Kategorie: Deutschland

Editorial Funke Nr. 99: 2016 - Turbulenzen und Klassenkämpfe

Ein stürmisches 2016 liegt vor uns. Stürmisch waren im wahrsten Sinne des Wortes schon zum Jahreswechsel die Auswirkungen der Klimakatastrophe, die dem Nordpol Tauwetter und den Britischen Inseln Jahrhunderthochwasser brachten.


Stürmisch geht es längst auch in der Weltpolitik zu, die im Zeichen von diplomatischen Krisen, Wirtschaftskriegen, militärischen Auseinandersetzungen, staatlichem und individuellem Terror steht.

Die Welt ist aus den Fugen geraten und die herrschende kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung steckt in ihrer tiefsten Krise seit Generationen. Ein Zurück zur Sicherheit, Überschaubarkeit und Planbarkeit früherer Jahrzehnte ist nicht in Sicht.
„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“, so beginnt das erste Kapitel des Kommunistischen Manifests von 1848. Was Karl Marx und Friedrich Engels vor über 167 Jahren zu Papier brachten, ist gerade in diesen Zeiten höchst aktuell. Denn Klassenkonflikte sind letztlich eine Haupttriebfeder hinter den verwirrenden und scheinbar zusammenhanglosen Ereignissen, die rund um die Uhr Schlagzeilen produzieren. Woche für Woche kommt es zu neuen Erschütterungen, die vor keinem Land der Erde Halt machen. Die Polarisierung zwischen den gesellschaftlichen Klassen hat stark zugenommen und zieht sich wie ein roter Faden durch alle Lebensbereiche. Die Frage ist nicht, ob diese Erschütterungen mit voller Wucht auch Deutschland treffen werden, sondern lediglich wann.

Dabei finden Klassenkämpfe schon längst auch mitten in Deutschland statt. 2015 verzeichneten die Statistiker hierzulande Rekordwerte bei Streiktagen und Streikenden wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Überragend waren dabei die Arbeitskämpfe in den Sozial- und Erziehungsdiensten und bei der Deutschen Post sowie Streiks beim Versandhändler Amazon, der Deutschen Bahn und der Lufthansa. Auch 2016 sind Tarifkämpfe zur Verteidigung von Lebensstandard und Lebensqualität angesagt. Dies ist kein Zufall. Real haben die Beschäftigten in Deutschland heute weniger in der Tasche als um die Jahrtausendwende. Spiegelbildlich zur sinkenden Lohnquote, die auf nunmehr 66,5 Prozent gefallen ist, stieg die Profitquote, also der Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen, von 27,9 Prozent im Jahr 2000 auf 33,5 Prozent 2011. Die Unternehmensgewinne kletterten trotz Krise 2010 insgesamt um 16,7 Prozent.

Die Erfahrung zeigt: Stark und durchsetzungsfähig sind wir nur, wenn wir die Kräfte bündeln und die Kämpfe koordinieren. Verzettelt und vereinzelt werden wir nur verlieren. Die herrschende Klasse setzt verstärkt auf eine Spaltung der abhängig Beschäftigten. Seit den 1990er Jahren macht die anhaltende Tarifflucht den Gewerkschaften zu schaffen. Nur noch 60 Prozent der Beschäftigten im Westen und 47 Prozent im Osten arbeiten zu Bedingungen eines Flächentarifvertrags. Für viele bringt dies in aller Regel schlechtere Einkommen, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche und Sozialleistungen als nach den Normen des Tarifvertrags. Ganz zu schweigen von Millionen Menschen, die sich mit prekärer Arbeit – Leiharbeit, Werkverträgen, Befristungen, Minijobs, Scheinselbstständigkeit – durchschlagen müssen und auf keinen grünen Zweig kommen. Mit dieser Erosion ist schleichend und subtil ein Stück weit eingetreten, was der damalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, 2003 verkündete: „Man müsste Lagerfeuer machen und die ganzen Flächentarifverträge verbrennen.“ Während viele in den Gewerkschaftsvorständen noch auf Sozialpartnerschaft, Co-Management und die Kraft ihrer Worte setzen, steht in vielen Betrieben „Union busting“, also die systematische Bekämpfung aktiver Gewerkschafter und engagierter Betriebsräte, auf der Tagesordnung

Es ist auch kein Wunder, dass der über lange Jahre vorherrschende Optimismus verschwunden ist. So blicken laut repräsentativer Umfrage des GfK-Instituts 55 Prozent des Bundesbürger eher mit Angst als mit Zuversicht in das neue Jahr. Bei der mitten im Leben stehenden Generation der 33- bis 54-Jährigen rechnen sogar 83 Prozent mit schlechteren Zeiten.

Die Krise hat alle Lebensbereiche erfasst. Auch bisher so unangefochtene tragende Säulen und Institutionen wie die großen Amtskirchen, Deutscher Fußballbund, Medien, Deutsche Bank, VW und andere Konzerne und Institutionen sind in der Krise und haben an Ansehen eingebüßt. Die Mehrheit gegen eine Olympia-Bewerbung beim Hamburger Bürgerentscheid im November 2015 drückt das tiefe Misstrauen gegenüber den politischen Eliten und Institutionen aus. Vertrauensverlust und Gleichgültigkeit haben die Wahlbeteiligung gegenüber früheren Jahrzehnten massiv gesenkt.

Wir haben es mit einer Krise der Moral, der Infrastruktur und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu tun. Während rechte Rattenfänger mit rassistischen Hassparolen und Fremdenhass zu punkten versuchen und tätliche Übergriffe zunehmen, erlebten wir in den letzten Monaten aber auch eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge. Sie zeigt, dass der Keim für eine andere, solidarische Gesellschaft vorhanden ist. Ohne das Diktat des privaten Profits und der herrschenden Klassen könnten alle Menschen weltweit satt werden, auskömmlich und ohne Angst vor der Zukunft leben. Sollte doch das Normalste der Welt sein, oder?

In den anstehenden Turbulenzen kommt es mehr denn je auf klaren Kurs, nüchterne Analysen und einen sozialistischen Ausweg aus dem kapitalistischen Elend an. Dazu soll auch diese Funke-Ausgabe beitragen. In diesem Sinne: Viel Spaß und Erkenntnis beim Lesen dieser Ausgabe! Tragt die Ideen weiter! Verkauft unsere Zeitschrift weiter! Unterstützt den Aufbau einer marxistischen Alternative!



Inhalt

Deutschland:
Flüchtlinge: Heuchlerische Politik der EU
SPD: Rechtsruck ohne Ende?

Antifaschismus:
AfD: die neuen Faschisten?

DIE LINKE:
Zwischen Chance und Ohnmacht

Kapital und Arbeit:
Widerstand gegen Union Busting

Geschichte:
Fluchtursache Konterrevolution

Theorie:
Lenins Imperialismustheorie bleibt aktuell

International:
Spanien rückt nach links
Venezuelas Revolution in Gefahr

Ökologie:
VW-Skandal: „VW-Chefs haben Profitrate mit Mafiamethoden verteidigt“
Weltklimakonferenz: Außer Spesen nichts gewesen

Kultur:
Neuerscheinung: Die Dritte Front von Willi Münzenberg

Die neue Ausgabe des Funken kann zum Preis von 2 Euro bei der Redaktion bestellt werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

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