Die Vorzeichen dessen, was sich am 7. November in Leipzig abspielte, sind bereits einen Tag zuvor in der Stadt zu erkennen gewesen. Rund um die Innenstadt verteilt, warteten die als „Hamburger Gitter“ unrühmlich bekannten Polizeiabsperrungen auf ihren Einsatz.
|
Nach einigem juristischen Hin und Her sowie dem gescheiterten Versuch der Stadt, die Demo dezentral bei der Neuen Messe laufen zu lassen, beschied das Oberverwaltungsgericht schließlich: die „Querdenker“ dürfen im Zentrum marschieren! Oberbürgermeister Jung (SPD) witterte die Kapitulation des Staats.
Eine Mischung aus Corona-Leugnern, Esoterikern, alternativen Medizinern, grundsätzlich Verzweifelten und Neonazis aus ganz Deutschland traf sich unbehelligt inmitten der sonst so jung und hip erscheinenden Universitätsstadt und gab sich reaktionären Erzählungen von Endzeitszenarien und Neuer Weltordnung hin – insgesamt ca. 20.000 von ihnen. Unter ihnen auch Größen der Verschwörungstheorie-Szene, wie der vegane Kochbuchautor Attila Hildmann, der sich durch seine Vorliebe zu schwarz-weiß-rotem Tuch in der Vergangenheit Spitznamen wie „Avocadolf“ oder „Gemüse-Goebbels“ einhandelte. Masken und Mindestabstand waren in der Truppe der selbsternannten Umstürzler, die das Erbe der „Friedlichen Revolution“ von 1989 antreten wollten, eher Ausnahme als Regel.
Um zu gewährleisten, dass die Stadt den Tag übersteht, entsandte die Staatsmacht ungefähr 2.700 Einsatzkräfte aus dem gesamten Bundesgebiet nach Leipzig. Verglichen mit anderen Demonstrationen derselben Größenordnung erscheint diese Zahl doch eher mickrig. Dass die unheimliche Prozession schließlich doch nicht den gesamten Innenstadtring abschreiten durfte, ist in erster Linie jenen Antifaschistinnen und Antifaschisten zu verdanken, welche kurzerhand den Roßplatz besetzten und hier eine eigene Versammlung auf der Route der „Querdenker“ anmeldeten. Währenddessen ließ sich die Polizei zwischenzeitlich von rechten Hooligans zurückdrängen und mit Feuerwerkskörpern beschießen. Der Einsatz von Wasserwerfern wurde als unverhältnismäßig abgelehnt. Man stelle sich nur einmal vor, was bei ähnlichen Vorfällen in einer linken Demonstration geschehen wäre. Es hätte sicher nicht lange gedauert, bis der erforderliche Befehl zur gewaltsamen Auflösung gegeben worden wäre.
Während auch Solidaritätsbekundungen seitens Polizeibeamter mit den „Querdenkern“ dokumentiert sind, jagten Nazis Linke durch die Stadt und wären am liebsten Teilnehmern der Blockade am Roßplatz mit Messern zu Leibe gerückt. Unterdessen ziehen es einige bürgerliche Medien, wie die „Tagesthemen“, vor, ihre Berichterstattung zum 7. November mit den Ausschreitungen in Connewitz zu beginnen – jenem Stadtteil, der vom bürgerlichen Spektrum seit Jahrzehnten als Feindesland inszeniert wird. Was sind schon einige in ihrer körperlichen Unversehrtheit bedrohte Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen brennenden Müll? Diese Prioritätensetzung spricht eine eindeutige Sprache.
Vor dem Hintergrund der Geschehnisse des Samstags von einem Rückzug der Staatsmacht zu sprechen, wie es Teile der Sozialdemokratie, wie auch der Linkspartei nun tun, ist reine Augenwischerei. Der einzige Weg, faschistische Tendenzen in der Gesellschaft zu bekämpfen, führt über eine selbstorganisierte arbeitende Klasse und ihre kämpferische Jugend, die es sich nicht leisten können, auf Lippenbekenntnisse des bürgerlichen Staates zu setzen, der mit den Hetzern gemeinsame Sache macht. Die DGB-Gewerkschaften haben eine Chance verstreichen lassen, ihr Mobilisierungspotential sinnvoll unter Beweis zu stellen. Stattdessen setzt die IG Metall in der Novemberausgabe ihrer Mitgliederzeitung unter der Schlagzeile „Zukunft oder Widerstand“ widersprüchliche Zeichen und kuscht vor einer Tatsache: Unsere Zukunft liegt im Widerstand!
|