Als die Jungen Nationalen (JN), die Jugendorganisation der NPD, vor knapp zwei Jahren in Braunschweig Fuß fassten und einen ,,Stützpunkt“ gründeten, gab es zunächst keine sonderlichen Zwischenfälle.
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Sie versuchten sich öffentlich zu inszenieren, jedoch blieb die Aktionsrate relativ gering. Das sollte sich ändern. Nach einiger Zeit hatte die JN einen kleinen, aber aktiven Kreis aus bekannten Faschisten und Nazischlägern gebildet. Ausgehend von der Polarisierung in der Gesellschaft und durch den stetig wachsenden Rassismus im bürgerlichen Lager gestärkt, begannen erste militante Aktionen der JN in Braunschweig, die in den letzten sechs Monaten zu nahmen. Bemerkenswert ist, dass militante Aktionen mindestens den gleichen Stellenwert wie Verteilaktionen oder politische Seminare innerhalb des „faschistischen Stützpunktes“ in Braunschweig einnehmen.
Zu den aktuellen Einschüchterungsversuchen der JN gegenüber Jugendlichen und AntifaschistInnen gehört beispielsweise der Angriff auf einen Schüler des Braunschweiger Gymnasiums Neue Oberschule durch die beiden Faschisten Pierre B. und Lasse R.. Das Opfer erlitt durch Attacken auf dem Schulgelände einen Kieferbruch und musste umgehend im Krankenhaus behandelt werden. Zwei Wochen zuvor wurden Aufkleber der JN am lokalen Falkenhaus angebracht, woraufhin ein Mitarbeiter der Sozialistischen Jugend – Die Falken ihre Entfernung forderte. Der Mitarbeiter wurde daraufhin angegriffen und am Boden zusammengeschlagen. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz. Ein ebenso aktueller Vorfall ist die Bedrohung mehrerer GenossInnen der Partei DIE LINKE, der Linksjugend [‘solid] Braunschweig und eines Passanten. Nach kurzer Zeit verließen die beiden Faschisten das Büro der lokalen Partei DIE Linke und bedrohten und verfolgten einen Passanten. Dieser Vorfall ereignete sich am Mittwoch des 16.03.2016. Einen Tag zuvor versuchten Rechte noch das Gewerkschaftshaus systematisch zu durchsuchen.
Lokale antifaschistische Kräfte organisierten schließlich eine Demonstration für den 19.03.2016 gegen rechte Gewalt. Diese sind nur einige Beispiele von zahlreichen und regelmäßigen Provokationen und Einschüchterungsversuchen seit Monaten gegen MigrantInnen, Linke und Andersdenkende. Nach mehreren schweren Körperverletzungen wurden zwar Ermittlungsverfahren gegen die beiden Hauptverantwortlichen Pierre B. und Lasse R. eingeleitet, allerdings befinden sie sich weiterhin auf freiem Fuß. Nach den aktuellen Vorfällen in dieser Woche ist es höchste Zeit, dass die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erlässt. Das Zögern der Beamten verdeutlicht ihr geringes Interesse an einer Verurteilung der Faschisten.
Auf dem rechten Auge blind
Auf der einen Seite kriminalisiert die Polizei Woche für Woche den antirassistischen Protest gegen BRAGIDA - der Braunschweiger Ableger von PEGIDA. Massive Polizeigewalt, illegale und willkürliche Festnahmen sind der Alltag bei Demonstrationen gegen BRAGIDA, die jeden Montag stattfinden. Nach den Vorfällen am Gymnasium Neuen Oberschule fand jedoch eine der größeren Anti-BRAGIDA Demonstrationen statt. Die Zahl der vorhandenen Polizeibeamten übertraf bei Weitem jene der etwa 300 GegendemonstrantInnen. Außerdem wurde der Sprecher des lokalen Bündnisses gegen Rechts massiv von der Polizei angegangen, nachdem er sich weigerte seine Fotos den Beamten zur Verfügung zu stellen. Anschließend wurde er von mehreren Polizisten zu Boden gedrückt. ,,Die Verfassung gilt hier nicht!“, solche und weitere Aussagen treffen Polizeibeamte regelmäßig gegenüber DemonstrantInnen bei Protesten gegen BRAGIDA. Oftmals handeln einzelne PolizistInnen willkürlich, allerdings ist inzwischen ein einheitliches Muster über die Monate hinweg zu erkennen.
Die „Ansagen von Oben“ der lokalen Spitzen der Gewaltenteilung zielen darauf ab, Antifaschismus und Antirassismus zu kriminalisieren. Auf der anderen Seite aber scheinen die Nazischläger der JN und anderen Gruppen ungehindert durch die Stadt ziehen zu können und weiterhin ihrem menschenverachtenden Weltbild mittels Gewaltaktionen Ausdruck verleihen zu dürfen.
Wie weiter?
Diese Divergenz zeigt: der Staat ist kein Verbündeter im Kampf gegen Rassismus und Faschismus. Zum einen bedarf es eines antifaschistischen Selbstschutzes, der versucht, die Auswirkungen von faschistischen Angriffen zu minimieren. Zum anderen muss der Kampf gegen Rassismus, Faschismus und gegen die rechtspopulistische AfD mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden werden.
Es reicht nicht, jeden Montag auf eine Anti-Nazi Demonstration zu gehen und den Rassismus moralisch zu kritisieren. Der enorme Zulauf der AfD resultiert maßgeblich aus dem Versagen der Partei DIE LINKE. Sie war und ist derzeit nicht in der Lage eine Systemalternative zur bürgerlich-kapitalistischen Ordnung zu bieten und zu skizzieren. Rassismus ist ein Mittel der Herrschenden zur Spaltung der ökonomisch Schwachen. Solange DIE Linke und andere linke Kräfte keine radikalen Sozialforderungen aufstellen und die Alternative zum Kapitalismus, die sozialistische ArbeiterInnendemokratie als Ausweg präsentieren, haben rassistische Kräfte wie die AfD weiterhin die Möglichkeit, selbst mit einem reaktionären Parteiprogramm Teile der Bevölkerung an sich zu binden.
In großen Teilen der Bevölkerung existieren Abstiegsängste und soziale Nöte. Rassistische Kräfte versuchen diese aufzufangen und ein Gefühl zu vermitteln, dass MigrantInnen an jenen Ängsten und Nöten Schuld seien. Dadurch wird der Protest eines Teils der Bevölkerung in reaktionäre Bahnen kanalisiert und die wahren Gründe für die existenziellen Probleme der Bevölkerung verschleiert. Dem müssen wir entgegenwirken und die wirkliche Alternative zum Kapitalismus, den Sozialismus, wieder in den Vordergrund unserer politischen Arbeit rücken lassen. Dann ist es auch möglich, wieder ein Auffangbecken für all jene zu sein, welche keine Alternative der etablierte Politik zum Establishment erkennen. Wenn DIE LINKE aber durch ihren reformistischen Anpassungskurs an bürgerliche Parteien als Teil des Systems wahrgenommen wird und keine Vision einer anderen Gesellschaft präsentieren kann, wird diese Chance billigend vertan und rassistische Parteien können frustrierte Menschen an sich binden.
Daher muss die Systemfrage wieder im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen vor Ort in ArbeiterInnenstrukturen verankerte Kreisverbände, die auf Demos sichtbar sind und sich klar als VertreterInnen einer Systemalternative zum Kapitalismus präsentieren. Das würde den RassistInnen einen Teil ihrer SympathisantInnen abgraben. Mit dieser programmatischen Änderung wäre nicht nur ein wichtiger Schritt gegen Rechts getan, sondern auch das Ziel des Sozialismus würde wieder ein stärkerer Teil der Diskussion werden. Das ist nötig, denn der Reformismus kann die wesentlichen sozialen Probleme nicht lösen. Allein durch ArbeiterInnendemokratie, in der die ArbeiterInnenklasse die Produktionsmittel erobert und die Macht über diese erhält, wird es eine Gesellschaft im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung geben.
Lasst uns weder in Braunschweig noch anderswo unserer politische Arbeit von Faschisten einschränken oder einschüchtern lassen, sondern mit klarer Programmatik den Kampf gegen Rechts auf eine antikapitalistische Ebene stellen. Wir würden nicht nur Nazis ihre Existenzgrundlage entziehen, sondern auch den Sozialismus, als Alternative zum menschenverachtenden Kapitalismus, ein Stück mehr in der Gesellschaft verankern.
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