In Baden-Württemberg hat die Gewerkschaft IG Metall nach den Ereignissen in Chemnitz gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband Südwestmetall eine Erklärung „Gegen Fremdenhass und Gewalt, für Menschenwürde und Solidarität in Betrieben und Gesellschaft“ veröffentlicht, der sich „für Vielfalt, Solidarität und Menschlichkeit in Betrieben und Gesellschaft einsetzt“.
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Dies klingt oberflächlich schön, ist aber bedenklich, weil es vielen Gewerkschaftsmitgliedern Sand in die Augen streut. Denn die Kapitalisten, die hier vorgeben, konsequent gegen Neonazis und Rassenhass einzutreten, haben in den vergangenen Jahren wesentlich dazu beigetragen, dass ein Nährboden für verschärften Rassismus in der Gesellschaft entstanden ist. In den Chefetagen der Konzerne und Unternehmerverbände knallten die Sektkorken, als die Regierung Schröder mit der Agenda 2010 für prekäre Jobs und Lohndumping Tür und Tor öffnete und dies die Profite der Unternehmen massiv steigerte. Dem Kapital geht es auch jetzt nicht um Menschenwürde im Betrieb, sondern vorrangig um billige, gefügige und ausbeutbare Arbeitskräfte aus Osteuropa (Rumänien, Polen, Bulgarien), aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern. Millionen Menschen kleben in prekären Jobs fest, sind unfreiwillig in schlecht bezahlter Teilzeitarbeit, fürchten Altersarmut und fühlen sich ausgegrenzt. 40 Prozent der Bevölkerung sind heute schlechter gestellt als vor 20 Jahren. Für sie müssen Gewerkschaften Partei ergreifen und ihnen die Perspektive eines gemeinsamen Kampfes gegen die Kapitalistenklasse aufzeigen, damit sie nicht für rassistische Parolen anfällig werden.
Wer aber solche „antirassistischen Flirts“ mit den Kapitalisten eingeht, hat die Lehren von Chemnitz nicht begriffen. Statt auf wirkungslose Papierbündnisse mit Unternehmerverbänden gegen Rassismus sollten die Gewerkschaften im Kampf gegen die extreme Rechte auf eine Klasseneinheit aller arbeitenden Menschen und Internationalismus setzen. Ein zeitlich befristeter Generalstreik gegen den Rechtsradikalismus wäre die stärkste Waffe, um die Kraft der arbeitenden Klasse zu demonstrieren. Zur Vorbereitung ist eine massive Aufklärungskampagne in den Betrieben und bei Betriebs- und Personalversammlungen nötig.
Wichtige Teile des Kapitals setzen derzeit auf eine Exportoffensive und ein „weltoffenes“ Image. Sie sind bislang nicht auf die Dienste der AfD mit ihrem rassistischen, arbeiterfeindlichen und strikt neoliberalen Programm angewiesen. Aber das kann auch rasch ändern. Andere, nicht exportorientierte Kapitalisten stehen schon jetzt der AfD nahe und beeinflussen durch das AfD-Mittelstandsforum und Spenden deren Politik.
Vergessen wir nicht, dass das deutsche Kapital 1933 auf Hitler und die Nazis setzte, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Dies gilt auch für die Vorgänger der in Südwestmetall organisierten Kapitalgruppen. Ein besonders regimenaher Kapitalist war das NSDAP- und SS-Mitglied Ferdinand Porsche, ein Mitbegründer des Wolfsburger VW-Konzerns und später des Stuttgarter Porsche-Konzerns. Er war ab 1939 Wehrwirtschaftsführer und initiierte den oftmals tödlichen Arbeitseinsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern aus Polen, der Sowjetunion, Italien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden bei VW.
Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Faschismus schweigen. Und wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll auch vom Rassismus und von der Beseitigung von Fluchtursachen schweigen.
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