Kategorie: Antifaschismus |
|||
Tag der Befreiung: Gut besuchte Veranstaltungen in Papenburg |
|||
|
|||
Am 9. Mai fanden in Papenburg und Esterwegen zwei Veranstaltungen anlässlich des Befreiungstages statt. Am Vormittag wurde im Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager die Ausstellung "Von Albanien ins Stalag VI C - Zeichnungen und Tagebuchaufzeichnungen des italienischen Militärinternierten Ferruccio Francesco Frisone 1943 - 1945" eröffnet. Am Nachmittag fand auf dem Friedhof des ehemaligen KZ Esterwegen eine deutsch-niederländische Kundgebung statt. | |||
|
|||
Die Geschichte der italienischen Internierten im faschistischen Deutschland ist bisher wenig erforscht und bekannt. Bis zum Sturz Mussolinis war Italien der engste Verbündete Nazi-Deutschlands, danach schloss die neue italienische Regierung unter Marschall Badoglio einen Waffenstillstand mit den Alliierten und erklärte am 8. September 1943 den Kriegsaustritt Italiens. Dies wurde vom Oberkommando der Wehrmacht als Verrat bezeichnet, alle italienischen Soldaten wurden entwaffnet und ihre Übernahme in die Kriegsgefangenschaft beschlossen, mit dem Ziel sie als Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie und beim Bau des Ostwalls einzusetzen. 600 000 von ihnen wurden ins Deutsche Reich abtransportiert, 186 000 andere wurden unter Androhung von Gewalt gezwungen an der Seite der Wehrmacht weiter zu kämpfen. Der italienische Maler Frisone wurde von Albanien über Belgrad und Wien in das Emslandlager Fullen transportiert, wo er die Hölle im Moor erlebte. Die italienischen Internierten wurden als Verräter bezeichnet und entsprechend behandelt. Sie mussten bei schlechtester Ernährung und unzureichender medizinischer Versorgung unter ungewohnten klimatischen Verhältnissen schwerste Arbeiten errichten. Hier wurden sie deutlich schlechter behandelt und verpflegt als die Angehörigen anderer Nationen, mit Ausnahme der sowjetischen Kriegsgefangenen. Frisone führte zwei Jahre Tagebuch über die Zeit in Fullen, schuf Zeichnungen über das Lagerleben und porträtierte seine Mitgefangenen und die Bewacher und erhielt dafür als Gegenleistung zusätzliche Rationen. Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft 1945 bestand im Nachkriegsitalien nicht das Bedürfnis über das Schicksal der Militärinternierten zu reden, deshalb hielt Frisone seine Zeichnungen unter Verschluss und zeigte sie erst 1972 das erste Mal in Mailand. Ausstellungen in weiteren italienischen Städten folgten. Jetzt ist diese bewegende Ausstellung bis zum August in Papenburg zu sehen. Am Nachmittag des 9. Mai fand auf dem Friedhof des ehemaligen KZ Esterwegen eine deutsch-niederländische Kundgebung statt, an der 150 Menschen, darunter sehr viele junge Leute, teilnahmen. Hauptredner war der Journalist Gerhard Kromschröder, der als junger Journalist in den 1960er Jahren für die in Papenburg erscheinende Ems-Zeitung tätig war und mit seinen Artikeln versuchte die Emslandlager zu thematisieren. Später arbeitete er für die Zeitschrift Pardon und anschließend für den Stern. Kromschröder berichtete, wie schwierig es war, damals objektiv über die Emslandlager zu berichten, weil das Thema in der emsländischen Bevölkerung tabu war. Der Friedhof an der B 401 wurde nicht gepflegt und kein Hinweisschild wies darauf hin, dass hier viele in den Emslandlagern Ermordete und Gestorbene liegen. Die erste Initiative dies zu ändern kam von der IG- Bergbau-Jugend aus Essen, die Mitte der 1960er Jahre einen Gedenkstein zum Gedenken an Carl von Ossietzky auf dem Friedhof aufstellte. Die Gewerkschaftsjugend hatte zur Aufstellung des Steins auch den damaligen Oberkreisdirektor des Landkreises Aschendorf-Hümmling eingeladen, der dieser Einladung aber nicht folgte. Er begründete dies damit, dass auf dem Friedhof überwiegend Schwerkriminelle lägen, die von ordentlichen Gerichten rechtmäßig verurteilt worden seien. Wenig später ließ das Land Niedersachsen einen großen Stein am Eingang des Friedhofes aufstellen, auf dem sich eine Hinweistafel befand, die darauf hinwies, dass die politischen Gefangenen nicht auf diesem Friedhof beerdigt worden seien, sondern im 50 km entfernten Versen. Diese Falschinformation wurde von engagierten Jugendlichen übermalt und später aus dem Stein ausgemeißelt. In der emsländischen Bevölkerung setzte daraufhin eine erste öffentliche Diskussion über die Emslandlager ein und es entstand das Aktionskomitee Emslandlager, dem es 1985 gelang, das heutige Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager (DIZ) aufzubauen. Das DIZ ist mittlerweile eine angesehene Gedenkstätte, die hervorragende Aufklärungsarbeit leistet und jährlichen von tausenden SchülerInnen, GewerkschafterInnen und anderen Interessierten besucht wird. Als weiterer Redner sprach der ehemalige Häftling Hans Lauter aus Leipzig zu den Anwesenden. Der mittlerweile 94jährige Moorsoldat berichtete von der Solidarität unter den Häftlingen, die in vielen Fällen das Überleben erst möglich machte. Lauter, der immer noch in Schulen und Universitäten Vorträge über seine Zeit in den Lagern hält, berichtete von einer Diskussion mit Jugendlichen in Frankfurt/Oder, als ihn ein Jugendlicher aus dem rechtsextremen Spektrum fragte: "Sind Sie ein guter Deutscher?" Lauter entgegnete diesem jungen Menschen, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte: "Ich versuche in erster Linie ein guter Mensch zu sein, und wenn mir das gelingt bin ich auch ein guter Deutscher." Der niederländische Liedermacher Johan Meijer aus Amersfoort/NL umrahmte das Programm mit Liedern aus dem niederländischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung, die er in niederländischer und deutscher Sprache sang. Die Veranstaltung endete mit dem Moorsoldatenlied. |