Kategorie: Theorie

Grundsatzprogramm

Für eine demokratische und sozialistische Gesellschaftsordnung!

Der Kapitalismus ist nicht nur eine ungerechte, sondern auch eine verschwenderische und daher ineffektive Gesellschaftsordnung. Die grundlegenden Eigenschaften des Kapitalismus wie Privateigentum an Produktionsmitteln, Produktion und Investition sind nicht an den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt, sondern an den Profitbedürfnissen der Kapitalbesitzer orientiert. Anstelle von langfristiger Planung herrscht ein chaotisches System, das immer wieder Krisen hervorruft und die zuvor aufgebauten Reichtümer zerstört.



Der Kapitalismus hat den Weltmarkt geschaffen, von dem auch die hintersten Winkel der Erde abhängig sind. Daher dürfen wir dieses System niemals nur vom engen nationalen Horizont aus betrachten. Tatsache ist, dass in den letzten Jahrzehnten unter dem Diktat der multinationalen Konzerne, der imperialistischen Regierungen, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) Lebensstandard und Lebensqualität der Mehrheit der Bevölkerung in den ehemaligen Kolonien Lateinamerikas, Afrikas und Asiens drastisch zurückgegangen sind. In Brasilien, das noch vor 10 Jahren als „Schwellenland“ auf dem Wege zu einer hochentwickelten Industriemacht präsentiert wurde, haben 43 Millionen Menschen ein Monatseinkommen von nicht mehr als 15 US-Dollar. Ein Drittel der Bevölkerung lebt in Slums, sieben Millionen Jugendliche vegetieren als „Straßenkinder“ vor sich hin. In Nicaragua, wo zur Freude der westlichen Kapitalisten eine ihnen genehme Regierung am Ruder ist, sind 70% der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos. Von Menschenrechten und sozialer Verantwortung kann bei solchen Verhältnissen natürlich keine Rede sein. Und jetzt sucht die Armut auch zunehmend die kapitalistischen Industrieländer heim.
Der Kapitalismus führt zu einer immer größeren Konzentration von Reichtum, wirtschaftlicher und politischer Macht in immer weniger Händen. Immer weniger Großkonzerne, Banken, Versicherungen und Handelsunternehmen, die vielfach miteinander verflochten sind, geben national wie international den Ton an und zwingen auch den Regierungen ihre Interessen auf. Ihnen steht die Masse der Lohnabhängigen gegenüber, die nur vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben: neben den „herkömmlichen“ Arbeitern zählen wir hierzu auch die Masse der Angestellten und „kleineren“ Beamten.
Maßgeblich in den großen Konzernen sind natürlich nicht die Klein- und Belegschaftsaktionäre (damit wird einem viel Sand in die Augen gestreut), sondern die einflussreichen Großaktionäre mit ihren riesigen Aktienpaketen.


Die zwölf größten Automobilkonzerne der Welt produzieren heute 85 Prozent aller Fahrzeuge, und die acht größten Chemiekonzerne stellen 50 Prozent aller entsprechenden Produkte her. Die lautstarken Klagen der „mittelständischen“ Automobilzulieferer über die harte Preispolitik machen deutlich, dass zig Tausende Klein- und Mittelbetriebe nur formal unabhängig sind. Diese schon von Marx erkannte Tendenz zur Kapitalkonzentration und Monopolisierung verschärft aber ihrerseits den Konkurrenzkampf zwischen immer weniger großen Konzernen.
Der Kapitalismus ist ein höchst verschwenderisches System. Weit über 50 Millionen Menschen in den Industrieländern und Hunderte von Millionen in den unterentwickelten Ländern sind zum Nichtstun verdammt. Anstatt ihre Arbeitskraft und Talente zur Steigerung des allgemeinen Lebensstandards und zur Bekämpfung von Wohnungsnot, Krankheiten oder Umweltzerstörung einzusetzen, müssen sie von der „Allgemeinheit“ bzw. in vielen Ländern einzig und allein von den Angehörigen unterstützt bzw. „durchgefüttert“ werden.


Der Kapitalismus ist ein fortschritts- und umweltfeindliches System. Die Mehrzahl der Wissenschaftler arbeitet nicht an der Entwicklung umweltfreundlicherer und den Wohlstand hebender Produkte, sondern an der Fortentwicklung und „Verfeinerung“ der Rüstungstechnologie, der Parallelproduktion, Verschleißproduktion, Reklame, Bekämpfung der Konkurrenz etc. Beispiel Pharmaindustrie in Deutschland: Hier sind zwischen 70.000 und 100.000 verschiedene Medikamente unter verschiedenen Namen auf dem Markt, obwohl zur Bekämpfung der bekannten Krankheiten 2.000 bis 3.000 verschiedene Mittel (unverzichtbare Grundelemente) ausreichen würden und die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) davon ausgeht, dass 300 unterschiedliche Mittel zur überlebensnotwendigen Behandlung von Krankheiten ausreichen würden. Ganze Stäbe hochdotierter Wissenschaftler der einzelnen Pharma-Betriebe sind damit beschäftigt, ein und denselben Wirkstoff mit nur unwesentlichen Änderungen für die Wirksamkeit, dafür aber gut klingendem Namen und mit Hilfe eines Reklamefeldzuges auf den Markt zu werfen.
Beispiel Energieversorgung: Obwohl schon vor 100 Jahren bekannt war, dass mit Hilfe der Sonnenenergie selbst in Mitteleuropa ein bedeutender Teil der Energie gewonnen werden kann, verhindert nach wie vor das engstirnige Profitinteresse der Mineralöl- und Atomindustrie die großflächige und rationelle Gewinnung von Energie aus Sonnenstrahlen und anderen erneuerbaren Energiequellen...
Der Kapitalismus hemmt die Privatinitiative, Kompetenz und Leistungsbereitschaft des einzelnen. Lassen wir hierzu Günter Ogger, einen Anhänger des Kapitalismus, zu Wort kommen, dessen Buch „Nieten im Nadelstreifen“ schon zehn Jahre alt ist, aber angesichts der Skandale und Bilanzfälschungen nichts an Aktualität eingebüßt hat.


„Kaum einer der ehrgeizigen Akademiker, die zuhauf die Stabsabteilungen der Konzerne bevölkern, hat jemals eine praktische Erfahrung in den Fabrikhallen gesammelt. Was ihr Unternehmen herstellt und verkauft, das kennen die meisten nur aus den bunten Bildern der Angebotskataloge. Und über die einzelnen Produktionsprozesse oder über die Arbeitsverhältnisse am Fließband haben die Juristen, Betriebs- und Volkswirte nur eine höchst verschwommene Vorstellung.

Wenn die deutsche Wirtschaft bisher noch einigermaßen gut über die Runden kam, dann gewiss nicht wegen unserer überragenden Managertalente. Zu verdanken haben wir dies, wie die McKinsey-Analysen belegen, in erster Linie den exzellent ausgebildeten Facharbeitern, Technikern, Ingenieuren und Kaufleuten auf den unteren Ebenen der betrieblichen Hierarchie. Firmen mit Weltgeltung wie Daimler-Benz, Siemens, Bayer oder Thyssen sind nicht wegen, sondern trotz ihrer Topmanager erfolgreich. Denn die besten Produkte entstehen dort, wo sich die obersten Chefs heraushalten. BMW wurde zum Beispiel erst dann zu einem ernsthaften Konkurrenten von Daimler-Benz, als der langjährige Entwicklungsvorstand Karlheinz Rademacher in die Wüste geschickt wurde und sein Posten aus Mangel an einem geeigneten Nachfolgekandidaten eine Weile unbesetzt blieb. Das war die Chance für ein hauseigenes Talent wie den jungen Entwicklungsingenieur Wolfgang Reitzle, sich mit rundum geglückten Modellentwürfen zu profilieren. Erst die Vakanz an der Spitze setzte jene Energien frei, die die junge Entwicklertruppe um Reitzle zu Höchstleistungen anspornten. Deutschlands Forscher stehen an vorderster Front, doch das risikoscheue Management bringt sie um die Früchte ihrer Arbeit. ‘Einem deutschen Manager ist es egal, ob seine Fabrik Microchips oder Kartoffelchips ausspuckt’, spottete auf der Bürofachmesse CeBIT ein Unternehmensberater, ‘solange sie nur Geld damit verdient’.“


Was der bürgerliche Wirtschaftsjournalist Ogger mit dankenswerter Offenheit auf den Punkt bringt, hat einer der Pioniere des deutschen Sozialismus, August Bebel, schon vor einem Jahrhundert in dem Buch „Die Frau und der Sozialismus“ beschrieben.
„Wie viele Erfinder und Entdecker gehen in der bürgerlichen Welt zugrunde! Wie viele werden ausgenutzt und beiseite geschoben. Sollten Geist und Talent statt des Besitzes an der Spitze der bürgerlichen Gesellschaft stehen, der größte Teil der Unternehmer müsste seinen Arbeitern, Werkmeistern, Technikern, Ingenieuren, Chemikern usw. Platz machen. Dieses sind die Männer, die in neunundneunzig Fällen von hundert die Erfindungen, Entdeckungen und Verbesserungen machten, die dann der Mann mit dem großen Geldbeutel ausnutzt. Wie viele Tausende von Entdeckern und Erfindern zugrunde gegangen sind, weil sie den Mann nicht fanden, der die Mittel zur Ausführung ihrer Entdeckungen und Erfindungen hergab, wie viele Entdecker und Erfinder unter der sozialen Misere des Alltagslebens unterdrückt werden, entzieht sich jeder Berechnung.


Jeder, der im praktischen Leben steht, weiß, wie misstrauisch heute der Arbeiter jede Verbesserung, jede neue Erfindung, die eingeführt wird, aufnimmt. Mit Recht, denn in der Regel hat nicht er den Vorteil, sondern sein Anwender. Er muss fürchten, dass die neue Maschine, die eingeführt wird, ihn als überzählig aufs Pflaster wirft. Und wie manche Verbesserung für den Produktionsprozess, die ein Arbeiter entdeckte, wird nicht eingeführt. Der Arbeiter verschweigt sie, weil er fürchtet, nicht Vorteil, sondern Schaden davon zu haben. Das sind die natürlichen Folgen des Gegensatzes der Interessen.“

 

Sinnvolle Planung ist nötig und möglich

Während die Bürgerlichen in ihrer Propaganda das Wort „Planung“ verpönen, betreiben sie doch innerhalb ihrer eigenen Konzerne eine strikte Planwirtschaft. Die weltweit größten Multis haben einen Umsatz, der den Haushalt vieler kleinerer Industriestaaten dieser Erde weit übertrifft. General Motors und Ford betreiben in zig Ländern Produktionsstätten, die aufeinander abgestimmt sind. Ihre in Europa verkauften Autos bestehen aus Teilen, die in vielen verschiedenen Ländern gefertigt und dann schließlich zusammenmontiert werden. Auch im internationalen Luft-, Bahn- und Postverkehr geht es nicht ohne strikte Planung und Vorgaben.


Allein der Zustand unserer Umwelt setzt die Notwendigkeit einer verbindlichen weltweiten Koordination und Planung zur Verhinderung weiterer Katastrophen und Bekämpfung der Ursachen auf die Tagesordnung.
Die Frage ist also nicht, ob überhaupt geplant werden soll, sondern: wie, in wessen Interesse und unter wessen Kontrolle? Solange der private Profit Maßstab für die Investitionen und Planung eines Konzerns ist und der Konkurrenzkampf national wie international tobt, bleiben die Interessen von Mensch und Umwelt weitgehend auf der Strecke.


Voraussetzung für eine Wirtschaftsordnung, bei der Mensch und Umwelt im Mittelpunkt stehen, ist die Überführung der marktbeherrschenden Großkonzerne, Banken, Versicherungen, Handels- und Transportunternehmen in Gemeineigentum. Nur was man besitzt, kann man letzten Endes auch führen und lenken. Entschädigung sollte nur dann bezahlt werden, wenn die von einer Enteignung Betroffenen ihre soziale Bedürftigkeit nachweisen können.


Natürlich kann es nicht darum gehen, jede kleine Klitsche, Pommes-Bude oder Pizzeria zu verstaatlichen. Mit der Übernahme der größeren Unternehmen (über eine Milliarde DM Jahresumsatz) ist aber weitgehend gewährleistet, dass sich die Kommandozentralen der wirtschaftlichen Macht in Gemeineigentum befinden und das private Kapital nicht mehr durch Erpressung, Kapitalflucht oder Sabotage etwa die Politik einer demokratischen und sozialistischen Regierung unterlaufen kann.


Während in den heutigen Staatsbetrieben im Grunde die gleichen Kommandostrukturen wie in der Privatindustrie (von oben nach unten) herrschen und die Staatsbetriebe dem Diktat, Druck und Würgegriff der privatkapitalistischen Betriebe ausgesetzt sind, muss in einer demokratisch-sozialistischen Wirtschaftsordnung die Kompetenz aller Beschäftigten bei der Planung und Kontrolle der Investitionen und Produktion voll zum Zuge kommen. Für abgehobene „Manager“ mit Jahres-Spitzengehältern bis in Millionenhöhe ist da kein Bedarf mehr. Schon im Kapitalismus haben immer wieder Belegschaften, die zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze den Betrieb besetzten, kurzzeitig die Erfahrung gemacht, dass es ohne die Bosse, ohne die herkömmliche Kommandostruktur möglich ist, mehr und besser zu produzieren und mehr Spaß an der Arbeit zu haben. Wenn in einer demokratischen Planwirtschaft ein Betrieb wesentliche Fortschritte in der Produktion oder Forschung zustande bringt, so kommen diese den Arbeitenden in Form etwa von kürzerer Arbeitszeit oder mehr Lohn zugute. Und eine fortlaufende Verkürzung der Arbeitszeit schafft die Grundlage dafür, dass sich alle weiterbilden und überhaupt erst die Kraft und Zeit haben, um an der Verwaltung und Kontrolle in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft teilzunehmen.
Gleichzeitig werden in einer demokratischen Planwirtschaft Neuerungen nicht mehr aus Angst vor der Konkurrenz zurückgehalten, sondern auch an andere Betriebe weitergegeben, damit sich so das allgemeine Niveau anheben kann. Das dem Kapitalismus eigentümliche verschwenderische Nebeneinander in der Entwicklung und Forschung sowie die Industriespionage und deren kostspielige Bekämpfung werden dadurch völlig überflüssig.


Die Bürgerlichen werfen der Planwirtschaft vor, dass sie an den Bedürfnissen der Konsumenten vorbeiplane. Dabei ist ihr eigenes System nicht in der Lage, elementare und eigentlich recht bescheidene menschliche Bedürfnisse zu befriedigen: menschenwürdigen und preisgünstigen Wohnraum für alle, Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und garantierte Gesundheitsfürsorge für alle, Kindergartenplätze und eine saubere Umwelt.
Auch im Kapitalismus wird für viel Geld Marktforschung und Statistik betrieben, um die Bedürfnisse der Menschen zu erforschen. Allerdings wird heutzutage auch viel darauf verwandt, künstliche Bedürfnisse überhaupt erst zu wecken, um völlig überflüssige Produkte an den Mann und an die Frau zu bringen.
Es ist ohne weiteres möglich, den Bedarf der Menschen an Lebensmitteln, Zahnpasta, Toilettenpapier oder Schuhen zu ermitteln und dementsprechend großzügig zu produzieren. Bei dem heutigen Stand der Mikroelektronik bereitet es durchaus keine Probleme, national und international die konkreten Verbraucherbedürfnisse zu ermitteln und die Produktion aufeinander abzustimmen.

 

Woran scheiterten die östlichen Planwirtschaften?

Die Bürgerlichen haben speziell seit dem Fall der Berliner Mauer nicht aufgehört, den Sozialismus für „tot“ zu erklären. Aber jeder Sozialist muss sich fragen, weshalb die östlichen Planwirtschaften nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht haben. Staatseigentum an Produktionsmitteln ist zwar eine wesentliche Voraussetzung für den Übergang in Richtung Sozialismus, aber eben nicht identisch mit Sozialismus.
Planwirtschaft ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit totalitärer politischer Diktatur; es kann auch demokratisch gehen, ebenso wie es auf der Grundlage des Kapitalismus sowohl eine liberale Demokratie wie auch eine faschistische Diktatur geben kann.


Zunächst einmal krankten die osteuropäischen Volkswirtschaften nicht daran, dass es Staatseigentum an Produktionsmitteln gab. Der Aufstieg der Sowjetunion vom halbfeudalen Staat zu einer modernen Wirtschafts- und Militärmacht trotz zweier verheerender Kriege beweist, was für eine Stärke eine Planwirtschaft trotz Behinderung durch ein totalitäres System entfalten konnte. Die mehr oder weniger in all diesen Ländern eingesetzte Zerschlagung und Privatisierung der Staatsbetriebe hat sich inzwischen sogar als großer historischer Rückschritt erwiesen, der das Lebensniveau der Mehrheit der Bevölkerung senkt.
Das Scheitern der östlichen Planwirtschaften beweist, dass eben staatliche Planung mit reinen totalitären Kommandomethoden und ohne die volle demokratische Kontrolle und Mitwirkung durch die Masse der Bevölkerung auf Dauer nicht funktionieren kann. In einer hochentwickelten Industriegesellschaft mit einer Vielfalt von Millionen verschiedener Produkte ist es schlicht und einfach unmöglich, dass eine zentrale Planungsbehörde in Moskau, Warschau oder anderswo dem hintersten Betrieb bis ins Detail vorschreibt, was er zu produzieren hat.


Die politische Macht lag in diesen Staaten bei einem abgehobenen Führungskader mit Bürokratie, die zwar aus der Planwirtschaft ihre Privilegien bezog, aber aus Angst vor einem Verlust von Einkommen, Macht und Prestige jeden Ansatz kritischen und eigenständigen Denkens und Aufbegehrens durch die arbeitende Bevölkerung bekämpfte. Wie „sozialistisch“ diese Leute wirklich waren, sieht man heute an der Tatsache, dass viele von ihnen binnen kurzer Zeit zu prokapitalistischen Politikern, selbstherrlichen Unternehmern und Mafia-Bonzen geworden sind. Das östliche System krankte an der Starrheit und mangelnden Flexibilität. Rein alles von der Zentrale aus zu planen - dies ist weder möglich, noch wünschenswert, noch notwendig.
In einer echten sozialistischen oder Arbeiterdemokratie müssen im Rahmen einer national wie international erarbeiteten demokratischen Planung auf allen Ebenen Entscheidungsmöglichkeiten bestehen, um flexibel auf neue Erkenntnisse und geänderte Bedürfnisse reagieren zu können. Sobald die Menschen nicht mehr den Großteil ihrer Energie auf entfremdete Arbeit und den alltäglichen Kampf um die Absicherung des Daseins verwenden müssen und die Arbeitszeit fortlaufend verkürzt wird, können Potentiale und Talente, wie sie in jedem Menschen schlummern, überhaupt erst freigesetzt werden. Eine starre Trennung zwischen Kopf- und Handarbeit sowie ein „Delegieren“ der wichtigen politischen Entscheidungen an abgehobene „Berufspolitiker“ wird es dann nicht mehr geben.


Der große alte Mann der SPD (nein, nicht Willy Brandt!), August Bebel, zeigt in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“ anhand des Beispiels des damaligen Österreichs mit rund 22 Millionen Einwohnern auf, wie bei einer rationellen und demokratischen Planung die Arbeitszeit massiv gesenkt werden könnte (Stand 1886!):
Nach diesen Berechnungen, die die Luxusbedürfnisse der Bessersituierten auf die gesamte Bevölkerung bezogen und für jede Familie ein Häuschen mit 150 qm Wohnfläche in Ansatz brachten, hätte auf dem damaligen Stand der Großindustrie eine tägliche Arbeitszeit von zweieinhalb Stunden für die männliche Bevölkerung zwischen 16 und 50 Jahren ausgereicht, um die entsprechenden Güter herzustellen.
Natürlich setzt die Verwirklichung einer solchen Vision voraus, dass sich die Schaltstellen der wirtschaftlichen Macht in Gemeineigentum befinden, das technische und wissenschaftliche Niveau sich ungehindert entwickelt und die Klein- und Kleinstbetriebe ohne Angst vor dem Ruin allmählich zu einer freiwilligen Kooperation übergehen. Im Kapitalismus hingegen werden wir in den nächsten Jahren die Tendenz zur Verlängerung der Arbeitszeit für die Arbeitenden bzw. zur Null-Stunden-Woche für die wachsende Zahl der Arbeitslosen hautnah spüren.

 

Selbstverwaltung und demokratische Planwirtschaft

Auch wenn die Anhänger des Kapitalismus bis hinein in die SPD das hohe Lied der Marktwirtschaft singen: der real existierende Kapitalismus ist den Lebensinteressen der Menschen nicht gerecht geworden und wird dies in den kommenden Jahren für viele noch auf sehr schmerzhafte Weise unter Beweis stellen. Umso mehr muss dies für uns ein Auftrag sein, im allgemeinen wie im konkreten die Überlegenheit einer demokratisch geplanten Wirtschaftsordnung deutlich zu machen. Mit Zahlen, Fakten und Argumenten müssen wir deutlich machen, dass eine sozialistische Demokratie die einzige realistische Antwort auf die Sackgasse des kapitalistischen Profitsystems darstellt.


Muss jede sozialistische Umgestaltung immer so enden wie in Russland? Tatsache ist: die Arbeiterklasse wie die ganze Gesellschaft steht heute auf einem unvergleichlich höheren Niveau technischer Qualifikation und kultureller Entwicklung als in Russland 1917. Sozialismus erfordert nicht Mangel, sondern Hochentwicklung der Produktivkräfte. Die praktische Möglichkeit einer Selbstverwaltung hat daher noch nie eine günstigere Ausgangslage gehabt als heute.

 

Arbeitszeitverkürzung

Von zentraler Bedeutung ist in dieser historischen Epoche die Frage einer radikalen Arbeitszeitverkürzung. Denn dies ist eine Vorbedingung für wirkliche demokratische Arbeiterselbstverwaltung. ArbeitnehmerInnen, die am Tag acht Stunden im Betrieb arbeiten müssen, anschließend Zeit zur Erholung und zum Essen brauchen, haben keine Zeit mehr zur Selbstverwaltung. Die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit beträgt in den entwickelten kapitalistischen Ländern vier Stunden pro Tag. Dies entspricht der notwendigen Arbeitsmenge, um den derzeitigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Der Rest dient der Profitmaximierung der Unternehmen, und angesichts der Massenarbeitslosigkeit ist es ein Verbrechen des kapitalistischen Wirtschaftssystems, die vorhandene Arbeit nicht auf alle Schultern zu verteilen. Die einen gehen an den vielen Überstunden gesundheitlich und menschlich zugrunde, die anderen verkommen in der Dauerarbeitslosigkeit.


Bei einem vierstündigen, d.h. halben Arbeitstag bleibt allen genug Zeit übrig, sich mit den Verwaltungsangelegenheiten aktiv zu beschäftigen. Die geschaffenen Selbstverwaltungsorgane einer sozialistischen Demokratie befinden sich z.B. in Betrieben, im Wohnbereich, in der Gesamtwirtschaft, im Bildungswesen, Transportwesen und im Gesundheitswesen. Die Arbeitszeitverkürzung schafft auch Zeit zum Erwerb neuer Qualifikationen.

 

Kreativität kommt zum Zuge

Die Masse der arbeitenden Menschen, die heute kaum zu Wort kommen darf und deren Kreativität meistens brachliegt, würde sich mit Überzeugung den neuen Aufgaben stellen, wenn sie wirklich über ihr alltägliches Schicksal entscheiden könnte. Entscheidend für eine aktive Beteiligung der Massen sind die politische Machtausübung durch die arbeitende Bevölkerung in einer Rätedemokratie und Freiheit für alle Parteien, die nicht mit Waffengewalt die alte kapitalistische Ordnung wieder herstellen wollen. Nur dann ist gewährleistet, dass die Massen erfahren, dass sie wirklich alle wichtigen Entscheidungen selbst treffen. Alle stalinistischen Verzerrungen in Form eines Monopols bei der Ausübung politischer Macht sind zurückzuweisen. Die Forderung nach demokratischer Planwirtschaft bedeutet allgemein gesagt, dass die arbeitende Bevölkerung selbst über die Verteilung der Wirtschaftsressourcen entscheidet und dass die Planung vor dem Produktionsprozess stattfindet und nicht durch Marktgesetze nachträglich geregelt wird. Es wird darüber diskutiert und entschieden, was, wie und wie viel produziert werden soll. Diese Entscheidungen werden von einem demokratisch gewählten Vertretungsorgan getroffen.
Auch die Komplexität von Ökonomie und Technik lässt sich durch demokratische Planwirtschaft lösen. Gegenteilige Behauptungen versuchen nur, die heutigen undemokratischen Hierarchien, ”Expertentum” und Eliten zu legitimieren. Dabei kommen heute fast täglich neue Enthüllungen über die Inkompetenz der Nieten im Nadelstreifen (sprich: Manager) ans Tageslicht. Die Wirtschaftsziele werden durch demokratische Willensbildung von unten nach oben festgelegt.

Denn Planwirtschaft braucht Demokratie wie der Fisch das Wasser und der Mensch den Sauerstoff. Alle Leitungs- und Entscheidungsgremien in Wirtschaft und Staat werden demokratisch gewählt, d.h. dass die Funktionäre rechenschaftspflichtig sind und jederzeit wähl- und abwählbar sind. Außerdem dürfen sie nicht mehr verdienen als einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn. Diese Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung soll eine Bürokratisierung verhindern.

 

Initiative wird gefördert

Aufgrund der aktiven Teilnahme der arbeitenden Bevölkerung am gesellschaftlichen Leben wird eine schöpferische Initiative des Einzelnen freigesetzt. Dies führt zu neuen gesellschaftlich sinnvollen technischen Erfindungen, die der Umwelt und Gesellschaft zugute kommen. Das heutige technische Potential bietet ungeheure Möglichkeiten, um in Wissenschaft und Forschung umweltschonende Energien und Produktionsformen einzusetzen. Doch in einem Wirtschaftssystem wie dem heutigen, das nur nach der Maxime des Profits funktioniert, ist eine mit dem Menschen im Einklang stehende Produktion nicht möglich. Die Marktgesetze degradieren den Menschen zu einer Ware, die auf dem Markt ihre Käufer sucht.
Bei steigender Lebensqualität und sinkender Arbeitszeit, und wenn die arbeitende Bevölkerung demokratisch am politischen und wirtschaftlichen Geschehen mitwirken kann und Kritik üben und Vorschläge machen kann, wird sich auch die allgemeine Motivation der einzelnen steigern. Ein demokratisch aufgestellter Plan ermittelt die Grundbedürfnisse der Bevölkerung, die ja ihre Bedürfnisse selbst in diesen Plan einbringt. Dieser Plan ist nicht statisch, sondern jederzeit veränderbar. Neuerungen und Schwankungen bei den Verbraucherbedürfnissen werden flexibel umgesetzt. Wenn schon heute täglich für viel Geld Marktforschung für einzelne Betriebe gemacht wird, dann ist es auch keine Schwierigkeit, dies gesamtgesellschaftlich zu organisieren.

 

Kontrolle setzt Besitz voraus

Gemeineigentum und demokratische Planung bilden die Grundlage für die Weiterentwicklung der Produktivkräfte im Sinne von Mensch und Umwelt. Die verschwenderische und chaotische kapitalistische Produktionsweise mit ihren Krisen würde einer harmonischen Entwicklung der Wirtschaft entsprechend den menschlichen Bedürfnissen weichen müssen. Dazu gehört, dass keine sinnlosen, umweltverschmutzenden oder gefährlichen Produkte mehr hergestellt werden. Dazu gehört die sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke und die Unterstützung von alternativen Energieträgern, die heute aus marktwirtschaftlichen Gründen vernachlässigt werden. Außerdem wird das öffentliche Verkehrsnetz flächendeckend ausgebaut, so dass private Autos überflüssig und nutzlos werden. Die Benutzung ist kostenlos. Des weiteren treten wir für eine kostenlose medizinische Versorgung in einem klassenlosen Gesundheitssystem ein. Wir fordern ein garantiertes Mindesteinkommen von 2000 DM netto für alle, öffentliche Kinderbetreuung, ein staatliches Wohnungsbauprogramm, die Einführung der 30 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich als ersten Schritt für weitere radikale Arbeitszeitverkürzung.

 

Utopie?

Diese Forderungen sind nicht ”utopisch”, sie führen aber zu der Frage hin: wer hat in diesem Lande die Macht? Denn Reichtum ist in dieser Gesellschaft genug vorhanden. Die private Aneignung des gesellschaftlich produzierten Reichtums und deren private Verfügung ist das Hauptmerkmal für die kapitalistische Produktionsweise. Dabei kommen nur die privaten Interessen einzelner zur Geltung, unabhängig von den gesamtgesellschaftlichen. Es wäre möglich, allen Menschen die Grundbedürfnisse zu sichern. Niemand müsste mehr hungern, obdachlos oder arbeitslos sein. Nur eine weltweit geplante Wirtschaft kann dies erreichen.

Es wird immer wieder deutlich, dass die kapitalistische Produktionsweise zu einem Hemmnis der weiteren Entwicklung geworden ist. Motiv des kapitalistischen Wirtschaftens ist der kurzfristige Profit, der mit der betriebswirtschaftlichen Rationalität einhergeht. Es ist egal, was produziert wird, Hauptsache, es muss sich auf dem Markt verkaufen lassen. In Anbetracht der riesigen gesellschaftlichen Probleme, die der Kapitalismus nicht lösen kann, ist es heute notwendiger und dringender denn je, für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen. Denn es spricht nicht unbedingt für den Kapitalismus, dass es heute - auf diesem Stand der Produktivkräfte! - noch immer oder wieder Hunger, Seuchen, Obdachlosigkeit und Armut geben muss.

 Redaktion Der Funke

 

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