Kategorie: Deutschland |
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Nun also auch Kurt Beck |
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Dass Kurt Beck bereits seit Juni als „Berater“ und Lobbyist für den wegen Pharmaskandalen und des Vorwurfs fahrlässiger Tötung in das Rampenlicht geratenen Weltkonzern Boehringer Ingelheim tätig ist, hat am Wochenende viele SPD-Anhänger weit über Rheinland-Pfalz hinaus verwundert. Über Jahrzehnte polierte der langjährige Mainzer Ministerpräsident und zeitweilige SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck sorgsam an seinem Image als Garant für Bodenhaftung und Verwurzelung bei den „kleinen Leuten“. |
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Er wollte immer „nah bei den Menschen“ sein und war einer von wenigen in der SPD-Führung, die mit ihren proletarischen Wurzeln kokettieren konnten und ohne Abitur und Studium den steilen Aufstieg von der Werkbank bis in höchste Staatsämter geschafft haben.
Vor Jahresfrist war Beck nach eigenen Angaben dem Fingerzeig seiner Bauchspeicheldrüse und Rat seiner Ärzte gefolgt und hatte nach 18 Jahren als Regierungschef zum Januar 2013 seinen Rücktritt vom aufreibenden Amt in der Mainzer Staatskanzlei erklärt. Dass er nur wenige Monate später offiziell bezahlte Lobby-Arbeit für einen namhaften Konzern macht, lässt alle aufhorchen, die in ihm das letzte sozialdemokratische Sprachrohr der Arbeiterklasse gesehen hatten. Doch auch Beck war ein glühender Befürworter von Schröders Agenda 2010. Sein späteres Mitleid mit den Dachdeckern, denen er eine Rente erst mit 67 nicht zumuten wollte, blieb folgenlos. In langen Jahren als SPD-Fraktionsvorsitzender und Regierungschef baute Beck zusammen mit der Brüderle-FDP als Koalitionspartner in Rheinland-Pfalz beste Kontakte zu den Eliten im Lande auf. 2008 schrieb er sich als SPD-Bundesvorsitzender mit missionarischem Eifer den Bahn-Börsengang auf die Fahnen. „Kurt Beck nah beim Kapital“ hieß es damals auf Pappschildern bei der Mainzer DGB-Maikundgebung, als Beck als Hauptredner auftrat und wegen der Proteste etwas die Fassung verlor.
Obwohl ihm der jahrzehntelange Politbetrieb üppige Altersbezüge sichert, fühlte sich sich „der Kurt“, Bauchspeicheldrüse hin, Bauchspeicheldrüse her, für einen beschaulichen Ruhestand und gemütliche Tage an der Seite seiner Gattin Roswitha im Heimatdorf Steinfeld an der Grenze zum Elsaß offensichtlich zu jung und zu fit. Mal sehen, ob die Boehringer-Forschungsabteilung nun das passende Mittel für Becks Bauchspeicheldrüse gefunden hat?
Der Hunger kommt bekanntlich beim Essen und hohes Einkommen macht süchtig. Vielleicht war es zudem auch Geltungsdrang und der Wunsch, weiter mit den Mächtigen und für sie hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen und im Sinne der Eliten dieses Landes Kontakte und Erfahrungen aus Jahrzehnten im Politbetrieb zu vermitteln und sich Ratschläge und direkte Verbindungen in den Verwaltungsapparat hinein teuer bezahlen zu lassen.
Mit seinem „Seitenwechsel“, der vielleicht gar keiner ist, befindet sich Kurt Beck in mehr oder weniger „guter“ Gesellschaft. Schröder, Fischer, Stoiber, Clement und Koch verdienten und verdienen alle nach der Beendigung ihrer Regierungsämter in der Wirtschaft endlich mal richtig Kohle. Wechsel in die Wirtschaft hat auch in der rheinland-pfälzischen Landesregierung Tradition. So ging Becks langjährige Umweltministerin Klaudia Martini 2001 zum Autobauer Opel und kümmerte sich im Unternehmensvorstand um Kommunikation und Regierungsbeziehungen. Becks Freund und Ex-Sozialminister Florian Gerster modelte 2002 im Zuge des Hartz-Prozesses die Bundesanstalt für Arbeit zur Bundesagentur um und wurde später als Arbeitgeberpräsident und Sprachrohr privater Postunternehmen zum erbitterten Mindestlohn-Kritiker. Direkte Drähte zwischen der Mainzer Staatskanzlei und der Boehringer-Chefetage im nur 20 km westlich von Mainz gelegenen Ingelheim gab es übrigens schon in den 1960er Jahren. Damals gewann der junge CDU-Ministerpräsident Helmut Kohl den Konzernmanager und späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker für eine Bundestagskandidatur.
Was bleibt ist eine Bestätigung für die enge Verflechtung zwischen Großkonzernen und Staatsapparat und dafür, dass wirtschaftliche Macht längst zu politischer Macht geworden ist. Schließlich gehört Boehringer Ingelheim zu den weltweit 20 größten der Branche und ist seit Jahren ein mächtiger Faktor in der rheinland-pfälzischen Landespolitik. Wer den Kapitalismus akzeptiert, wird von ihm voll vereinnahmt und richtet sich, wenn er es denn schafft, in ihm gemütlich ein. Höchste Zeit für eine Überführung auch der Pharma-Großkonzerne und Forschungseinrichtugen in öffentliches Eigentum und demokratische Kontrolle durch die Beschäftigten. |