Bereits im Programmpunkt „Demokratie und Grundwerte“ macht die AfD das vermeintliche Grundproblem aus: „Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien. (...) Es hat sich eine politische Klasse von Berufspolitikern herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt.“ Bereits hier findet sich eine völlig falsche Analyse der Realität. Tatsächlich leben wir in einer Klassengesellschaft, aber diese Grenzen verlaufen nicht zwischen Berufspolitikern und der restlichen Bevölkerung, sondern zwischen Kapitalisten und arbeitenden Menschen, zwischen den Besitzern der großen Unternehmen und Banken und jenen, die dort ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Berufspolitiker operieren nicht im luftleeren Raum, sondern überwiegend als Handlanger der herrschenden Klasse. Die AfD-Führer würden da gerne mitmischen.
Zwischen diesen Klassen steht das Kleinbürgertum – Eigentümer von Kleinbetrieben und Selbstständige. Es bekommt Krisen oftmals frühzeitig zu spüren und kann schnell durch Großunternehmen vom Markt gedrängt werden. So schließen immer mehr Läden, die zu keiner größeren Kette gehören. Angesichts des Onlinehandels ist ein Mithalten auf Dauer unmöglich. Und genau dieses Kleinbürgertum sieht seine Interessen durch CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne nicht vertreten, deren Spitzen sich vor allem an den Interessen des Großkapitals orientieren. Darin liegt ein Grund für den Aufstieg der AfD und anderer Rechtsparteien in Europa und deshalb belegen Kleinunternehmer innerhalb dieser Parteien oft Spitzenpositionen.
Der Programmabschnitt „Schlanker Staat für Freie Bürger“ klingt nicht nur nach FDP-Jargon, sondern deckt sich damit völlig: „Der Staat hat sich verzettelt. Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung.“ Für uns ist offensichtlich, dass der Staat soziale Sicherheit garantieren sollte. Für die AfD allerdings nicht. Der Begriff Sozialstaat kommt im gesamten Grundsatzprogramm nur ein einziges mal vor – und das im Zusammenhang mit der Migrationspolitik.
Eine weitere Forderung im Programm ist die „Eindämmung des Lobbyismus“. Dabei wird aber eines nicht gesagt: Vom Lobbyismus profitiert überwiegend das Großbürgertum. Wenn das Kleinbürgertum dieses in die Schranken weisen will, dann um seine eigenen Interessen geltend zu machen und vielleicht selbst in die Großbürger-Liga aufzusteigen.
Genau das erklärt auch die Ablehnung der EU durch die AfD und ihren Traum von der alten, vor 60 Jahren gegründeten Vorläuferorganisation EWG. EWG und EU waren von Beginn an ein Projekt des europäischen und vor allem des deutschen Großkapitals zur Schaffung eines riesigen Binnenmarktes, auf dem sich kleine Unternehmen noch deutlich schlechter behaupten können. Weil es auf der politischen Ebene der EU keine Mitspracherecht gibt, will das Kleinbürgertum die politischen Kompetenzen wieder an die nationalen Parlamente übertragen. Dies ist allerdings keine Lösung für die Arbeiterklasse. Die Vereinigung Europas bleibt ein notwendiges Ziel, ist jedoch auf kapitalistischer Grundlage unmöglich, weil die Interessen der jeweiligen nationalen Kapitalisten zunehmend auseinander driften. Die Lösung und Alternative zur kapitalistischen EU kann nur in der Schaffung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa liegen. Interessenkonflikte können durch die Überwindung des Kapitalismus ausgeglichen werden.
Aufrüstung und Familienbild
Auch in der Justizpolitik hat die AfD ein reaktionäres Weltbild. Sie fordert eine starke Aufrüstung der Polizei, höhere Strafen bei Attacken auf Amtspersonen, eine Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre und eine Aufhebung des Datenschutzes für Straftäter. Nirgendwo wird die Frage gestellt, warum die Kriminalität zunimmt – außer bei der Migrationspolitik.
Statt Aufrüstung der Polizei ist ein deutlicher Ausbau des Sozialsystems notwendig. Durch eine Steigerung des Lebensstandards für alle könnten viele Straftaten vermieden werden. Doch davon will die AfD nichts wissen. Sie will letztlich einen Polizeistaat, der einen größeren Anteil des Staatshaushaltes verschlingen würde. Im Bereich der Außenpolitik steht die AfD zur NATO und möchte die Bundeswehr stärken, um die Interessen Deutschlands international durchzusetzen. Kein Wort über die imperialistische Außenpolitik Deutschlands, über Auslandseinsätze der Bundeswehr, mit denen Märkte, Rohstoffe und geostrategische Interessen zugunsten des deutschen Kapitals gesichert werden sollen.
In der Familienpolitik beklagt die AfD eine „zunehmende Übernahme der Erziehungsaufgabe durch staatliche Institutionen wie Krippen und Ganztagsschulen“ und eine Untergrabung der Familie. So würden einseitig Frauen im Erwerbsleben geschätzt, „nicht aber Frauen, die nur Mutter und Hausfrau sind.“ Hier fordert die AfD also nichts anderes als die Aufgabe der Erziehung und Hausarbeit wieder verstärkt zulasten der Frau zu verschieben. Da Männer faktisch mehr verdienen, soll die Frau wieder an den Herd gebunden werden, während der Mann wieder zum alleinigen Ernährer der Familie werden soll. Diese AfD-Vorstellung entspricht nicht der Wirklichkeit. Die meisten Familien können sich nicht mehr ernähren, wenn nur noch eine Person Vollzeit arbeitet. Jede zweite Familie hat heute weniger Geld als in den 1990er Jahren. Es fehlen Kindertagesstätten und Ganztagsschulen. Wir brauchen daher einen deutlichen Ausbau dieser Einrichtungen und eine Vergesellschaftung der Hausarbeit durch öffentliche Großkantinen und Wäschereien. Ebenso ist für die soziale Entwicklung der Kinder der Austausch mit fremden Kindern wichtig.
Mit dem traditionellen Familienbild und Partnerbild von Mann und Frau diskriminiert die AfD Menschen, die in anderen Geschlechterkonstellationen leben. Dabei kann niemand nachweisen, dass adoptierte Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren schlechter aufwachsen.
Flüchtlingspolitik
Die gegenwärtige Flüchtlingspolitik bezeichnet die AfD als „unregulierte Masseneinwanderung“. Sie will eine komplette Grenzschließung durch die EU. In Wirklichkeit führt die Europäische Union bereits einen harten Kampf gegen Flüchtlinge, besonders gegen jene, die über das Mittelmeer kommen. Hier lässt man oftmals Menschen ertrinken, obwohl man hätte helfen können. Die EU hat die Türkei als eine Art „Türsteher“ angeheuert, um diese Menschen von Europa fernzuhalten, die nun in türkischen Lagern unter schlimmsten Bedingungen hausen. Und um die spanischen Enklaven in Marokko – Ceuta und Melilla – stehen die höchsten und gefährlichsten Zäune der Erde.
Eigentlich kann man der AfD nur vorwerfen, dass sie die Grausamkeiten fordert, welche heute schon in Europa gang und gäbe sind. Die Schließung von Grenzen ist keine Lösung. Menschen, die vor Elend fliehen, finden immer einen Weg und nehmen unvorstellbare Risiken in Kauf. Wir brauchen legale Fluchtrouten und sollten den Geflüchteten eine berufliche Perspektive und gute Integration bieten.
In der Wirtschaftspolitik wird es richtig absurd. Hier geißelt die AfD im Punkt „Soziale Marktwirtschaft statt Planwirtschaft“ die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) als „planwirtschaftlich“. Darin liege angeblich der Grund für die wirtschaftliche Misere Europas. Weiter meint die AfD: „Zentrale Prinzipien sind Eigentum, Eigenverantwortlichkeit und freie Preisbildung.
Kapitalismus pur
Der Schutz des Privateigentums ist dabei genauso unentbehrlich wie offene Märkte, Vertragsfreiheit und ein freier Wettbewerb.“Die AfD verteidigt hier – wenig überraschend – die Prinzipien der kapitalistischen Wirtschaft und damit aber auch das Grundproblem und den eigentlichen Ursprung der Krise, die fester Bestandteil des Systems ist. Denn es bestehen gigantische Überkapazitäten und Mengen an unverkäuflichen Waren. Der steigende Konkurrenzdruck der Unternehmen wird auf die Gesellschaft, vor allem auf die Arbeiterklasse abgewälzt. Das Problem ist nicht eine nicht existente „Planwirtschaft“, sondern die kapitalistische Marktwirtschaft. Eine demokratische Planwirtschaft, in der Unternehmen, Banken und Versicherungen vergesellschaftet und am Bedarf der Menschen ausgerichtet sind, ist tatsächlich die einzige fortschrittliche Lösung.
Die Forderung nach gesetzlichem Mindestlohn, wenn auch ohne jegliche Angabe zu seiner Höhe, wurde in einer Kampfabstimmung gegen die Vorstandsvorlage durchgesetzt. Allerdings ist es wohl eine Frage der Zeit, bis diese Forderung verschwindet. Kleinunternehmer waren niemals Freunde eines Mindestlohns. Von der versprochenen „Systemalternative“ bleibt also nichts. Die AfD ist allenfalls eine CDU/CSU für Menschen mit weniger Kapital. Sie ist für die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung, Rentner und Erwerbslosen keine Alternative. Statt Rassismus und Rückschritt à la AfD brauchen wir radikale Maßnahmen, um die aktuellen Probleme der Menschen zu lösen.
Dies ist nur machbar, wenn das Kapital entmachtet wird. Der Kapitalismus bleibt aber ein Weltsystem. Deswegen kann eine solche Alternative nicht in nationalistischer Abschottung liegen, sondern in einem proletarischen Internationalismus.
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