Dazu aufgerufen hatte ein Organisationsteam um die Linksjugend [‘solid] Altötting-Mühldorf sowie die Jusos Mühldorf. Dennis Uzon, Kreisrat für DIE LINKE im Mühldorfer Kreistag, leitete die Versammlung. Da in Bayern die Corona-Auflagen im Vergleich zu anderen Bundesländern noch äußerst streng sind, durfte die Kundgebung nur eine Stunde lang sowie mit maximal 50 Teilnehmern stattfinden. Es kamen jedoch dreimal so viele. Diese Zahl mag auf dem ersten Blick niedrig erscheinen. Doch Waldkraiburg gilt als Hochburg der rassistischen AfD in Oberbayern und das schlechte Wetter sowie die Corona-Pandemie erschwerten die Bedingungen für die Durchführung einer antirassistischen Demonstration enorm.
Dennis Uzon hielt für die Linksjugend die Eröffnungsrede. Er forderte die lückenlose Aufklärung der jüngsten rassistisch motivierten Anschlagsserie in Waldkraiburg, bei der die Außenscheiben von türkischen sowie kurdischen Geschäften eingeschlagen wurden und ein Früchtemarkt Ziel eines Brandanschlags wurde. Durch die dabei entstandenen Rauchgase wurden sechs Personen verletzt, die in umliegende Krankenhäuser gebracht werden mussten.
Der mutmaßliche Täter flog bei einer Fahrkartenkontrolle auf, da er auf einer Zugfahrt nach Waldkraiburg keine Bahnkarte vorzeigen konnte. Diese „wenig kriminelle Energie“, wie Uzon betonte, lässt in der Kombination mit zwei weiteren Tätern, die laut Augenzeugenberichten beteiligt waren, den Schluss zu, dass die rassistische Anschlagsserie alles andere als aufgeklärt ist. Deshalb gelte es mit Hilfe der Demo „Druck auf die ermittelnden Behörden“ zu machen, so Dennis Uzon.
Der Tatverdächtigte wurde offiziell als Islamist dargestellt, der vergeblich versucht habe, einen Draht zu der Terrormiliz „IS“ herzustellen. Er habe nach seiner Festnahme angegeben, aus „Hass gegen Türken“ die Anschläge verübt zu haben. Seine Festnahme hatte der Bürgermeister der Stadt Waldkraiburg mit folgenden Worten kommentiert: „Ich bin froh, dass es in unserer Stadt keinen Rassismus gibt und die Taten einen anderen Hintergrund haben“. Dem setzte Uzon bei seiner Rede scharf entgegen: „Als ich das gehört habe, fragte ich mich, ob er überhaupt weiß, in welcher Stadt er Bürgermeister ist“. Ebenfalls verwies Dennis auf die zweistelligen Wahlerfolge der AfD in Waldkraiburg: bei den Bundes- und Landtagswahlen 2017 bzw. 2018 hatte die Rechtspartei in der Stadt jeweils 20%, bei den Kommunalwahlen 2020 rund 10% geholt. Sie war bei allen Wahlen mit einem offen rassistischen Programm angetreten.
Außerdem forderte der Linken-Kreisrat die Beendigung der völlig überzogenen Polizeieinsätze an der Flüchtlingsunterkunft in Waldkraiburg, deren Bewohner seit Jahren besonders stark von rassistischer Polizeigewalt betroffen sind. Dem schloss sich die Rede eines Bewohners der Flüchtlingsunterkunft an. Er berichtete über „diskriminierende Erfahrungen und unfaire Behandlung“ und appellierte an die Teilnehmer der Kundgebung, unabhängig von Aussehen, Hautfarbe oder Kultur für Solidarität, Frieden und Antirassismus zusammenzustehen.
Max Brym (Der Funke München) griff dies auf und begrüßte, dass sich in den USA auch sehr viele weiße Menschen und gesellschaftliche Gruppen den landesweiten Massenprotesten gegen den rassistischen Mord an George Floyd und Polizeigewalt angeschlossen haben. Im Zusammenhang mit den aktuell 40 Millionen Arbeitslosen in den USA sowie der anhaltenden kapitalistischen Krise diagnostizierte er eine „vorrevolutionäre Situation“, die zu einer „permanenten Revolution“ führen werde. Nun sei geboten, dass die arbeitende Bevölkerung einen landesweiten Generalstreik initiiere und sich der antirassistischen Protestbewegung anschließe, um das Ende der Herrschaft der Kapitalistenklasse zu manifestieren.
Brym und Uzon führten in ihren Reden auf, weswegen der Kapitalismus zu Rassismus führe und überwinden gehöre: Die kapitalistische Wirtschaftsordnung und Klassenherrschaft beruhe auf der Spaltung zwischen arbeitenden Menschen und auch gesellschaftlichen Gruppen. Dieses System könne niemals soziale Gerechtigkeit und Frieden in der Bevölkerung herstellen, sondern produziere Hass, Ausgrenzung und letztendlich Rassismus. „Wer vom Rassismus redet, darf zum Kapitalismus nicht schweigen“, so die beiden Redner.
Zur Bekräftigung ihrer Reden hatte die Basisgruppe Altötting-Mühldorf der Linksjugend [‘solid] Altötting-Mühldorf ein Transparent mit der Aufschrift „Rassismus bekämpfen heißt Kapitalismus überwinden“ angefertigt. Die Kundgebung fand unter den Anwesenden eine große, positive Resonanz. Mit insgesamt acht Teilnehmern aus dem Chemiedreieck sowie aus München war Der Funke gut vertreten.
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