Auf der ersten Kundgebung waren nur nationalistische Töne zu hören und auch Jürgen Elsässer samt AfD waren willkommen. Begründung: „Uns interessiert nicht mehr der Gegensatz links, rechts, wir sind alle Menschen und Friedensfreunde“. Neben Jürgen Todenhöfer sprach dort der ehemalige Bundestagsabgeordnete von der LINKEN – Dieter Dehm. Angegriffen wurde nur die USA, aber natürlich nicht das deutsche Kapital. Ebenfalls glimpflich kam Putin weg, wohingegen Selenskyj kritisiert wurde. In diesem Milieu wilder Querfrontideologen und Propagandisten wie dem Ex-Linken Elsässer, gab es natürlich kein Wort vom notwendigen Klassenkampf, keine internationalistische Parole – ergo Nationalismus pur.
Der Pazifismus auf dem Marienplatz hingegen war hilflos. Es bringt nichts laufend von Verhandlungen zu sprechen, ohne zu berücksichtigen, dass gegenwärtig keiner der imperialistischen Rivalen verhandeln will. Realistischer ist da der Anspruch mittels entschiedenen Klassenkampfes, die herrschenden Klassen in den imperialistischen Staaten zu stürzen und das kapitalistische Krisensystem, das letztendlich immer zum Krieg führt, durch die sozialistische Revolution zu ersetzen.
Was bringt der Friedensappell von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer?
Bekanntlich gibt es momentan einen Aufruf der beiden Frauen, welcher schon von Hunderttausenden unterschrieben wurde. Auch organisieren die beiden am 25. Februar eine Kundgebung am Brandenburger Tor, zu der sie bundesweit aufrufen. Was in ihrem Aufruf fehlt, ist ein Angriff auf den „Hauptfeind im eigenen Land“. Stattdessen wird der deutschen Kapitalistenklasse und der Bundesregierung empfohlen, sich als „Friedensmacht an die Spitze Europas zu setzen“. Der Aufruf bewegt sich im Rahmen der bürgerlichen Demokratie und dem Wunsch nach Klassenzusammenarbeit.
Viele Menschen werden trotzdem zur Kundgebung in Berlin gehen, weil sie Frieden wollen und sich als Links verstehen. Es gilt darauf hinzuweisen, dass ohne Klassenkampf nichts erreicht werden kann. Wegen dem fehlenden Angriff auf den Imperialismus der BRD, mobilisieren auch rechte Verschwörungstheoretiker, die AfD und Herr Elsässer mit seinem Compact-Magazin zur Demo in Berlin. Die Initiatoren müssen sich durchaus fragen lassen, warum sie nicht im Aufruf auf einen antifaschistischen Konsens bestanden haben. Der Klassenkampf fehlt völlig in dem Aufruf. Die Antwort ist einfach: Wer an Teile der herrschenden Klasse appelliert zieht rechte Gruppen und Vertreter der sogenannten „Querfront“ objektiv an.
Den Initiatoren selbst ein bewusstes Querfrontkonzept zu unterstellen ist hingegen falsch. Den Klassenkampf zu ignorieren, gehört zur bürgerlichen Demokratie dazu und ist auch ein wesentlicher Bestandteil des Reformismus. Die Konsequenz solcher Appelle an die Herrschenden und die „Nation“: Sie ziehen immer wieder rechte Kumpane an. Es bleibt aber festzuhalten, dass das Konzept der „Querfront“, kein Konzept von bürgerlichen Demokraten und Reformisten ist. Das Konzept ist ein rechtes bis faschistisches Konzept. Der Begriff „Querfront“ darf nicht inflationär gebraucht werden, man muss schon wissen, worüber man spricht.
Einige Gedanken zur wirklichen und realen Querfront im historisch-aktuellen Kontext
Die Montagsdemonstrationen in Deutschland 2014, die Propaganda der Herren Elsässer, Jebsen und Lars Mährholz lösten damals eine neuerliche Debatte über die Querfrontstrategie der neurechten Bewegung aus.
In der Tat, für Herrn Elsässer und die oben genannten Personen gibt es keinen Gegensatz zwischen rechts und links mehr. Im Mittelpunkt ihrer Agitation steht bis heute das Streben nach nationaler Einheit, sprich die Gleichsetzung von Stahlbaron Krupp und Arbeiter Krause. Der zur Schau gestellte „Antikapitalismus“ solcher Demagogen ist nichts weiter als schmieriger Honig, um die Fliegen anzulocken. Für die Genannten ist die 'Fed'-Bank aus den USA, der Hauptfeind der Menschheit. Die oben genannten Personen treten für die Einheit aller Deutschen gegen die USA ein.
Die ständige Erwähnung bestimmter US-Banken hat das Ziel den deutschen Imperialismus historisch und aktuell zu entlasten. Unterlegt wird das Ganze mit der Propaganda, dass die „Bundesrepublik Deutschland eine Kolonie der USA“ sei. Hinter dieser Art von „Antikapitalismus“ scheint bis heute die Fratze antisemitischer Kapitalismuskritik hindurch. Letzteres kann und darf behauptet werden, denn kein Antisemit nennt sich in der Regel Antisemit. Herr K. Jebsen, schwadronierte einst in einem RBB-Interview über den „Antisemitismus der Juden“. Er warf ihnen vor sich als „auserwähltes Volk zu betrachten und Araber zu unterdrücken“. Jebsen selbst meinte: „Antisemitismus ist doch nicht verboten“. Dies bezog er auf Angriffe gegen sich.
Das Compact-Magazin von Herrn Elsässer veranstaltete Konferenzen mit dem Rassisten Thilo Sarrazin und Frau Eva Hermann im Jahr 2015. Elsässer selbst tritt für eine „Einheit von Gauweiler bis Lafontaine“ ein. Letzteres ist ein spezifisches Querfrontkonzept. Jetzt fordern sie die „Freundschaft mit Russland“ und fordern eine Politik des „deutschen Friedens“.
Auf bestimmten Demonstrationen gibt es keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. All das wird zurecht Querfront genannt. Es ist aber an der Zeit dem Begriff historisch und aktuell zu klären.
Die Querfrontstrategie in der Weimarer Republik
Die Querfrontstrategie ist nichts Neues, sie hat ihre Wurzeln bei den Ideologen der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik. Auf Wikipedia ist dazu einmal etwas Richtiges zu lesen: „1923 veröffentlichte der ‚jungkonservative‘ Arthur Moeller van den Bruck sein Werk: ‚Das Dritte Reich‘, in dem er einen zukünftigen autoritären deutschen Staat durch eine Verbindung von Nationalismus und Sozialismus propagierte. Deutschland solle sich der Sowjetunion öffnen und eine Ausrichtung auf westliche Werte, besonders auf die USA, ablehnen.“
Der letzte Reichskanzlei vor Hitler, General Schleicher versuchte ein sogenanntes Kabinett der nationalen Einheit zu bilden. Das Organ des so genannten linken Nazis Otto Strasser „Die schwarze Front“ schrieb dazu: „Her mit der Revolutionsregierung, Schleicher, Gregor Strasser, Theodor Leipart, Graf Reventlow, Richard Scheringer“. Der General Schleicher versuchte tatsächlich den Reichsorganisationsleiter der NSDAP, Gregor Strasser, in die Regierung einzubinden. Dazu kommen sollte der ADGB-Gewerkschaftsvorsitzende Theodor Leipart, der völkische Abgeordneter Graf Reventlow und der damalige KPD-Sympathisant Richard Scheringer. Bekanntlich ist dieses Manöver sowohl am Widerstand der Nazi-Hauptströmung, sowie der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter gescheitert.
Der angebliche Gegner des Faschismus, Ernst Niekisch, unterstellte den Nazis, sich nicht deutlich genug von Rom zu distanzieren. Unter Rom und Jerusalem verstand der Chefideologe der Bewegung „Widerstand“ Ernst Niekisch: „Westliche und weibische Dekadenz“. Die Russland-Sympathie von Elsässer geht konform mit der Ablehnung von Homosexualität und demokratischen Werten. Stets lobte Elsässer das „patriotische Russland“. Damit vertritt Elsässer objektiv eine bestimmte Fraktion innerhalb der deutschen Bourgeoisie.
Ernst Niekisch schrieb dazu 1932: „Gegen Rom und Jerusalem, für ein Bündnis mit dem patriotischen Russland.“ Allerdings stellten sich die Befürworter dieses angeblichen Bündnisses, das Bündnis unter folgender Konstellation vor: „Ein russischer Rohstoffrumpf mit einem deutschtechnologischen Kopf.“ Bestimmte Fraktionen innerhalb der deutschen Bourgeoisie denken heute ähnlich. Immerhin gibt es tausende deutsche Kapitalinvestitionsstandorte in Russland. Dieses Interesse an Russland wird kombiniert mit einer vollständigen Unterwerfung der Ukraine, am besten unter ein von Deutschland dominiertes Europa. Dagegen hat aber der US-Imperialismus etwas auszusetzen.
Als Antwort auf diese Strategie versuchte der Konkurrent des deutschen Imperialismus, der US-Imperialismus, jetzt den Konflikt mit Russland deutlicher als vom deutschen Imperialismus angenommen, zuzuspitzen. Dagegen regt sich Widerstand innerhalb gewisser Teile der deutschen Bourgeoisie. Markus Söder sagte am politischen Aschermittwoch dazu: „Bundeskanzler Scholz muss seine Außenministerin wegen ihrem Kriegsgeschrei zur Ordnung rufen“. Vor einiger Zeit nannte er Anton Hofreiter von den Grünen „einen Waffenlobbyisten – allerdings fehlt ihm noch der passende Haarschnitt dazu“.
Tatsächlich gibt es Uneinigkeit innerhalb der deutschen Bourgeoisie bezüglich des Krieges der NATO mit Russland auf dem Boden der Ukraine. Jürgen Elsässer ist aber nicht einfach ein Agent dieser Teile des deutschen Großkapitals. Er vertritt die Ideologie des immer noch vorhandenen reaktionären deutschen Kleinbürgertums. Dieses Kleinbürgertum war einst fast genauso wie heute, empfänglich für eine Propaganda, die den Bolschewismus ablehnte und sich den Worten nach gegen das Finanzkapital auflehnte. Die Ideologen der „Konservativen Revolution“ versuchen dies einst auszunützen. Alle Vorurteile und Ängste des Kleinbürgertums wurden mittels einer bestimmten sozialen Demagogie auf völlig reaktionärer Grundlage bedient. Das reaktionäre an Elsässer ist nichts neues, sondern altbekannt.
Aktuelle Querfront-Projekte in Europa
In der Zeit als Jürgen Elsässer noch für die „Junge Welt“ und das „Neue Deutschland“ schrieb unterstellte ihm der Autor dieser Zeilen, letztendlich Querfrontkonzeptionen zu propagieren. In Ex-Jugoslawien speziell in Serbien gab es in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine reale Querfront. Die Regierungspartei unter Milosevic nannte sich „Sozialistisch“, gleichzeitig wurde ein enges Bündnis mit den faschistischen Tschetniks betrieben.
Dazu kam dann noch die Partei der serbischen Millionäre, die sich seltsamerweise „Jugoslawische Linke“ nannte. Die Klammer für das Bündnis war das Streben nach Großserbien – mittels einer wüsten nationalistischen Demagogie gegen Bosnier und Albaner. Neben dieser nationalistischen Klammer gab es einem Pseudo-Antiimperialismus mit dem Hauptgegner USA.
Das nationalistische Querfront-Bündnis in Serbien wurde von Elsässer und von weiten Teilen der Linken in Deutschland, ohne genau hinzusehen, unterstützt. Die Klammer für diese Unterstützung bildete die billige Formel: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Elsässer hat aber im Gegensatz zu vielen innerhalb der deutschen Linken, das serbische Querfrontkonzept aus der damaligen Zeit verinnerlicht. Auch in Russland gibt es Gruppen, die sich „Nationalbolschewistisch“ nennen und einem Pseudo-Antiimperialismus frönen.
Die Querfront hat allerdings nichts mit der von der Komintern ab 1935 propagierten Volksfront zu tun. Die Volksfrontpolitik schwächte die Arbeiterbewegung und propagierte das Bündnis mit Teilen des Kapitals. Die Querfrontideologen heute sehen weder in Deutschland, noch in Serbien, noch in Russland den Gegensatz zwischen links und rechts. Sie kennen nur noch das Volk, das es zu vereinen gelte.
Der bürgerliche Charakter der Querfront bei Elsässer
Im Gegensatz zu den weiter oben behandelten Querfrontlern aus der Weimarer Republik, verzichtet Elsässer weitgehend auf soziale Demagogie. Im Compact-Magazin wird zur Wahl der bürgerlich-reaktionären AfD aufgerufen. Die Propaganda von Elsässer und Jebsen richtet sich an verängstigte Kleinbürger mit bestimmten Ersparnissen. In diesen Kreisen gibt es Unmut gegen die EU-Bürokratie und die EU-Finanzmarktregulierung. Diese Schichten haben Angst, um ihre Ersparnisse. Der „Antikapitalismus“ der bürgerlichen Querfrontler bedient im Wesentlichen diese Klientel. Dem folgen leider auch einige politisch rückständige Erwerbslose und Arbeiter, weil der Reformismus in Form der LINKEN und DGB-Gewerkschaften, keine klassenkämpferische und sozialistische Antwort auf die tiefe Krise des Kapitalismus gibt.
Selbstverständlich gibt es in diesen bürgerlichen Kreisen eine enorme Offenheit gegenüber einer „geheimen Verschwörung“, die das – Ersparte des Kleinbürgers bedroht. Als Gegner wird nicht der Kapitalismus genannt, sondern bestimmte Kreise in den USA. Jedes antisemitische Herz frohlockt über diese billigen Codewörter.
Klar ist in diesen Kreisen, wer hinter dieser Bedrohung stehen würde. Nicht umsonst attackierte Herr Mährholz auf seinem zwischenzeitlich gelöschten Eintrag im Internet, den Baron Rothschild. Letztendlich hat aber die soziale Demagogie bei Elsässer und Jebsen gewisse Grenzen. Es gibt keine Attacken gegen Hartz IV und gegen die Umverteilung in Deutschland. Ihre Propaganda richtet sich ausschließlich an das esoterisch-reaktionäre und zum Teil antisemitisch verseuchte Kleinbürgertum. Die offenen Nazis hingegen, versuchen demagogisch auch Fragen der sozialen Umverteilung, von unten nach oben aufzugreifen.
Dies geht Herrn Elsässer und Ken Jebsen zu weit. Sie versuchen den kleinbürgerlichen Mittelstand auf der Basis des Nationalismus hinter sich zu bringen. Das Spiel mit der sozialen Frage wie es offene Faschisten gemeinhin tun, ist Ihnen zu gefährlich und passt nicht in das bürgerlich-rechte Querfrontkonzept. Das bürgerliche Querfrontkonzept führt den „Kulturkampf“ und den Kampf um eine andere Außenpolitik. Basis dafür ist der Nationalismus. Es gibt aber eine Verbindung von Elsässer zu offen faschistischen Gruppen und der Reichsbürgerszene.
Sahra Wagenknecht hat damit nichts zu tun. Sie ist eine klassische Sozialdemokratin und das ist schlimm genug. Frau Wagenknecht geht davon aus, den Kapitalismus zu zähmen. Dabei ist ihr eine positive Bezugnahme auf Ludwig Erhard in ihren Büchern noch nicht dumm genug. Dass sie hin und wieder auch nationalistische Töne anschlägt gehört zur Tradition der Sozialdemokratie. Die Querfront ist aber etwas anderes. Es gilt die reale Querfrontkonzeption der Rechten zu bekämpfen. Der inflationäre Umgang mit dem Begriff „Querfront“ ist dabei nicht hilfreich.
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