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Gegen „Graccident“ und Kompromisslertum |
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Im Jahr 2014 wollte die Troika die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Doch statt des erhofften Aufschwungs gab es eine neuen Rezession. Unser Autor berichtet über die ökonomische und politische Situation in Griechenland. |
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Im Jahr 2014 wollte die Troika die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Doch statt des erhofften Aufschwungs gab es eine neuen Rezession. Unser Autor berichtet über die ökonomische und politische Situation in Griechenland.
Griechenland befindet sich in der Rezession. Man braucht keine Ökonomin zu sein, um zu verstehen, dass die von den Gläubigern geforderte Steigerung des Primärüberschusses von 0,4 auf 1,5% unter diesen Umständen neue Belastungen erfordern wird. Die Regierung behauptet bis jetzt, diese neuen Maßnahmen würden „sozial gerecht sein“. Doch die Einführung dieser „sozial gerechten“ Maßnahmen, setzt sie die Beibehaltung der alten, sozial ungerechten Maßnahmen (Steuern, Kürzungen usw.) aus den Memoranden voraus. Das heißt auch beim bestmöglich denkbaren Ausgang der Verhandlung mit den Gläubigern wird es demnach dazu kommen, dass die heutige elende Verfassung der breiten Massen arbeitender und armer Menschen sich fortsetzt.
Doch selbst die Stabilisierung der Verelendung auf ihrem jetzigen Niveau scheint utopisch. Dort, wo das Schicksal der griechischen Wirtschaft entschieden wird – in der Eurozone – herrscht die Rezession. Das „quantitative easing“ der EZB verlangsamt und verschleiert diesen Zustand, indem es Kredite verbilligt, aber es senkt keine Schulden, noch kann es die Kapitalisten dazu bewegen, in einen Markt zu investieren, der sich durch Krise und Sparpolitik stark verengt, was allerdings die Hauptargumentation für QE ist.
Der Ausschluss Griechenlands aus dem Programm der EZB zum Aufkauf von Staatsanleihen, die finanzielle Abhängigkeit von den europäischen und internationalen Institutionen, sowie die empfindliche Schwächung der Banken und deren völlige Abhängigkeit von der „Emergency Liquidity Assistance“ (ELA) kommen erschwerend hinzu. Auf diesem wackligen Boden ist jeder nur denkbare „Unfall“ nicht nur jederzeit möglich, sondern unausweichlich: vom Zerfall der großen Unternehmen, Banken und Sozialversicherungen, bis zur teilweisen oder völligen Einstellung staatlicher Zahlungen, der Zahlungsunfähigkeit und dem notwendigen Austritt aus dem Euro. Auf dem Boden des Kapitalismus stellt dieser sogenannte „Graccident“ eine objektive Notwendigkeit dar, die selbst mit erfolgreichen Verhandlungen nicht abgewandt werden kann. Sie wird neue Wellen der Armut und Verelendung bedeuten.
Es ist klar, dass die allgemeine Perspektive des griechischen Kapitalismus düster ist. Die Führung von SYRIZA beantwortet die geduldige Verteidigung eines antikapitalistisch-sozialistischen Programms vonseiten der kommunistischen Strömung mit einem metaphysischen Aphorismus: „Jetzt ist nicht die Zeit für den Sozialismus“. Die Realität beweist das Gegenteil. Der Kapitalismus war noch nie unfähiger, die elementarsten Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen.
Wir erleben eine Orgie des Zynismus vonseiten der Gläubiger. Angesichts der Auswirkungen für das Leben der ArbeiterInnenklasse und der verarmten Menschen in Griechenland ist das rohe Barbarei. Schäuble und seine Bande verhandeln nicht. Sie wollen nicht nur die Niederlage, sondern die Demütigung von SYRIZA, um vor der europäischen ArbeiterInnenklasse ein Exempel zu statuieren, vor allem im Hinblick auf Spanien, wo PODEMOS als „Spaniens SYRIZA“ in den Startlöchern steht.
Die SYRIZA-Führung stützt ihre Verhandlungsstrategie auf eine zentrale Idee: Deutschland und die restlichen „Partner“ fürchten die Auswirkungen eines „Grexit“, also werden sie wenigstens einen Teil des Wahlprogramms akzeptieren. Doch an dieser Stelle geht es nicht mehr um rein ökonomische Fragen. Das Problem erreicht die Sphäre der Politik und, in letzter Instanz, die Ebene des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen im europäischen und globalen Rahmen. Substanzielle Zugeständnisse an die Regierung würden für die europäische Bourgeoisie zu etwas noch gefährlichem als einem „Grexit“ führen. Sie würden das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen auf Dauer verschieben und linke Parteien überall in Europa stärken. Es gäbe nicht mehr ein oder zwei, sondern viele PODEMOS.
Die Regierung erhält von den Gläubigern drei Möglichkeiten: Erstens, mit der Unterstützung der Gläubiger eine nationale Währung herauszugeben. Zweitens, eine neue Vereinbarung zu schließen, auf Basis der härtesten nur denkbaren Austeritäts- und Kürzungsmaßnahmen. Drittens, einfach die Macht abzugeben und sie einer bürgerlichen Memoranden-Regierung zu übergeben. Jede dieser Möglichkeiten führt zu einer Phase des noch gnadenloseren Drucks der Erpresser, die letzten Endes nur der erste Schritt hin zum Austritt aus der Eurozone sein kann.
Der „ehrenhafte Kompromiss“
Die Regierung und SYRIZA-Führung rechtfertigt sich in dieser Situation mit der Theorie vom sogenannten „ehrenhaften Kompromiss“. Diese Theorie besagt, dass am 25. Januar SYRIZA vom Volk den Auftrag bekommen habe, nicht mit den „Partnern“ zu brechen, sondern einen „ehrenhaften Kompromiss zum gegenseitigen Vorteil“ auszuhandeln. Würde man die Millionen SYRIZA-WählerInnen fragen, woran sie sich aus der SYRIZA-Wahlkampagne erinnern, wäre es unwahrscheinlich, dass jemand von einem „ehrenhaften Kompromiss“ spricht. Mit Sicherheit aber würden Dinge wie die Folgenden erwähnt werden: „Vertreibung der Troika“, „Abschaffung der Memoranden“, „Abschaffung der Sparpolitik“.
Das vorgeschlagene Mittel zur Erreichung dieser politischen Zwecke waren die Verhandlung und der Kompromiss. Generell kommen im Klassenkampf ständig notwendige Kompromisse vor, die ein neues Kräfteverhältnis ausdrücken. Diese Kompromisse sind unumgänglich und oftmals notwendig, um Errungenschaften zu stabilisieren. Aber es gibt auch Kompromisse, die Kämpfe verhindern sollen, die mit richtiger Strategie und Taktik zu gewinnen wären. Diese Kompromisse lehnen wir ab. Ein solcher Sabotageakt ist der „ehrenhafte Kompromiss“, dem die Regierung nachjagt. Dieser Kompromiss, so wird argumentiert, soll ohne jede Einbeziehung der Massen, sondern durch Verhandlungen erreicht werden, und wir wissen, wie er aussehen wird: Versöhnung mit den Gläubigern, der herrschenden Klasse und ihrer Politik.
Die Vorbedingung für einen notwendigen Kompromiss ist, dass diejenigen, die unmittelbar am Kampf interessiert sind – die Massen selbst – kämpfen. Wenn der Kampf beendet ist, kann es Verhandlungen und Kompromisse geben, die das neue Kräfteverhältnis stabilisieren. Deshalb schlagen wir vor, einen wirklichen Kampf zu organisieren, dessen hauptsächliches Mittel die Durchsetzung eines sozialistischen Programms ist: Enteignung der Banken und Schlüsselindustrien und ihre Kontrolle durch die ArbeiterInnen selbst.
SYRIZA erhielt am 25. Januar das Mandat für die Erfüllung des politischen Zwecks, den die Partei sich zu eigen gemacht hatte, aber nicht für die Mittel, mit denen er erfüllt werden sollte. Die Führung tut so, als verstünde sie das nicht und argumentiert, das Volk habe nicht für den Zweck, sondern für die Mittel gestimmt. Doch im Gegensatz zu den WählerInnen des 25. Januar haben nur die griechischen Bourgeois Grund, sich einen „ehrenhaften Kompromiss“ zu wünschen.
Wenn die SYRIZA-Führung akzeptiert, dass ihr Mandat darin besteht, ein politisches Ziel zu erreichen, dann muss sie ihre nutzlosen Mittel gegen nützlichere eintauschen. Dann muss sie akzeptieren, dass die Austerität und die Memoranden sich nicht auf dem Verhandlungsweg stürzen lassen, sondern nur durch „einseitige“, radikale Maßnahmen. Warum vollzieht die Führung diese Wende nicht? Aufgrund des politischen Vakuums in der politischen Repräsentation der ArbeiterInnenklasse wurde SYRIZA zur Massenpartei. Doch von Anfang an wollte die Führung keine Kampfpartei schaffen, die fähig gewesen wäre, den Fall der Memorandenkoalition (ND-PASOK) selbst herbeizuführen. Stattdessen hat sie die Partei als Ausbildungsstätte für zukünftige, bürgerliche Staatsfunktionäre benutzt. Die besten Mitglieder, die SYRIZA ab 2012 gewann, empfanden eine gesunde Abneigung vor dem Gift des Karrierismus und der bürokratischen Routine und begannen die Partei schnell wieder zu verlassen.
Die innere Wendung zum Karrierismus wurde verstärkt durch das Eindringen von Parteifunktionären, die mit der Verwaltung des bürgerlichen Staates erfahren waren und sofort in die Führung der Partei gelangten. Durch ihre Erfahrung waren sie für staatliche Stellen prädestiniert. Sie kamen vor allem aus PASOK, aber auch aus anderen bürgerlich-kleinbürgerlichen Milieus.
Der Übernahme der Regierungsgeschäfte verstärkte die Degeneration. Die Führung verließ die Partei , um sich völlig ihren „Aufgaben“ als bürgerliche Regierung zu widmen und vermied es so weit als möglich, in Situationen zu kommen, in der sie der Kritik einfacher Mitglieder ausgesetzt werden könnten. Das ZK hat sich in ein völlig nutzloses Organ verwandelt, das keine substantiellen Diskussionen führt oder Entscheidungen trifft, sondern zum Abnicken der faits accomplis und als Ablassventil für den Frust der Kader dient. Das „realistische“ Streben nach einem Kompromiss vonseiten der Führung hat folgerichtig nichts mit Unschuld oder Naivität zu tun. Die ArbeiterInnen, die Jugend und jedes Mitglied von SYRIZA haben allen Grund, diesem „Realismus“ zu misstrauen, der nur die Stimmungen und die Ängste von FunktionärInnen ausdrückt, die schnell im Sumpf der bürgerlichen Staatsverwaltung versinken. Ihre Feigheit und Verantwortungslosigkeit sind Ausdruck tief verwurzelter politischer Auffassungen: Völlige Abwesenheit von Vertrauen in die historische Rolle der ArbeiterInnenklasse und völlig übertriebenes Vertrauen in die (inexistente) Fähigkeit des Kapitalismus, sich in ein fortschrittliches und demokratisches System zu verwandeln.
Doch auch jetzt bleibt SYRIZA eine Massenpartei, die in ihrem Inneren die Prozesse im Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse reflektiert – aber auch den verstärkten Druck aus dem Lager der Bourgeoisie. Jeder Schritt der Regierung, sich den Erpressungen der Gläubiger zu unterwerfen, wird sich in der Partei widerspiegeln. Die griechischen Bourgeois hatten viele Gründe, den Aufstieg SYRIZAs zur Macht zu fürchten. Nach der Vereidigung der Regierung verstärkten sich diese Ängste noch.
Die ersten drei Wochen der neuen Regierung brachten zehntausende begeisterte Menschen auf die Straßen. Doch nach dem ersten spektakulären Verrat der Regierung mit der Vereinbarung vom 20. Februar leerten sich die Straßen und Plätze. Die Führung wurde in der Partei rasch unbeliebter, was zu Verzögerungen in der Umsetzung der Vereinbarung mit der Troika vom 20. Februar führte . Diese Verzögerungen wiederum haben ständige Nervenzusammenbrüche vonseiten der Bourgeoisie zur Folge.
Von den bürgerlichen Parteien und Führungen kann sich die Bourgeoisie keine Hilfe erwarten. Diese Organisationen befinden sich in einer tiefen und anhaltenden Krise. Ihre Hilfe für die herrschende Klasse wird für den Zeitpunkt vorgesehen, an dem die endgültige Abmachung mit den „Partnern“ stehen und die Regierung Stimmen aus der Opposition brauchen wird, um den zu erwartenden Wegfall der Linken in der SYRIZA-Fraktion auszugleichen. Stattdessen wird Alexis Tsipras von allen Medien aufgerufen, die „Verhandlungen selbst in die Hand zu nehmen“ und „die Partei von ihrem linken Flügel zu säubern“. Die herrschende Klasse Griechenlands will glasklar den Vorsitzenden unserer Partei darauf orientieren, sich schnell der „Schwierigkeiten“ zu entledigen.
Die Entfernung der verhassten Memorandenregierung Samaras-Venizelos und die Wahl einer SYRIZA-Regierung waren Ereignisse, die in der ArbeiterInnenklasse und den verarmten Schichten nach fünf Jahren erstmals eine Stimmung der Hoffnung erzeugten. Die Hoffnung wurde bald zu Begeisterung, als die Regierung ein Image der Standhaftigkeit gegenüber den Erpressungen der Gläubiger projizierte. Am 20. Februar drehte sich der Wind. Der allgemeine Enthusiasmus verschwand plötzlich und machte einer verhaltenen, passiven Unterstützung Platz. Auch die ArbeiterInnenbewegung nahm eine abwartende Haltung ein. Die Streiks befinden sich auf dem niedrigsten Level seit fünf Jahren, obwohl sich im Grunde genommen nichts an der katastrophalen sozialen Situation geändert hat: Die ArbeiterInnen haben der Regierung eine „Probezeit“ gewährt, um die Verhandlungen, die sie versprochen hat, erfolgreich abzuschließen.
Wenn SYRIZA heute einen Plan für den sozialistischen Bruch mit den Erpressern und der griechischen Bourgeoisie vorlegen würde, würden die ArbeiterInnen und die armen Volksschichten seine Durchsetzung begeistert unterstützen. Doch die Führung und die Regierung gehen einen faulen Kompromiss nach dem anderen ein. Die Unterstützung für SYRIZA schwindet jeden Tag mehr. Ohne eine Hebung ihrer Lebensverhältnisse werden die Menschen SYRIZA den Rücken zukehren. Früher oder später wird die ArbeiterInnenbewegung zurückschlagen die sofortige Durchsetzung des Wahlprogramms fordern.Das größte Hindernis, das der Sozialdemokratisierung der Partei im Wege steht, ist die Linke Plattform (Aristeri Platforma: AP), die ein Drittel der Partei kontrolliert und aus der „linken Strömung“ (Aristero Revma: AR) und dem „Roten Netz“ (Kokkino Diktio: KD) besteht. Die AR vertritt Ideen, die sich vom authentischen Marxismus stark unterscheiden und aus dem Ideengebäude des stalinistischen Reformismus kommen: Patriotismus statt Internationalismus und Zusammenarbeit mit der „fortschrittlichen Bourgeoisie“ (die es nicht gibt). Das KD spricht zwar üblicherweise im Namen des revolutionären Marxismus, kritisiert die Ideen der AR jedoch nicht. Aufgrund ihrer Vorstellungen von Klassenzusammenarbeit kritisierte die AP die Zusammenarbeit mit der rechtsextremen ANEL nicht.
Doch wie wir bereits 2013 vorhersagten, hat der erste Bruch in SYRIZA nicht zwischen dem linken und rechten Parteiflügel, sondern innerhalb der rechten Mehrheitsströmung „Linke Einheit“, (Aristeri Enotita: AREN) selbst stattgefunden. Nachdem sich im Juni 2014 der linkere Flügel der AREN, die „Bewegung der 53“ gegründet hatte, um Tsipras' undemokratisches Verhalten anzuprangern, organisierten Kader aus dem allernächsten Umfeld des Vorsitzenden Ende März eine Zusammenkunft unter dem Namen „Vereinte Bewegung“ und veröffentlichten am 5. April ein selbstherrliches Gründungsdokument.
Das drückt vor allem eins aus: Die Unruhe der engen Clique um den Vorsitzenden wegen ihrer sich verschärfenden Isolation in der Partei, und wegen ihrer Unfähigkeit, auch nur das Politbüro zu kontrollieren, in dem von 13 Mitgliedern nur mehr vier (einschließlich des Vorsitzenden) der rechten, führenden Mehrheit angehören, während der neue Sekretär des Organs der „linken“ Strömung in der Mehrheit, der „Bewegung der 53“, angehört. Die am weitesten rechten Elemente in der Führung verstehen, dass es mit diesem Kräfteverhältnis unmöglich ist, die Partei auf den völligen Rückzug einzustimmen, den sie antreten wollen, um den „ehrenhaften Kompromiss“ zu ermöglichen. Sie treten also als innerparteiliche Formation in Erscheinung, die auf Basis des „Vertrauens zum Führer“ Mitglieder zu gewinnen und so das Kräfteverhältnis zu dessen Gunsten zu verschieben vermag. Die Bildung der „Vereinten Bewegung“ um Tsipras ist das unmittelbare politische Echo des Drucks der herrschenden Klasse in der Partei und ihrer Führung. Doch die Gesamtheit der führenden Mehrheit, Rechte wie Linke, ist voll verantwortlich für die Rückzüge der Regierung gegenüber den Erpressungen der Gläubiger. Sie stützen beide die Politik des „ehrenhaften Kompromisses“ und das macht sie verantwortlich für die Schrecken, die auf die ArbeiterInnenklasse und die Linke zukommen, wenn dieser verräterische Kompromiss zustande kommt.
„Rote Linien“
Die Regierung beteuert unablässig, dass sie sich an „rote Linien“ halten wird: Verweigerung jeder Maßnahme, die Löhne oder Renten senkt oder die Steuern für die ärmsten Schichten des Volkes steigert, wie beispielsweise eine Mehrwertsteuererhöhung. Natürlich hat am 25. Januar niemand SYRIZA wegen „roter Linien“ gewählt, sondern für die Abschaffung der Memoranden und das Ende der Sparpolitik. Doch auch diese schüchternen „roten Linien“ sind völlig unvereinbar mit der Wirklichkeit der tiefen Krise des griechischen Kapitalismus und mit der Taktik des gnadenlosen Drucks von den Erpressern.
Die Regierung erkennt, dass auch die „roten Linien“ nicht zu einer Vereinbarung passen. Sie hat gesehen, wie all ihre Vorschläge gescheitert sind. Sie hat die vollständige und andauernde Isolation von allen bürgerlichen Regierungen in Europa erlebt. Sie weiß, dass sie sich nur einen Schritt vor der Zahlungsunfähigkeit und dem Austritt aus dem Euro befindet. Sie hat weder den Willen noch den Plan, den Bruch zugunsten der arbeitenden Menschen durchzuführen. Also versucht die Regierung weiterhin verzweifelt zu einer Vereinbarung zu kommen, während sie gleichzeitig die Möglichkeit einer Flucht vor ihrer politischen Verantwortung durch eine Volksabstimmung abtastet.
Jeden Tag und jede Stunde bezahlt die Regierung für ihre Illusionen und handelt hektischer, hastiger. Ihre Taktik orientiert sich am Zusammenbruch ihrer Strategie. Der Druck von den Gläubigern und der griechischen herrschenden Klasse, den entwürdigenden Rückzug anzutreten und eine Vereinbarung zu unterschreiben, ist riesig und zentriert sich auf die Person des Premierministers als „Schlüsselperson“. Der Druck in die andere Richtung ist viel schwächer. Massenversammlungen mit dem Motto „keinen Schritt zurück“ gibt es nicht mehr, denn die Schritte, die die Regierung zurück gemacht hat, sind schon viele.
Unter diesen Umständen kann die Entscheidung der Regierung von der sofortigen Unterzeichnung einer Vereinbarung bis zur Durchführung einer Volksabstimmung reichen, um die Verantwortung für die Vereinbarung auf die verängstigten Volksmassen abzuwälzen. Wenn in der Zwischenzeit ein „Unfall“ passiert und es zur Zahlungsunfähigkeit kommt, wird sie sich nicht auf die ArbeiterInnenklasse stützen oder radikale Maßnahmen ergreifen, sondern neue Verhandlungen um eine noch entwürdigendere Vereinbarung beginnen oder den Platz für eine bürgerliche Regierung freimachen.
Ein sozialistischer Bruch ist notwendig
Es macht keinen Unterschied, ob ein kapitalistisches Griechenland sich innerhalb oder außerhalb der Eurozone befindet. Das Problem ist der Kapitalismus und nicht die Währung. Der Austritt aus der Eurozone mit Verbleib im Kapitalismus bedeutet die „konzentrierte“ Vernichtung des Lebensstandards innerhalb weniger Monate. Innerhalb der Eurozone würde sie stufenweise durchgeführt. Kapitalistisches Griechenland mit eigener Währung bedeutet, dass die Leiden des Volkes noch um Inflation und Versorgungslücken erweitert werden. Aufgrund der organischen Krise des Kapitalismus würde auch eine Phase erneuten Wirtschaftswachstums die Leiden der ArbeiterInnenklasse und der armen Volksschichten nicht mildern.
Was schlagen wir also vor? Die Führung der Partei muss die Zahlungen an die Gläubiger sofort einstellen. Um das glasklare Mandat des Volkes vom 25. Januar zu erfüllen, muss die Führung von SYRIZA sofort den Gesetzesvorschlag der KKE (der Kommunistischen Partei) über die sofortige Aufhebung der Memoranden und aller Gesetze, die daraus hervorgegangen sind, annehmen und umsetzen. Auf der Basis eines solch radikalen Richtungswechsels muss sie versuchen, die Führung der KKE zur Bildung einer linken Regierung zu bewegen. Sollte sich die Führung der KKE in völligem Gegensatz zum Willen ihrer Basis weigern, muss SYRIZA Neuwahlen ausrufen und das Volk explizit um das Mandat zur Bildung einer linken Regierung zum Bruch mit den Erpressern bitten. Deren erste Amtshandlung wird die sofortige Streichung der Staatsschulden und die damit einhergehende Entwaffnung der Gläubiger sein. Dann muss die linke Regierung alle Maßnahmen aus dem Programm von Thessaloniki umsetzen, die bis jetzt wegen der „Verhandlungen“ auf die lange Bank geschoben wurden. Dazu ist die Sicherung von Geldquellen nötig. Steuern reichen hier nicht aus, Finanzierung aus dem Ausland wird es erst recht nicht geben. Die Maßnahmen von Thessaloniki sind Maßnahmen zur Verteilung des Reichtums. Niemand kann verteilen, was er nicht besitzt oder kontrolliert. Der Reichtum des Landes muss also zu gesellschaftlichem Eigentum werden. Selbstverständlich wird schon die Ankündigung sozialistischer Maßnahmen reichen, um Draghi und Schäuble in Panik zu versetzen und Griechenland aus dem Euroraum zu entfernen. Deshalb ist die Herausgabe einer nationalen Währung durch die Regierung der Linken unumgänglich und notwendig.
Die Führung sagt: Um jeden Preis im Euro bleiben. Wir sagen: Kein Preis, kein Opfer wird ausreichend sein, um Griechenland im Euro zu halten. Die Linke Plattform sagt: Raus aus dem Euro, für einen nationalen Kapitalismus. Wir sagen: Das will Schäuble auch! Das wollen die griechischen Kapitalisten auch! Die einzige Lösung ist der Sturz des Kapitalismus. Es reicht nicht aus, den Euro zu verlassen und lediglich das Finanzsystem unter staatliche Kontrolle zu stellen.
Das Finanzsystem schafft keinen Reichtum und Papierwährungen haben für sich keinen Wert. Ohne die Umsetzung eines sozialistischen Programms kann der Lebensstandard des Volkes nicht gehoben werden. Die Industrie muss verstaatlicht werden, damit die Infrastruktur des Landes wieder aufgebaut die produktive Arbeit auf alle verteilt und so die Arbeitslosigkeit konsequent bekämpft werden kann. Die Verteilung von Nahrungsmitteln und Wohnungen muss demokratisch organisiert werden, denn niemand darf hungern oder auf der Straße landen! Die Menschen brauchen nicht nur den Bruch mit den Erpressern, sondern den Bruch mit dem Kapitalismus: die sozialistische Revolution.
Doch die unmittelbare Perspektive ist: Griechenland kann jeden Tag den Euro verlassen. In diesem Fall wird die Tsipras-Mehrheit unter der Obhut der siegreichen Erpresser vorübergehend eine nationale Währung einführen. Das wird neue Wellen der Verelendung und Armut bedeuten. Es kommt deshalb auf jede Stunde an. Die Partei muss sofort auf einem außerordentlichen, demokratischen Kongress den sozialistischen Bruch mit den Erpressern erörtern und beschließen. Um dieses Ziel zu erreichen, von dem die Zukunft Griechenlands ganz unmittelbar abhängt, ist die kommunistische Strömung in SYRIZA auf Spenden angewiesen.
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