Kategorie: Deutschland |
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Editorial Funke Nr. 95: Aufrütteln, Aufbruch, Aufbegehren |
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Was für ein Jahr! Schon sein Auftakt war alles andere als beschaulich. Aufgerüttelt und entschlossen, fremdenfeindliche Massenaufmärsche nach Dresdener Vorbild in ihrer Stadt zu verhindern, gingen gleich in den ersten Januartagen und Wochen bundesweit zigtausend Menschen gegen die rassistische Pegida-Bewegung auf die Straße. |
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Pegida stoppen! In vielen Städten war es, obwohl kurzfristig angekündigt, die größte Demonstration seit Jahren. Die Urheber der Pegida-Bewegung hatten spekuliert, dass Zukunftsängste im real existierenden Kapitalismus automatisch sehr viel Wasser auf ihre Mühlen leiten würde. Sie setzen darauf, Wut und Abstiegsängste von Millionen „Normalbürgern“ auf MigrantInnen, Flüchtlinge und den Islam zu lenken. Hier sind zumindest Parallelen zum Antisemitismus der Hitlerschen NSDAP unübersehbar, für die seinerzeit das „Judentum“ die Ursache alles Bösen war und ein Sündenbock im Interesse der Herrschenden. Doch mit einer derart starken Gegenbewegung hatten die Pegida-Führer nicht gerechnet. Offenbar haben viele Menschen ein Gespür dafür, dass die Krise in Wirtschaft und Gesellschaft nicht von den Schwächsten und Krisenopfern verursacht wird. Erfreulich ist auch, dass sich landauf landab viele Menschen in spontanen Asylkreisen organisieren und ankommenden Flüchtlingen vor Ort praktische Hilfe leisten. Nachdenklich stimmen sollte eines: Die Pegida-Führer bekamen in den letzten Wochen des alten Jahres ein erstaunlich starkes und unverdientes Medienecho. Ganz so, als ob die Mainstream-Politik darauf gewartet hätte, einen Nebenschauplatz zu eröffnen, um die Massen von brennenden sozialen Fragen abzulenken. Angesichts der aktuellen Krise und Spaltung der Pegida-Bewegung dürfen wir uns aber nicht in der trügerischen Hoffnung wiegen, dass der rassistiche Spuk nun vorüber wäre. Solange das kapitalistische System Krisen, Unsicherheit und Verzweiflung produziert, werden seine Stützen und Verteidiger immer auf eine Politik des Teile und Herrsche zurückgreifen, um die arbeitende Bevölkerung zu spalten und die Ausgebeuteten und Unterdrückten gegeneinander auszuspielen. Signale aus Athen Der frische Wind aus Athen könnte uns dabei zugute kommen. Denn der Januar war noch nicht vorbei, als die Wahl in Griechenland die Herrschenden in Europa kalt erwischte und erschütterte. Noch nie zuvor hat es in diesem Land eine Parlamentsmehrheit von Parteien der radikalen und kommunistischen Linken gegeben. Jahrelang dienten die arbeitenden Menschen, RentnerInnen und Jugendliche in Griechenland der Troika als Versuchskaninchen für „Reformen“, die Kahlschlag, Lohndumping und Verelendung brachten. Jetzt haben sie diese Politik mit dem Stimmzettel abgewählt. Aufbruchsstimmung machte sich breit, als die neue Regierung gleich in den ersten Tagen eine Reihe fortschrittlicher Maßnahmen und die Rücknahme einiger Kahlschlagsmaßnahmen und Privatisierungsbeschlüsse des Vorgängerkabinetts verkündete. Das ließ weit über Griechenland hinaus aufhorchen und zeigt: Kahlschlag und Verelendung können und müssen zurückgenommen werden. Ein anderer Weg ist möglich und nötig. Eine Woche nach dem Syriza-Wahlsieg demonstrierten in Madrid 300.000 Menschen, Ausdruck der Hoffnung, dass es in Spanien zu einem ähnlichen Umbruch kommt wie in Griechenland. Klassenkampf Aber dem Athener Aufbruch drohen Gefahren. Die neue Regierung steht von allen Seiten unter Druck. Für die arbeitende Bevölkerung, die seit Jahren mit Generalstreiks ihre Kampfbereitschaft demonstrierte, ist die Zeit gekommen, um sich ihre Rechte und einen erträglichen Lebensstandard (zurück) zu erobern. Das griechische und internationale Kapital, Bundesregierung, EU-Kommission und Europäische Zentralbank wollen genau dies verhindern. Und wer für Griechenland „Reformen“, also endloses Kaputtsparen fordert, der führt auch im eigenen Lande Böses im Schilde. Griechenland ist nur ein Versuchskaninchen für anderswo. Das schürt den Klassenkampf. Vergessen wir nicht, dass die allermeisten EU-„Hilfszahlungen“ an Athen direkt an deutsche Banken zurück geflossen sind. Und dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Zeit als Premier in Luxemburg Steuerhinterziehung organisiert und mit maßgeschneiderten Steuererklärungen dafür gesorgt hat, dass Luxemburger Großkonzerne in Europa keine Steuern zahlten. Und nun fordert ausgerechnet dieser Mann, der die Plünderung der Staatskassen organisiert hat, von Griechenland Haushaltsdisziplin und Schuldenabbau. So stehen stürmische Zeiten bevor. All das hat sehr viel mit der Lage in Deutschland zu tun. Millionen Menschen im besten Alter sind ohne Beschäftigung oder unterbeschäftigt, weil es für sie keine existenzsichernde Vollzeitstelle gibt. Hohe Mieten machen das Wohnen in Großstädten unerträglich teuer. Viele Millionen kommen zwar finanziell über die Runden, leiden aber zunehmend unter Leistungsverdichtung und Stress als Folge von Unternehmenstrategien zur Profitmaximierung und Personalabbau. Junge, oft auch hochqualifizierte Menschen müssen sich mit Befristungen und Praktika durchschlagen und haben das Gefühl, keine gesellschaftlich sinnvolle und motivierende Arbeit zu leisten. Dass Politik und Kapital eng verflochten sind und eine kleine Schicht von Superreichen immer mehr besitzt, können wir Tag für Tag lesen und hören. Ältere Menschen plagt angesichts der „Rentenreformen“ der letzten 15 Jahre die Angst vor der Altersarmut. An allen Ecken und Enden höhlen dreiste Unternehmer den gerade eingeführten gesetzlichen Mindestlohn aus. Und entgegen der Lippenbekenntnisse zur sogenannten christlich-abendländischen Kultur und Zivilisation tragen westliche Waffen und Einmischungen zu barbarischen Kriegen bei. Sicher sind nur die permanente Unsicherheit sowie Angriffe auf Lebensstandard und -qualität. Dies führt auf Dauer zur Infragestellung der herrschenden Zustände und der sie tragenden Eliten und zum Aufbegehren gegen das Krisendiktat des kapitalistischen Systems. In Zeiten wie diesen sind marxistische Analysen und sozialistische Ideen aktueller denn je. In diesem Sinne: Viel Spaß und Erkenntnis beim Lesen dieser Ausgabe des Funken! Tragt die Ideen weiter! Verkauft unsere Zeitschrift weiter! Unterstützt uns beim Aufbau einer marxistischen Alternative! |