Die beiden Hauptredner, Ulrich Schneider aus Kassel und Ruud Weijdeveld aus Zwolle, wiesen auf das Wiedererstarken rechtsnationalistischer Tendenzen in vielen europäischen Ländern und die weltweit wachsenden Rüstungsausgaben und die damit verbundene Kriegsgefahr hin.
Schneider, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), erinnerte daran, dass das Europaparlament 1993 mit überwältigender Mehrheit eine „Entschließung zum europäischen und internationalen Schutz der Stätten der von den Nationalsozialisten errichteten Konzentrationslager als historische Mahnmale“ verabschiedet habe. Darin wurde u. a. gefordert, „in der Überzeugung, dass den Millionen von Toten aller NS-Konzentrationslager der Respekt der heutigen und künftigen Generationen gebührt, und dass die Erziehung unserer Jugend der Bedeutung ihrer Opfer für die Sache der Freiheit, der Menschenrechte und des Friedens Rechnung tragen muss“ und alle Erscheinungen des Rassismus, des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit entgegengetreten werden müsse. Diese Entschließung wurde im 2018 noch einmal ausdrücklich bestätigt.
Die Realität – so Schneider - sehe in vielen Ländern anders aus. In Deutschland zeige die AfD in den Parlamenten immer wieder, dass Rassismus und Intoleranz zum Kernthema der Partei gehören. Ähnliche Beispiele lassen sich in Ungarn, Italien, der Ukraine und Polen finden. Gerade auch im Vorfeld der Wahlen zum EU-Parlament forderte der Redner eine Abkehr von der Festung Europa. „Europa muss offen bleiben für Menschen, die vor Krieg, politischer oder religiöser Verfolgung, Hunger und Ausbeutung fliehen.“ Er appellierte an die Bundesregierung, die öffentlich verkünde, Fluchtursachen bekämpfen zu wollen, endlich mit dem Verkauf von Militärgütern an Ländern wie der Türkei und Saudi-Arabien einen Riegel vorzuschieben.
Der Historiker Ruud Weijdeveld berichtete im ersten Teil seiner Rede über die Flucht deutscher Antifaschisten zwischen 1933 und 1939 in die Niederlande, die er in seinem Buch „Rode Hulp“ dokumentiert hat. Im zweiten Teil sprach er über die enttäuschten Illusionen vieler Menschen nach dem Ende des Kalten Krieges. Die Hoffnung auf eine Welt des Friedens wurde sehr schnell enttäuscht. In Europa kam es zu Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, heute bestehen bürgerkriegsähnliche Zustände in der Ukraine, im Nahen Osten folgten den beiden Irak-Kriegen die Kriege in Syrien und dem Jemen. US-Präsident Trump, so Weijdeveld, fordere von seinen Bündnispartnern ständig höhere Rüstungsausgaben und versorge die an den Kriegen beteiligten Verbündeten im Nahen Osten mit Rüstungsgütern, um dort lokale Kriege zu führen. Dazu komme, dass weltweit in immer mehr Ländern die demokratischen Rechte abgebaut und diktatorische Präsidenten die Politik ihrer Länder bestimmen würden, u. a. in der Türkei, Brasilien, Ägypten und den Philippinen. Ein Kampf gegen diese Tendenzen könne nur international geführt werden.
Georg Scharnweber aus Leer gab in seiner Rede einen sehr persönlichen Einblick in das Leben seines Vaters Hans Möller, der als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) 1934 verhaftet wurde und mehrere Jahre im KZ Esterwegen verbrachte. Später wurde er nach Bergen-Belsen überführt, danach in die Strafeinheit Dirlewanger gesteckt. Nach dem Ende des Krieges geriet er in sowjetische Gefangenschaft und wurde nach Sibirien deportiert.
Scharnweber beschrieb sehr eindrucksvoll die Folgen des KZ-Aufenthalts: „Bedingt durch die Lebensumstände war Hans mehrfach traumatisiert. So kam es, dass er einen sehr großen Vorrat an Körperpflegemitteln hortete. Seifen, die zudem noch gut rochen, waren vor ihm nicht sicher. Er erzählte mir, dass er im KZ und auch in der Gefangenschaft kaum die Möglichkeit hatte sich richtig zu waschen (‚Maulwurfshände‘). Auch Kleidung, besonders Schuhe, die sehr gepflegt wurden, waren ihm äußerst wichtig wie genaue Zeit, denn jeden Abend vor der Tagesschau um 20 Uhr wurde die Uhr kontrolliert und ggf. neu gestellt. Ganz besonders Wärme war ihm wichtig. Deshalb waren die Räume meistens überheizt. ‚Ich habe mein Leben lang genug gefroren.‘“
Hans Möller war für seinen Sohn ein Vater, der immer sehr ernst war, selten lachen konnte und immer wieder von Albträumen geplagt wurde. Georg Scharnweber hat lange Zeit gebraucht, um das Verhalten seines Vaters zu verstehen: „Erst Jahre nach seinem Tod fielen mir manchmal noch Episoden aus unserer gemeinsamen Zeit ein, auch 40 Jahre nach seinem Ableben, als ich diesen Vortrag vorbereitet habe. Aber ganz egal, wie schwierig es für uns beide auch war, ich bin stolz einen Vater zu haben, der sich von dem Verbrecherregime im Nazideutschland nicht hat brechen lassen.“
Am Ende der Veranstaltung sangen die Anwesenden zusammen mit dem Liedermacher Achim Bigus, der mit Liedern aus dem internationalen antifaschistischen Widerstand das Programm musikalisch umrahmte, das Moorsoldatenlied, strophenweise abwechselnd in deutscher und niederländischer Sprache.
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