Kategorie: Deutschland

Occupy-Frankfurt: Kapitalismuskritik lässt sich nicht wegräumen

Nach fast zehn Monaten ist das Frankfurter Occupy-Camp vor dem Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) beendet. Am Montag, 6. August 2012, lösten starke Polizeikräfte das Zeltlager auf dem Grüngürtel im Frankfurter Bankenviertel auf.
Dass der Frankfurter Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) gerade jetzt räumen ließ, dürfte kein Zufall sein.



Er setzte offenbar auf die Ablenkung einer breiten Öffentlichkeit durch Sommerpause und Olympische Spiele – ein altes Mittel der Herrschenden. Er setzte aber auch auf eine Ermüdung der Akteure und nachlassendes öffentliches Interesse. Und er konnte sich offensichtlich auf den neuen Frankfurter SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann verlassen, der in den letzten Tagen verbal Verständnis für das Anliegen des Camps gezeigt und Moderation der Behörden angeregt hatte und letztlich dem Hardliner Frank freie Bahn ließ.

Bereits in der vergangenen Woche hatten Polizeikräfte das Düsseldorfer Occupy-Camp geräumt. In Frankfurt verzögerte der Gang von Camp-Aktivisten zum Verwaltungsgericht die für Ende Juli angedrohte Räumung um eine Woche. Doch das Gericht gab – wenig üebrraschend – grünes Licht für die Räumung. „Wir bleiben bei unserem friedlichen passiven Widerstand“, sagte uns eine Occupy-Sprecherin während der Polizeiaktion: „Unsere Ideen lassen sich nicht wegräumen.“ Viele waren von der massiven Präsenz der Staatsgewalt überrascht „Die Polizei rückte mitsamt Krankenwagen an, noch ehe wir von dem Gerichtsurteil erfuhren“, so eine Aktivistin: „Die Behörden gaben sich nicht einmal die Ehre, uns das Gerichtsurteil vorbeizubringen.“ Vor den Polizeiabsperrungen am Willy-Brandt-Platz versammelten sich am Nachmittag mehre hundert Schaulustige und Menschen, die von der Räumung erfahren hatten. Sie drückten ihre Solidarität mit den Occupy-Aktivisten und Eingekesselten im Camp aus.

Rückblick

Ausgehend von den Massenbewegungen des „Arabischen Frühlings“ in Nordafrika Anfang 2011 und den Massenprotesten der spanischen Indignados ab Mai 2011 hatte die Occupy-Bewegung im letzten September an der New Yorker Wall Street und in vielen anderen US-Metropolen den Blick auf massiven sozialen Sprengstoff im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gelenkt. Diese Bewegung hat auch einem skeptischen europäischen Publikum gezeigt, dass es ein anderes Amerika jenseits der ebenso pauschalen wie falschen Klischeevorstellungen vom spießigen und unpolitischen Durchschnitts-Ami gibt. Dies animierte Mitte Oktober 2011 auch in Deutschland und Europa zur Nachahmung. Immerhin hat ein harter Kern im Frankfurter Camp unter widrigen Bedingungen auch bitterkalte Winternächte überdauert.

Doch im Gegensatz zum kalifornischen Oakland, wo Gewerkschafter massiv gegen die Räumung des dortigen Occupy-Camps aktiv wurden, war der Schulterschluss zwischen den Occupy-Aktivisten; Bankbelegschaften und Gewerkschaften in der Mainmetropole Frankfurt stets weniger intensiv. Zwar stand auch der örtliche DGB zum Camp. Doch vielen Gewerkschaftern stieß schon in den ersten Wochen sauer auf, dass sie nach dem Willen der Veranstalter bei den wöchentlichen Solidaritätsdemonstrationen nach dem 15. Oktober 2011 keine Gewerkschaftsfahnen tragen sollten.

So nahm die Solidarität von außen im Laufe der Wochen und Monate ab. Auch die Blockupy-Aktionstage Mitte Mai 2012 brachten da keine grundlegende Wende. Während etliche politisch motivierte Camper aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen im Laufe der Zeit aufgaben und wieder in den Alltag zurückkehren mussten, quartierten sich zunehmend auch Obdachlose und rumänische Sinti und Roma im Camp ein. Dies ließ einschlägige Organe wie die BILD-Zeitung zu rassistischen Hetzparolen greifen. Dabei brauchen diese Menschen vor allem Solidarität und professionelle Hilfe. Mit ihrer Betreuung dürften die politisch motivierten Camper jedoch überfordert gewesen sein.

Ausblick

Die Hoffnungen der Occupy Camper, durch die Macht des Beispiels und Hartnäckigkeit die Herrschenden zum Umdenken zu bewegen, ist nicht aufgegangen. Weder wurde ein Kurswechsel von EZB und Troika erzwungen noch das Los der griechischen Bevölkerung auch nur im Ansatz gelindert. Dauer-Camping vor Großbanken mag ein Zeichen setzen und Aufmerksamkeit erregen, ist aber sicher nicht die wirksamste Methode des Kampfes gegen Bankenmacht und Krisendiktate.

Dabei kann sich die internationale Occupy-Bewegung trotz aller Unzulänglichkeiten zu Gute halten, dass sie als Symbol eines breiten gesellschaftlichen Unbehagens über die Zustände im real existierenden Kapitalismus Diskussionen entfacht hat. Sie hat viele Menschen zum Nachdenken gebracht und zum Aufmucken ermuntert. Sie hat Probleme und Missstände benannt und die Wahrnehmung auf ein höheres Niveau angehoben. Sie hat aber keinen umfassenden gesellschaftlichen Gegenentwurf geliefert oder neue Forderungen für die Bewegung hervorgebracht. Programmatisch trat sie auf der Stelle. Sie war und ist allerdings ein Vorbote bevorstehender gesellschaftlicher Erdbeben, die sich jetzt in Spanien und europaweit abzeichnen.

Die Erfahrung der Occupy-Bewegung war nicht umsonst. Der Staffellauf gegen das kapitalistische Krisendiktat geht in der Form von öffentlichen Protesten und Solidaritätsveranstaltungen weiter. Ungeduld und Frust über die relative soziale Ruhe hierzulande sind unangebracht. Denn Schuldenbremse, Fiskalpakt und ein sich abzeichnender Wirtschaftsabschwung werden früher oder später die Unzufriedenheit in Betrieben und Bevölkerung sichtbar machen und die Suche nach konsequenten Alternativen auf die Tagesordnung setzen.

Darauf müssen wir uns vorbereiten. Wir brauchen aber nicht nur kosmetische Korrekturen und eine Beschränkung der Systemkritik auf einige besonders „gierige“ Bänker und „Zockerbuden“. Wir brauchen umfassende Kapitalismuskritik, die auch die „Realwirtschaft“ einschließt. Wir brauchen ein umfassendes sozialistisches Programm und nachvollziehbare Übergangsforderungen auf dem Weg in eine sozialistische Demokratie, in der wir alle sichere Lebensperspektiven haben und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen für immer der Vergangenheit angehört. Diese Ideen müssen wir in der arbeitenden Bevölkerung verankern, denn nur sie kann letzten Endes ausreichend Kraft und Zusammenhalt aufbringen, um die herrschenden Eliten zu entmachten und eine neue Gesellschaft aufzubauen.

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