Wir erleben derzeit deutliche Verschiebungen in der politischen Landschaft. In Programmatik und Verlautbarungen rücken die meisten Parteien nach rechts. Weil etablierte (Regierungs-)Parteien für ihre Sozialabbaupolitik abgestraft werden und massiv Stimmen verlieren, verschieben sich die Kräfteverhältnisse in den Parlamenten. In Vorbereitung auf die nächste Wirtschaftskrise ist die herrschende Klasse überzeugt, dass aus ihrer Sicht eine Abwälzung der Krisenlasten auf die lohnabhängige Bevölkerung nötig ist. Parteien, die regieren wollen, müssen sich den kapitalistischen Sachzwängen unterordnen.
Die SPD hat bereits in der Vergangenheit unsoziale Konterreformen und Kürzungsmaßnahmen mit der Union zusammen beschlossen. Unter programmatischem Anpassungsdruck steht auch DIE LINKE. Aktivisten kritisieren, dass die von ihr mit getragenen Landesregierungen in Thüringen, Brandenburg und Berlin im Juni 2017 im Bundesrat den Einstieg in die Autobahnprivatisierung mit unterstützt haben.
Gleichzeitig steigt die Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse und die Wut auf die Eliten und ihre Parteien. Mit der Einführung der Hartz-Gesetze ging ein deutlicher Anstieg prekärer Lebensverhältnisse einher. Die junge Generationen kann insgesamt den Lebensstandard der Eltern nicht mehr erreichen. Dies wird sich weiter verhärten, beginnen erst einmal die nächsten Kürzungsmaßnahmen nach Beginn des vorhergesagten Wirtschaftsabschwungs.
Schulstreiks gegen Klimakatastrophe
Massenmobilisierungen nehmen zu. Demonstrationen gehören zum Alltag. Seit Januar hat an den Schulen die weltweite „Fridays for Future”-Bewegung ein starkes Echo gefunden, die bereits in Teilen die mangelnde Handlungsbereitschaft der Politik und die Unfähigkeit zur Lösung innerhalb dieses Systems erkannt hat. Parolen wie „System Change, not Climate Change“ sind letztlich eine Kampfansage an das Kapital. Diffamierende Äußerungen bürgerlicher Politiker ließen nicht lange auf sich warten. So meinte FDP-Chef Lindner, man müsse „Profis“ und keine Kinder über wichtige Themen entscheiden lassen. Wenn es drauf ankommt, ziehen auch Grüne-Politiker die Kapitalinteressen dem Umweltschutz vor. Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann kritisierte, dass die Schülerinnen und Schüler während der Schulzeit demonstrieren, anstatt in die Schule zu gehen. Er fordert, dass die Proteste bald ein Ende finden müssten und droht mit Sanktionen. „Sonst sucht sich zum Schluss jeder sein Thema aus, das er dann irgendwie moralisch auflädt – und das geht nicht.“ Das Thema Klimakatastrophe ist für einen führenden Grünen-Politiker also nicht mehr als „moralisch aufgeladen“.
Ebenso haben Proteste gegen AfD, CDU und CSU stark zugenommen. Jugendliche und abhängig Beschäftigte setzen sich für die Rechte von Geflüchteten, gegen Rassismus und gegen die Polizeigesetze ein. So gingen in Bayern 2018 insgesamt weit über 100.000 Menschen auf die Straße. In Berlin konnten 250.000 Menschen für die “Unteilbar”-Demo am 13.10.2018 mobilisiert werden. Diese Protestwelle beeinflusst das politische Klima. Massendemonstrationen gab es zudem für gesündere Nahrungsmittel, für einen sofortigen Ausstieg aus der Kohle und für den Erhalt des Hambacher Forsts. Die Bewegung gegen den Braunkohletagebau fordert Klimagerechtigkeit. In diesem Jahr soll eine Konferenz über die „Transformation des kapitalistischen Systems“ stattfinden.
In der Energie- und Autobranche steht ein massiver Umbau an. Eine Überproduktionskrise zieht auf. Hier haben Umweltschützer mit dem Problem zu kämpfen, dass ihre Anliegen gegen die Interessen der Belegschaften am Erhalt ihrer Arbeitsplätze ausgespielt werden können. Besonders die Krise der Automobilindustrie äußert sich bereits jetzt in massenhaftem Arbeitsplatzabbau und Kahlschlag. Wir können deutlich machen, dass die Arbeitsplätze nicht durch Umweltschutz, sondern durch die Kapitalisten in Frage gestellt werden und ein gemeinsamer Kampf gegen die kapitalistische Produktion nötig ist. Die Produktion muss weg von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren hin zu ökologisch verträglichen Alternativen umgerüstet werden. Der technische Entwicklungsstand gibt dies längst her.
Pflegenotstand
Großen Zuspruch fanden die Proteste gegen den Pflegenotstand in Krankenhäusern. Auch junge Krankenhausärzte streikten für bessere Arbeitsbedingungen. In Bayern und Bremen wurden Unterschriften für das Volksbegehren “Stoppt den Pflegenotstand an den Krankenhäusern” gesammelt. Überall wurden deutlich mehr Unterschriften als benötigt gesammelt. Der Beitrag von SPD-Chefin Andrea Nahles beschränkt sich auf die absurde Forderung nach einer Gründung eines Arbeitsgeberverbands für die Pflegebranche. Anstatt die Belegschaften zu mobilisieren, möchte sie scheinheilig die Ausbeuterseite, also die privaten Pflegeanbieter, stärken und organisieren. Vergessen wir auch nicht die vielen Warnstreiks in den jüngsten Tarifrunden. Es gibt also durchaus Bewegung in der Arbeiterklasse. Wichtig ist es nun, all diese verschiedenen Kämpfe unmittelbar mit der sozialen Frage zu verbinden und sie zusammenzuführen. Dass es überall brodelt, zeigt auch die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich.
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Schule & Betrieb gegen Kapitalismus
Inhalt
Deutschland
2 Enteignung in aller Munde!
4 Bewegung und Aufbruch
Gewerkschaften
5 Das Ende der Sozialpartnerschaft naht
6 Kurze Vollzeit für alle!
8 DGB und EU: Gibt es ein „Friedensprojekt“ Europa?
10 Keine Truppentransporte Richtung Osten!
Kapital und Arbeit
11 Ausplünderung vom Feinsten und drohende Verjährung
Ökologie
12 Ethischer Konsum: Weltveränderung oder Etikettenschwindel?
14 Umweltfrage ist Klassenfrage
International
15 Risse im Beton des algerischen Regimes
16 Der Brexit und die Krise des Kapitalismus
18 Weltmacht und Seemacht
Geschichte
20 Wessen Europa? Geschichte der europäischen Einigung
Kultur und Berichte
22 Revolutionärer Auftakt in Hamburg
23 Shitstorm über Venezuela-Solidarität
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