US-Großmanöver in der Karibik - eine Warnung an Venezuela und Kuba

Die USA betreiben sorgfältige Vorbereitungen zum Sturz der bolivarischen Revolution. Zu diesen Vorbereitungen gehört auch ein aktuelles Militärmanöver in der Karibik.

 


Die USA betreiben sorgfältige Vorbereitungen zum Sturz der bolivarischen Revolution. Zu diesen Vorbereitungen gehört auch ein aktuelles Militärmanöver in der Karibik.

 

In einer Presseverlautbarung des U.S. Southern Command (Southcom) steht: "Eine U.S. Navy Carrier Strike Group wird von der Ostküste der USA in die Karibik verlegt, um von Anfang April bis Ende Mai 'Operation Partnership of the Americas' durchzuführen". Diese sogenannte 'strike group' besteht aus dem "Flugzeugträger USS George Washington - mit Aircraft an Bord - dem Kreuzer USS Monterey, dem Zerstörer USS Stout und der Fregatte USS Underwood". Das heißt, die amerikanische Navy entsendet 4 Schiffe (eines davon mit 60 Kampfflugzeugen) und insgesamt 6 500 Soldaten, um in den kommenden Wochen ein Großmanöver in der Karibik durchzuführen.

Offizielles Ziel des Manövers ist es, "die Beziehungen mit den Partnernationen in der Region auf militärischer Ebene zu verbessern, die operationale Bereitschaft zu verbessern und den guten Willen zu stärken". Den "guten Willen stärken" - klingt nach einer starken Botschaft an die Adresse Venezuelas und Kubas. Kommandeur des U.S. Southcom ist General Bantz Craddock, ein Mann, der die venezolanische Regierung schon des öfteren verbal attackiert hat. Die Entscheidung, eine Streitmacht von so ungewöhnlicher Größe in die Karibik zu entsenden, fiel zwei Wochen, nachdem General Craddok auf einer Anhörung des US-Senats-Komitees aussagte und dort die venezolanische Regierung als "destabilisierende Kraft" bezeichnete. Dies begründete er mit dem Verhalten der venezolanischen Regierung auf internationaler Ebene sowie mit deren aktuellem Versuch, sich Waffen zu beschaffen, vor allem aus China. "Der Ankauf militärischer Ausrüstung ist kein transparenter Prozess. Es ist ein destabilisierender Faktor in einer Region, in der Nationen gemeinsame Anstrengungen gegen internationale Bedrohungen unternehmen und sich nicht untereinander bekämpfen", so der General und fügt hinzu: "Wir sind nicht vollständig überzeugt, dass derart große und umfassende Einkäufe mit den Belangen der nationalen Verteidigung Venezuelas zu begründen sind".

Auf einer Pressekonferenz in Uruguay im Juni 2005 drückte sich der General noch spezifischer aus: "Ich betrachte Kuba nicht als militärische Bedrohung für die USA, ich betrachte Venezuela nicht als militärische Bedrohung für die USA. Aber ich erkenne hier einen Einfluss in Lateinamerika, der, zumindest potentiell, Instabilität und Unsicherheit erzeugen könnte, denn Kuba ist offensichtlich ein totalitärer Staat, ein kommunistischer Staat, und was Venezuela angeht, so scheinen dort der demokratische Prozess und die (demokratischen) Institutionen in Gefahr". Kaum verhüllt seine Drohung mit militärischer Intervention: "Der militärische Aspekt besteht darin, die Voraussetzungen zu schaffen, dass andere Lösungen - auf wirtschaftlicher, politischer und sozialer Ebene - funktionieren können."

Ein kürzlich veröffentlichtes Dokument ('Strategy for National Security 2006') aus Washington sieht in Venezuela offensichtlich ein Zielobjekt: "In Venezuela hat man es mit einem Demagogen zu tun, der, ausgestattet mit Petrogeldern, die Demokratie unterminiert und versucht, die Region zu destabilisieren."

In diesem Kontext ist auch das aktuelle Militärmanöver der US-Amerikaner in der Region zu sehen - eine Tatsache, die selbst von rechten US-Verteidigungsanalysten eingestanden wird. Zitat aus einem Artikel des Virginia Pilot: "Die Anwesenheit einer US-amerikanischen Trägerschiff-Taskforce in der Karibik wird von den Regierungen Kubas und Venezuelas definitiv als eine Art Signal gewertet werden", so einer dieser Analysten - Loren Thompson vom Lexington Institute (ein Washingtoner Think-Tank auf Seiten der Verteidigung). Thompson fügt hinzu: "Die Tatsache, dass wir es (das Manöver) gerade zu diesem Zeitpunkt durchführen, wird von Castro und Chávez als Zeichen gewertet werden, dass es auf US-amerikanischer Seite einen Plan beziehungsweise eine Initiative gibt, wie auch immer man das nennen mag". ("GW strike group will head south...", Virginian Pilot vom 28. März 2006)

Schon heute besitzt das U.S. Southcom mehrere Militärbasen in Reichweite Venezuelas, zum einen mehrere kleinere sogenannte Cooperative Security Locations, vor der venezolanischen Küste auf Aruba und Curacao sowie in Ecuador (Manta) und El Salvador, zum anderen mehrere größere Basen - in Soto Cano, auf Honduras, Guantanamo/Kuba und an einigen Orten in Kolumbien. Soeben gab Southcom seine neue "theater command strategy" heraus, zum Teil öffentlich nachlesbar. Oberstes Ziel dieser Kommandostrategie: "Energielieferungen aus der Region müssen frei auf internationale Märkte fließen können, sie dürfen nicht Ziel von Aggression sein". Um dieses Security-Ziel zu erreichen, sei es unerlässlich, so das Southern Command, die Fähigkeit "der Sicherheitskräfte der Partnerländer zu verbessern, gefährdete Infrastruktur (der Energieindustrie der Region) zu schützen". Das gilt vor allem mit Blick auf Venezuela - Amerikas drittgrößtem Öllieferanten.

Einige der in der neuen Kommandostrategie formulierten Ziele sind geheim. Nicht so Ziel Nr.6: "Schurkenstaaten müssen davon abgehalten werden, Terrororganisationen zu unterstützen". Da es in Lateinamerika keine "Schurkenstaaten" gibt, ist dies als Anspielung auf Venezuela zu werten. Schließlich beschuldigt Washington Venezuela - ohne jeden Beweis - die kolumbianische FARC-Guerilla zu unterstützen (von General Craddock als "Narko-Terroristen" bezeichnet).

In aller Regel wiegeln die Konzernmedien ab, wenn sie hören, dass Präsident Chávez vor der Gefahr einer US-amerikanischen Militärintervention gegen die bolivarische Revolution in Venezuela warnt. Dabei belegen öffentlich zugängliche Informationen, die Gefahr ist real. Unwahrscheinlich, dass es Washington momentan auf einen echten Krieg mit Venezuela ankommen lassen würde - angesichts Amerikas verfahrener Situation im Irak, ein Krieg, den die USA nicht gewinnen können -, aber Vorbereitungen in diese Richtung laufen ganz sicher. Eine Option für eine militärische Intervention wäre beispielsweise das künstliche Anheizen separatistischer Bestrebungen im venezolanischen Bundesstaat Zulia. Das ölreiche Zulia liegt an der Grenze zu Kolumbien. Einige Lokalpolitiker der Region fordern beflissentlich ein Autonomiereferendum für Zulia. Der Gouverneur des Bundesstaates gehört der Opposition an (in Venezuela gibt es nur noch einen weiteren Bundesstaat mit einem oppositionellen Gouverneur). Man stelle sich folgendes Szenario vor: Zulia erklärt sich einseitig unabhängig und bittet das Ausland um Einmischung, zur Sicherstellung der "demokratischen Rechte". Auf diesem Hintergrund ließe sich ein Einmarsch leichter rechtfertigen - vielleicht könnte ein solcher sogar unter dem Vorwand einer "Peacekeeping"-Mission erfolgen (wie die aktuelle imperialistische Intervention in Haiti).

Leicht dürfte die Sache sicher nicht werden. Chávez weist zurecht darauf hin, dass schon einen Tag nach einer US-Militärintervention gegen Venezuela der gesamte Kontinent in Flammen stünde. Lateinamerika erlebt derzeit einen Linksruck - neue Regierungen, die von den Bürgern als links eingestuft werden, kommen an die Macht, es gibt Massenbewegungen, Generalstreiks und Aufstände.

Die USA sind sehr besorgt über den Einfluss der venezolanischen Revolution auf Lateinamerika. Sie werfen Chávez vor, sich in ausländische Wahlkampagnen einzumischen - in Mexiko oder Peru. Sie haben ihm vorgeworfen, sich in die Dezember-Wahlen in Bolivien eingemischt zu haben, die Evo Morales mit einem Erdrutschsieg gewann. Die Beschuldigung, die venezolanische Regierung würde Kandidaten in anderen Ländern direkt finanziell unterstützen, ist allerdings falsch. Richtig ist, die bolivarische Revolution hat die Massen der Bauern und Arbeiter auf dem gesamten Kontinent und darüber hinaus mit Hoffnung erfüllt. Diese Revolution ist ein Beispiel, dass es möglich ist, sich der von Washington verhängten Politik zu widersetzen.

In den vorangegangenen Jahrzehnten hatte sich in Lateinamerika alles nach demselben Muster abgespielt. Die Mehrheit - Arbeiter und Bauern - stimmte bei Wahlen für eine progressive Regierung. Dann kam es zu einem Militärputsch - dessen Ingenieure in den USA saßen. Auf die Bewegungen Lateinamerikas hatte das alles eine demoralisierende Wirkung. Mit der bolivarischen Revolution hat sich dies geändert. Die Bewegung rang im April 2002 den Militärputsch gegen Chávez nieder, den die USA unterstützt hatten.

Die Wirkung ist jedoch nicht nur in Lateinamerika spürbar, sondern auch hier in den USA, wo Millionen Menschen aus Lateinamerika leben und arbeiten. Viele pflegen die Verbindung zu ihren Herkunftsländern. Im März und April kam es in den Vereinigten Staaten zu Demonstrationen. Hunderttausende lateinamerikanische Immigranten gingen für ihre Rechte auf die Straße. Diese Menschen würden nicht einfach die Hände in den Schoß legen, sollten die USA Venezuela militärisch herausfordern.

Trotzdem betreiben die USA sorgfältige Vorbereitungen zum Sturz der bolivarischen Revolution. Zu diesen Vorbereitungen gehört auch eine Kampagne des gnadenlosen Drucks: Wirtschaftssabotage, die Medien sind einbezogen und die Diplomatie. Das aktuelle Militärmanöver in der Karibik ist Teil dieser Kampagne, soviel steht fest. Auf diesem Hintergrund ist es wichtiger denn je, unsere Anstrengungen als Solidaritätsbewegung zu verdoppeln: Hände weg von Venezuela!

 

 

Jorge Martin, Hands Off Venezuela

[1] http://montevideo.useembassy.gov/usaweb/paginas/431.00EN.shtml
[2] http://www.whitehouse.gov/nsc/nss/html

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