Die Wahlbeteiligung für die kommunalen und nationalen Wahlen am Sonntag den 26. November war sehr hoch, denn es handelt sich um die einzige Möglichkeit der Honduraner, in ihrem Land mitzubestimmen. Unzählige Wähler sind bereits in den frühen Morgenstunden an die Urne gegangen. Zwei große Kandidaten sind sich bei den Wahlen gegenübergetreten: Juan Orlando Hernández (JOH), der aktuelle Präsident und Mitglied der konservativen Partido Nacional und Salvador Nasralla, der Gemeinschaftskandidat der Allianz der Oppositionsparteien, unterstützt einerseits von der linken Partei (Libertad y Refundacíon), die vom vorherigen Präsidenten Manuel „Mel“ Zelaya geführt wird.
Ungültige Wahlen
Betrug ist nichts Neues in Honduras. Schon in den früheren Wahlen, wie 2013 als JOH die Wahlen gewann, wurden seiner Partei unfaire Mittel vorgeworfen: gekaufte Zulassungen, eine nicht aktualisierte Wählerbasis, was ermöglichte, beispielsweise auch Tote „wählten“. Doch trotz des Betrugs, konnte JOH sich durchsetzen. Nun hatte er vier Jahre Zeit zu regieren und sich auf den nächsten Coup vorzubereiten.
Das aktuelle Regime ist direkt aus dem Militärputsch von 2009 entstanden, als es mit bewaffneten Kräften den damaligen Präsidenten Mel Zelaya stürzte. Die honduranische Oligarchie war nicht erfreut über seine immer linkere Orientierung. Der Putsch erlaubte der Partido Nacional schrittweise die honduranischen Institutionen, vom Nationalkongress bis zum obersten Gerichtshof, an sich zu reißen. Dies, zusammen mit der Bestechung der Oppositionsparteien, ermöglichten es, einen Kandidat zur Wiederwahl zu stellen, obwohl die Konstitution eine obligatorische Abwechslung der Präsidenten vorschreibt.
Bis dahin schien alles wie am Schnürchen zu laufen für JOH und er konnte bequem auf die Wiederwahlen zugehen. Honduras wird als eines der gefährlichsten Länder für linke AktivistInnen und JournalistInnen betrachtet, doch die Partido Nacional hat es geschafft die Situation noch zu verschlimmern: Verleumdungskampagnen durch die Hauptkanäle der nationalen Medien, Einschüchterungen der WählerInnen der Oppositionspartei, gezielte Tötungen von GewerkschaftsführerInnen und Bauern, darunter Berta Cáceres. Es schien selbstverständlich, dass die Massen sich für eine Änderung der Umstände einsetzen und sich im grossen Rahmen mobilisieren werden, um wählen zu gehen. Die Partido Nacional hat den Ausgang der Wahlen schon vorausgesehen und nicht gewartet, bis die Resultate ausgezählt wurde.
Üblicherweise wird in Honduras, ein kleines Land mit 8 Millionen Einwohnern, am Ende des Wahlsonntages eine Wahlprognose vom Obersten Wahlgericht publiziert. Dieses Mal war es anders: die Honduraner wurden über den Stand der Auszählung im Ungewissen gelassen. Dies gab der großen Presse, Televicentro, La Tribuna etc., alle politisch ausgerichtet auf JOH, die Möglichkeit ihn als Sieger dieser Wahlen zu küren. Andererseits war der Wahlamtsleiter des obersten Wahlgerichts, David Matamoros, doch genötigt zu verkündigen, dass es, nach dem Auszählen von 57% der Wahlzettel, eine klare Siegestendenz seitens des Oppositionskandidat Salvador Nasralla gibt. Die Anhänger der Oppositionsallianz brachen unverzüglich in Siegesfeiern aus.
Nichtsdestotrotz wird am Mittwoch den 29. November, nachdem das Zählersystem einem Black-Out von mehreren Stunden erlag, angekündigt, dass die Siegestendenz eigentlich in die andere Richtung ginge. Es war nicht mehr der Oppositionskandidat, sondern JOH der sich als Sieger auszeichnete. Dieser offensichtliche Betrug war der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte. Massive Demonstration, Straßenblockaden und Aufstände leiteten den Ausnahmezustand in Honduras ein.
Die Gründe der Mobilisierungen
Hinter den Demonstrationen und Aufständen stehen Entrüstung und eine unglaubliche Wut eines großen Teils der Gesellschaft. Denn die bereits sehr schlechten Lebensbedingungen der Bevölkerung Honduras, verschlechterten sich immer mehr nach dem Putsch von 2009: Preiserhöhungen der Lebensmittel (wofür sie schon quasi all ihre monatlichen Einnahmen ausgeben müssen), Preiserhöhungen für Treibstoff und Elektrizität, eine hohe Arbeitslosenquote, Unterbeschäftigung, tiefe Löhne, eine erbärmliche Gesundheitsversorgung, eine sehr hohe Kriminalitätsrate und so weiter. Gleichzeitig verfügt das Land laut der Weltbank über die größte soziale Ungleichheit ganz Lateinamerikas. Der reaktionäre Schachzug der Regierung im Jahre 2009 trieb zahlreiche Menschen dazu (zwischen 80’000 und 100’000 Personen jedes Jahr), ihre Heimat hinter sich zu lassen und auszuwandern, hauptsächlich in die Vereinigten Staaten. Bis dahin war die Strategie der Regierungspartei, damit das Land nicht in Aufständen ausbricht, eine autoritäre Politik und pompöse Sozialprogramme. Um die Entwicklung des Landes „zu fördern“, schlug die Regierung das Projekt „Honduras 20/20“ vor, welches für die ArbeiterInnen gefährdete Arbeitsplätze und Privatisierungen bedeutete, die wiederum nur der Profitmaximierung multinationaler Konzerne zu Gute kam. Das Regime steht aber auf wackligen Beinen und die Leute würden früher oder später zeigen, dass sie die Nase voll haben.
Seit den Widerständen gegen den Staatsstreich 2009, erlebte Honduras mehrere wichtige soziale Kämpfe. 2015 fanden die letzten großen Aufstände statt, welche die Hinterziehung von hunderten Millionen Dollars der Sozialversicherungskasse (IHSS) für die regierende Partei an den Pranger stellten. Wir können feststellen, dass diese Erfahrungen tief in den Gedächtnissen der DemonstrantInnen festsitzen und ihnen zeigen, dass der Kampf auf der Strasse sich lohnt. Während die Oppositionsallianz damals nur zu einigen Demonstrationen ausrief, organisierte sich ein großer Teil auf halb-spontane Weise durch lokale Organisationen. Wie 2015 war schon damals die grundsätzliche Forderung der DemonstrantInnen der Rücktritt des Präsidenten JOH.
Ausnahmezustand
Am 1. Dezember beschloss das Regime – während dem es den Betrug vollendete – die verfassungsmäßigen Rechte auszusetzen und den Ausnahmezustand zu verhängen, um die Kontrolle über das Land zu bewahren. Dies bedeutet, dass die Menschen sich nicht mehr versammeln, nicht mehr demonstrieren und nicht mal mehr ihr Zuhause verlassen dürfen. Die Demonstrationen haben sich dadurch keinesfalls gemildert, im Gegenteil: Die Menschen haben – den Klängen der Pfannen folgend – nachts die Strassen besetzt. Eine Taktik, die uns an die Situation 2001 in Argentinien erinnert.
Am Sonntag, dem 3. Dezember, fand der größte Protest seit 2009 statt. Damals versuchte der gestürzte Präsident Mel Zelaya nach dem Militärputsch, sich dem Land anzuschließen. Die darauffolgenden Repressalien haben bereits Todesopfer gefordert: Hunderte Verhaftungen, Verwundete und sieben Tote bis zum 4. Dezember. Wieder einmal hat die Repression die Demonstrierenden nur noch mehr zusammengeschweißt, anstatt die Situation zu beruhigen. Die Demonstrierenden versuchten die Polizei dafür zu sensibilisieren, die Repression zu stoppen. Der Druck des Volkes hat es sogar geschafft, dass sich die Einheit „Cobras“ der honduranischen Nationalpolizei von der Regierung distanziert und ihre Vorgesetzten offen denunziert. Sie werfen ihnen „geheime Absprachen“ mit der Regierungspartei vor und rufen die Zwischenoffiziere auf, die Kontrolle über die Institution zu übernehmen. Andere Polizeieinheiten haben sich mit dem Volk verbrüdert und befinden sich in einem Zustand der Revolte. Dies ist bezeichnend für das sehr hohe Niveau, das der Kampf des honduranischen Volkes in wenigen Tagen erreicht hat.
Die Führungen
Das Ziel des Oppositionsbündnisses, bestehend aus der LIBRE-Partei und der sozialdemokratischen Partei PINU-SD, mit ihrem Kandidaten Salvador Nasralla, war es, bei den Wahlen vom 26. November eine Alternative zu JOH vorzuschlagen. Viele Leute der Arbeiterklasse, viele Bäuerinnen und Bauer und städtische Kleinbürger sahen in dieser Kandidatur daher eine Möglichkeit, ihre Ablehnung der Politik von JOH und seiner Partei Ausdruck zu verleihen. Trotz der Tatsache, dass Salvador nicht von der Linken kommt, hält sein Programm immer noch die Forderungen der LIBRE-Partei aufrecht, wie die Wiedergewinnung von privatisierten öffentlichen Unternehmen und die Beendigung der Austeritätspolitik; obwohl die Führung von LIBRE diese Ansprüche in der Vergangenheit nicht bis zum Ende verteidigen konnte.
Es ist unter dem Druck der Öffentlichkeit, dass die Führung gegenüber JOH immer noch eine relativ unflexible Haltung einnimmt. Salvador Nasralla bestand darauf, dass sie die Ergebnisse des Wahlbetrugs nicht anerkennen werden, und forderte die Menschen auf, zu demonstrieren. Natürlich wurden sie vom Regime unter Druck gesetzt, ihre Basen zu beruhigen und einen Dialog zu beginnen. Die Führungen sind sich bewusst, dass die Situation ihnen entgleiten kann. In einem Interview mit Radio Progreso über die Möglichkeit, dass das Gericht den Sieg von JOH erklären könne, sagte Salvador, dass es nicht von ihm, sondern von den Menschen auf der Strasse abhinge. Führende Personen des Bündnisses, selbst Gemäßigte, sprechen von „Bürgerkrieg“, „Aufstand“ und so weiter. Aber sie haben nicht wirklich einen Aktionsplan vorzuschlagen. Fürs Erste halten sie die Forderung nach einer Nachzählung aufrecht und suchen die Unterstützung internationaler Organisationen, der OAS, der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. Aber damit streuen sie nur Sand in die Augen. Wir können nicht denjenigen vertrauen, die den Staatsstreich und den Wahlbetrug von 2013 unterstützt haben. Diese Positionen bringen die Bewegung auf den Holzweg; zu falschen Verhandlungen und zur Kapitulation. Das JOH-Regime hat bewiesen, dass es vor nichts Angst hat, um seine Macht zu bewahren. Um es zu besiegen, ist es notwendig, den Kampf bis zum Ende zu führen und dem honduranischen Volk zu vertrauen, das heute mehr denn je entschlossen ist, zu kämpfen. Salvadors Sieg muss Wirklichkeit werden und nur die mobilisierten Menschen können dies schaffen. In den letzten zehn Jahren hat das honduranische Volk dreimal hart gekämpft und ist gescheitert. Trotz des Mutes und der Entschlossenheit der Basen in allen drei Fällen gaben die Führungen nach und die Mobilisierungen versandeten schließlich.
Der unbegrenzte Generalstreik, das Kampfinstrument zum Sieg
Forderungen nach Generalstreiks werden von den weiter links liegenden Sektoren gestellt. Wir stellen fest, dass diese Sektoren bereit sind, weiter zu gehen. Dennoch stellt die Zerstreuung der Mobilisierungen ein großes Hindernis dar. Die Geschichte der Arbeiterbewegung lehrt uns, dass nur der gemeinsame Kampf der ArbeiterInnen garantieren kann, dass ihre Forderungen erreicht werden. Das ist auch die Lehre des letzten großen Generalstreiks von 1954. Ramón Amaya Amador, ein honduranischer Schriftsteller, sagte in seiner Botschaft an die Streikenden einst folgenden Satz: „Das bedeutet, dass die ArbeiterInnen, damit ihr Wort und ihre Ansprüche erhört werden, nur auf eine Waffe zählen können. Diese aber ist gewaltiger als die thermonuklearen Waffen: die Organisation! Einheit und Organisation!“ (Amaya Amador, 1954). Die Mobilisierungen müssen wieder mit dem Erbe von 1954 in Verbindung gebracht werden. Die nächsten Schritte müssen darin bestehen, sich hinsichtlich eines Generalstreiks besser zu organisieren. Um dies zu tun, brauchen wir in jedem „Colonia“ und „Barrio“ (Quartier) Kampfausschüsse, und eine nationale Koordination. Dies muss der Aktionsplan des Bündnisses sein, um den Sieg zu verteidigen.
Die aktuelle Situation in Honduras erinnert uns an das berühmte Zitat Trotzkis, in dem er sagt, dass die sozialen Bedingungen noch so reif sein können, aber ohne eine revolutionäre Führung, die Revolution nicht gewinnen kann. Die Krise des honduranischen Volkes ist die Krise der revolutionären Führung. Die Aufgabe der bewussten KämpferInnen besteht darin, eine Organisation aufzubauen, die dem honduranischen Volk ein Programm bietet, das die Armut beenden kann. Wir brauchen eine Organisation, die die besten Traditionen des honduranischen Proletariats verkörpern kann und dafür kämpft, dass die ArbeiterInnenbewegung wiederbelebt wird. Ganz im Sinne von Amaya Amadors „Weg im Mai“, also dem Weg des Generalstreiks, dem Weg zum Sozialismus. Die honduranischen ArbeiterInnen haben eine große Verantwortung: Der Ausgang der Kämpfe in Zentralamerika und Mexiko hängen von ihrem Sieg oder ihrem Versagen ab.
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