom “Sozialismus in einem Land” ist eine reaktionäre Utopie. Wenn sich die Sowjetunion und China, beides riesige Länder mit enormen menschlichen und materiellen Ressourcen, nicht gegen den Druck des kapitalistischen Weltmarkts verteidigen konnten, wie soll dann eine kleine Insel mit wenigen Ressourcen und einer kleinen Bevölkerung überleben können? Die einzig wirkliche Lösung liegt in der Weltrevolution, der erste Schritt dazu wäre die Ausweitung der Revolution auf Lateinamerika. Kuba ist heute extrem abhängig vom Weltmarkt und dementsprechend schwer betroffen ist das Land von der Krise des Weltkapitalismus. Dienstleistungen repräsentieren 75 Prozent des BIP. Der Export von Gesundheitsleistungen (kubanische ÄrztInnen in Venezuela) ist doppelt so hoch wie die Einnahmen aus dem Tourismus. Daher hat sich die Abhängigkeit der kubanischen Wirtschaft von der UdSSR in eine Abhängigkeit von Venezuela gewandelt.

 

Die weltweite Krise des Kapitalismus führte zu einem Verfall der Preise für Kubas wichtigsten Exportartikel (Nickel), zu einem Rückgang der Überweisungen von KubanerInnen, die in den USA arbeiten, zu einem Einbruch der Einnahmen aus dem Tourismus und zu niedrigeren Direktinvestitionen aus dem Ausland. Drei Wellen von Hurrikans zwischen 2008 und 2009 haben die Lage zusätzlich noch verschärft und verursachten Schäden an der ohnehin schon sehr schlechten Wohnsubstanz in der Höhe von 10 Mrd. US-$.

 

2009 hatte Kuba ein Leistungsbilanzdefizit in der Höhe von 1,5 Mrd. US-$. Kuba konnte seine Schulden 2009/2010 nicht mehr bedienen. Das führte zu einer Herabstufung des Kreditrankings für künftige Kredite, was es noch schwieriger macht Geld zu borgen. Die Belastung auf den Schultern der Bevölkerung nimmt damit weiter zu. Kuba war gezwungen massiv die Lebensmittelimporte zu kürzen und andere Strukturanpassungsprogramme umzusetzen.

 

Ein großer Teil des “Lohns”, den kubanische ArbeiterInnen erhalten, wird nicht in Geld ausbezahlt sondern in Form von Sozialleistungen. Wohnen ist mehr oder weniger kostenlos, der Zugang zum hochqualitativen Gesundheits- und Bildungswesen ist frei, und man zahlt fast nichts für Strom und Telefon. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist nahezu gratis, aber auch sehr mangelhaft. Und auch im Gesundheitssystem erodierten in den vergangenen 20 Jahren die Standards. Kuba hat das höchste Verhältnis von ÄrztInnen zur Gesamtbevölkerung, doch viele von ihnen sind nicht in Kuba. Das Bildungssystem steckt ebenfalls in der Krise. Lehrer verdienen weniger als ein Taxifahrer und entscheiden sich oft dafür den Lehrerberuf aufzugeben. Die Arbeitsproduktivität ist sehr niedrig. Nachdem der Staat keine ausreichenden Löhne oder Subventionen garantieren kann, ist praktisch jeder gezwungen irgendwelchen illegalen oder halblegalen Aktivitäten nachzugehen, um alle Bedürfnisse befriedigen zu können. Die Menschen müssen auf dem Schwarzmarkt versuchen konvertible Pesos zu besorgen. Auf diese Weise hat sich eine Parallelwirtschaft herausgebildet, wo Produkte des täglichen Bedarfs überteuert zu bekommen sind.

 

Schritt für Schritt setzt sich so die Idee durch, dass “privates Unternehmertum” besser sei. Die Planwirtschaft wird so von innen ausgehöhlt. Die Idee, dass der Individualismus zum Fortschritt führt, herrscht immer mehr vor. Mangels ArbeiterInnenkontrolle nehmen Korruption und Bürokratismus zu, was die Planwirtschaft weiter unterminiert. Alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann, dass sich etwas ändern muss. Aber was? Raul Castro sagt: Wir müssen effizienter werden? Es gibt nur zwei Optionen dazu: Entweder eine Rückkehr zur kapitalistischen Marktwirtschaft oder die Errichtung leninistischer Normen einer ArbeiterInnendemokratie.

 

Ein Sektor der Bürokratie steht für eine Rückkehr zum Kapitalismus, auch wenn sie nicht offen über ihre wirklichen Ziele reden können. Sie bezeichnen das chinesische und vietnamesische Modell als “Sozialismus”. Sie sagen, sie wollen den Sozialismus nicht aufgeben, sondern “ihn verbessern”. Aber auf diesem Weg liegt die kapitalistische Restauration. Die ökonomischen Maßnahmen, die bereits unternommen wurden, gehen alle in Richtung einer Wiedereinführung marktwirtschaftlicher Mechanismen. Sukzessive werden die Menschen ins private Kleinunternehmertum gezwungen. All das öffnet die Tore, durch die der kapitalistische Weltmarkt mächtigen Druck erzeugen kann und die kubanische Planwirtschaft zersetzt wird.

 

In letzter Instanz wird das Schicksal Kubas auf der internationalen Ebene entschieden. Die generellen Perspektiven für die Weltrevolution könnten sich für das Überleben Kubas mit einer Planwirtschaft als günstig erweisen, sofern eine leninistische ArbeiterInnendemokratie, die mit der internationalen ArbeiterInnenbewegung verbunden ist, errichtet wird. Aber je länger sich diese Perspektive verzögert, desto stärker werden die prokapitalistischen Kräfte auf Kuba und desto eher könnte der Umschlagspunkt erreicht werden.

 

Für uns liegt der Schlüssel in der Frage der Eigentumsverhältnisse über die Produktionsmittel. Spaltungen in der Bürokratie treten vermehrt auf. Wir müssen einen Weg zu den besten Elementen finden, die bereit sind den Kampf gegen die kapitalistische Restauration zu führen und die staatliche Planwirtschaft zu verteidigen, und die gleichzeitig für ArbeiterInnenkontrolle und die Ausweitung der sozialistischen Revolution auf Lateinamerika als einzigen Ausweg eintreten.

 

Der Sieg der sozialistischen Revolution in Venezuela wäre ein gewaltiger Schritt zur Durchbrechung der Isolation Kubas auf dem kapitalistischen Weltmarkt. Doch die kubanische Bürokratie mit seiner engstirnigen nationalistischen Mentalität sieht nicht, dass die kubanische Revolution ernsthaft bedroht ist, wenn die Revolution in Venezuela nicht zu Ende geführt wird. Indem sie der Venezolanischen Revolution ständig die Zügel anlegt, handelt sie wie ein Mann, der den Ast absägt, auf dem er selber sitzt.

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