Kategorie: Deutschland |
|||
Blockupy-Bündnis zeigt noch einmal Stärke und Entschlossenheit |
|||
|
|||
Das massive Polizeiaufgebot und die stundenlange Einkesselung von rund tausend DemonstrantInnen in Frankfurt am Main am 1. Juni 2013 wollte das Blockupy-Bündnis nicht auf sich sitzen lassen. Während die Polizeiübergriffe ein juristisches und parlamentarisches Nachspiel haben und auch in konservativen Medien scharf kritisiert werden, hatte Blockupy für den 8. Juni erneut zu einer Solidariäts- und Protestaktion aufgerufen. Damit sollte die von der Polizei gestoppte Demo vom 1. Juni auf der ursprünglichen und genehmigten Route nachgeholt werden. Die Veranstalter hatten vor allem regional mobilisiert und zunächst mit einigen hundert Teilnehmern gerechnet. |
|||
|
|||
Der Zustrom übertraf dann aber alle Erwartungen. So schwoll der von mehreren Zwischenkundgebungen unterbrochene vierstündige Zug von rund 10.000 Menschen durch die Innenstadt nach Veranstalterangaben zeitweilig auf weit über 12.000, stellenweise auf bis zu 20.000 Teilnehmer an. Auch viele Deutschtürken aus linken Organisationen hatten sich angeschlossen und warben um Solidarität mit der aktuellen Protestbewegung in der Türkei. Einige von ihnen kamen auch bei den verschiedenen Kundgebungen zu Wort. “ResIstanbul” hieß es treffend auf einem Pappschild. Die Demonstration war ein deutliches Kontrastprogramm zu der Veranstaltung eine Woche zuvor und hatte in weiten Teilen den Charakter eines fröhlichen Happenings. Weil die Polizei eine Woche zuvor die Einkesselung mit der vermeintlichen “Vermummung” vieler DemonstrantInnen begründet hatte, trugen viele Teilnehmer demonstrativ bunte Regenschirme, poppige Sonnenbrillen oder Guy Fawkes-Masken der Occupy-Bewegung und nahmen damit die Obrigkeit auf die Schippe. Die Polizei hielt sich diesmal demonstrativ zurück. Blockupy sprach von lediglich 150 Beamten, die rund um die Demo im Einsatz waren und vor allem den Verkehr regelten. Während viele Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet, die am 1. Juni dabei waren, diesmal nicht kurzfristig anreisen konnten, war die Mehrheit der DemoteilnehmerInnen erstmals bei einer derartigen Blockupy-Demo dabei. Für viele war mit den Polizeiübergriffen das Maß voll. Sie wollten jetzt Flagge zeigen und wussten, dass es darauf ankam, sich die demokratischen Grundrechte nicht nehmen zu lassen. Erste Station auf der langen Route war jener Ort, an der genau eine Woche zuvor die Bereitschaftspolizei die rund tausend DemonstrantInnen eingekesselt hatte. Mehrere hundert von ihnen waren auch diesmal wieder dabei. So etwa eine junge Frau, die ihre Erfahrungen auf Papier gebracht hatte und auf kopierten Blättern auf eigene Faust verteilte. Lassen wir sie zu Wort kommen: “Sätze von Seiten der Polizisten wie 'Ich schieße Dir zwischen die Augen und dann bist Du tot', 'Ich schlage Dir die Birne zu Matsch' oder 'Ich steche Dir die Reifen platt' – was zu einer Rollstuhlfahrerin gesagt wurde –, außerdem Kinder, ältere Menschen, Journalisten und viele andere mit Pfefferspray im Gesicht, zerschlagene Nasen, verdrehte Arme und Köpfe und abgeführte Abgeordnete sind Bilder, die einem als Normalbürger, bewaffnet lediglich mit einer Trillerpfeife, nicht mehr so schnell aus dem Kopf gehen und die einen an der Demokratie dieses Staates stark zweifeln lassen. Aber auch die Solidarisierung eines Hoteliers, einer Bäckerei, der Belegschaft des Schauspielhauses, der Mut einer Frankfurter Polizistin, die einen kleinen Teil der Demonstration heimlich mit Wasser versorgte und das Ausharren der 9000 anderen Demonstranten außerhalb des Kessels sollen hier nicht unerwähnt bleiben.” Auch der Frankfurter Arzt Joachim Dlugosch war wieder dabei. Er hatte sich nach eigenen Angaben am 1. Juni mit Ehefrau und heranwachsenden Kindern der zunächst „absolut friedlichen und fröhlichen“ Demonstration angeschlossen. Minuten vor der überraschenden Einkesselung habe ein Polizeibeamter die Familie zum Verlassen der Demonstration aufgefordert und erklärt, dass „gleich etwas passieren“ würde. „Wenn es keinerlei Plan für einen Kessel gab und es keiner wusste – warum wurden wir dann vorher gewarnt?“, fragt Dlugosch. Damit bestärkt er die von vielen geäußerte Vermutung, dass der Kessel von langer Hand geplant war. Offenbar waren Bilder von friedlichen Protesten vor der Europäischern Zentralbank (EZB) nicht erwünscht. Leider trauten sich noch zu wenige Menschen, die Kapitalismuskrise beim Namen zu nennen, sagte der Kabarettist Urban Priol in seinem Grußwort an die Demonstration. „Macht weiter so”, rief er den Demonstranten zu. Neben der Partei DIE LINKE, die von Anfang an im Blockupy-Bündnis mitwirkt, waren auch Gewerkschaften, Grüne, SPD und Piratenpartei vertreten. Das Hessische Sozialforum unterbrach seine Tagung im DGB-Haus und solidarisierte sich mit der vorbeiziehenden Demonstration. Für den Schulterschluss mit Blockupy sprachen sich mehrere Gewerkschafter aus der Region aus. “Wir haben heute das Demonstrationsrecht und den liberalen Ruf Frankfurts verteidigt und werden auch auf das Streikrecht nicht verzichten, wenn es härter kommt”, erklärte der DGB-Regionsvorsitzende Harald Fiedler bei der Abschlusskundgebung: “Alle Staatsmacht geht vom Volke aus und nicht von der Polizei.” Fiedler rief dazu auf, den “Raubtierkapitalismus” zu beenden. Filip Kourtoglou, Vorsitzender der verdi-Jugend Frankfurt, erinnerte an die von der Gewerkschaftsjugend initiierten Proteste vor Frankfurter Textilgeschäften gegen Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Bangladesh im Rahmen der Blockupy-Aktionstage am 31. Mai und bedauerte, dass aufgrund der Polizeiübergiffe derzeit zu wenig über die antikapitalistischen Kritikpunkte der Blockupy-Bewegung geredet werde. Michael Erhardt, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Franfurt, appellierte an die Polizisten, sich nicht für das Niederknüppeln von Krisenprotesten oder einen “Law and Order”-Wahlkampf von Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) missbrauchen zu lassen. „Blockupy ging gestärkt aus dem Kessel hervor“, heißt es in einer Presseerklärung nach der Demonstration. Nun ist davon auszugehen, dass es im kommenden Frühjahr und anlässlich der für 2014 geplanten Einweihung der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) zu neuen Blockupy-Aktionstagen kommen wird. Das ist gut so. Berauschen wir uns jedoch nicht an diesem Erfolg vom 8. Juni. Der Kampf gegen den Kapitalismus und die Brechung der Macht der Banken und Konzerne wird noch sehr lang sein und viel Kraft, aber auch klare Perspektiven abverlangen. Erfreulich ist, dass die Gewerkschaften – oder zumindest wichtige Teile der Gewerkschaften aus dem Rhein-Main-Gebiet – den Schulterschluss mit der Blockupy-Bewegung vollzogen haben und erkennen, dass wir unsere demokratischen Rechte gegen die Eliten und Staatsorgane gemeinsam verteidigen müssen. Dies gilt es auszubauen. Denn die Kraft für die Veränderung der Gesellschaft liegt bzw. schlummert vor allem in den Betrieben. Ohne eine starke Basis unter den abhängig Beschäftigten bleiben antikapitalistische Proteste auf Dauer steril. Der Antikapitalismus darf sich nicht auf alljährliche “Festspiele” im Mai beschränken, sondern muss an 365 Tagen im Jahr im Alltag stattfinden. Um die Macht der Banken und Konzerne zu brechen, brauchen wir den massenhaften Rückhalt der betreffenden Belegschaften – und ein klares Übergangsprogramm, das die vielen kleinen Rinnsale und Streikbewegungen, die schon jetzt beinahe tagtäglich stattfinden, zu einer starken Strömung bündelt. |