Unterdessen möchte die rot-rot-grüne Landesregierung einen Mietendeckel erlassen, der die Mieten in Berlin für die nächsten fünf Jahre teilweise einfriert. In etwa zwei Monaten hat die Initiative für das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. Enteignen mehr als dreimal so viele Unterschriften gesammelt wie eigentlich notwendig wäre. Das zeigt einerseits die Begeisterung und den Kampfgeist der Aktivisten und andererseits, wie sehr die steigenden Mieten, Verdrängung und Wohnungsmangel den Bewohnern Berlins auf den Nägeln brennen.
Die Dringlichkeit und der damit einhergehende Druck weiter Teile der Arbeiterklasse, die Wohnungsfrage zu lösen, bringen auch die Berliner Landesregierung (Senat) in Zugzwang. Sie hat am 18. Juni ein Eckpunktepapier für einen Mietendeckel beschlossen. In diesem Jahr soll das Papier nun in Gesetzesform gegossen werden. Jedoch bedeutet das noch lange nicht, dass ein genereller Stopp der Erhöhungen von Mieten eintreten wird. Das Papier bietet Ausnahmen vor allem bei Neubauten und die Miethaie werden jede noch so kleine Lücke und kriminelle Methode nutzen, um ihre Profite zu steigern.
Als die Landesregierung ihr Vorhaben ankündigte, zog eine weitere Welle der Empörung durch die bürgerlichen Medien. Wie schon vorher über die Initiative und über Kevin Kühnerts Verstaatlichungsforderungen, prasselte nun der Hass der Immobilienbonzen und ihrer ideologischen Schreiberlinge über einen möglichen Mietendeckel nieder. So publizierte die FAZ am 15. Juni einen Gastbeitrag des Wirtschaftshistorikers Joachim Voth mit dem Titel „Höhere Mieten für alle!“. Der Autor stellt dort fest: „Wer schon lange in seiner Wohnung lebt, wird vor Mieterhöhungen künstlich geschützt. Das ist unsozial.“
Noch dreister zeigte sich der Eigentümerverband Haus & Grund und entlarvte damit den parasitären Charakter der Immobilienkonzerne. Der Verband rief alle Vermieter in Berlin dazu auf, die Mieten bis zum 17. Juni – und darüber hinaus – zu erhöhen, da der Berliner Senat am 18. Juni über den Mietendeckel entscheiden würde. Dem Landesvorsitzenden von Haus&Grund geht es dabei darum, „ein Zeichen zu setzen gegen die linke Wohnungspolitik“. Dabei fantasiert er eine Zerstörung des „Mittelstandes“ durch den Mietendeckel herbei, weil so seiner Meinung nach den Eigentümern Geld für Instandhaltungen entgehen würde, was wiederum die Handwerksbranche strangulieren würde.
Wolfgang Becker, Vorsitzender von Haus & Grund Berlin-Wilmersdorf, drängte darauf, den ganzen Spielraum von 15 Prozent innerhalb von drei Jahren für diese Mieterhöhungen zu nutzen. Das gab er scheinheilig als Notwehr aus. Das Vorgehen des Eigentümerverbandes ist Erpressung und zeigt, dass den Bürgerlichen demokratische Entscheidungen, die an ihre Profite gehen, ein Dorn im Auge sind. Die politische Zielsetzung ist eindeutig: Die Landesregierung in Berlin so stark unter Druck zu setzen, dass diese vom Mietendeckel absieht. Das gibt einen Vorgeschmack auf den unerbittlichen Kampf, den die Kapitalisten gegen mögliche Enteignungen oder auch nur Eingriffe in ihr Eigentum führen werden.
Die Löhne sinken, dafür steigen aber auch die Mieten
Berlin ist nicht die einzige Stadt, in der die Mieten förmlich explodieren. In Deutschland wohnt die Hälfte aller Haushalte zur Miete, in Großstädten sogar durchschnittlich 75 Prozent. Seit der Wirtschaftskrise 2008 haben sich besonders in Großstädten die Mieten dramatisch erhöht. Mietexplosion und stagnierende oder sinkende Realeinkommen gehen Hand in Hand. So sind die Angebotsmieten, also die Mietpreise bei Neuvermietung zwischen 2008 und 2018 in Berlin um 104 Prozent gestiegen, in München um 61 Prozent, in Hamburg um 49 Prozent. Aber auch die Bestandsmieten steigen ständig und stark. Die dauerhafte Zunahme von Teilzeit und Minijobs sowie sinkende Einkommen – die unteren 50 Prozent der Lohnabhängigen verdienen heute real weniger als 1991 – sorgen für eine enorme Polarisierung in den Städten.
Von dieser Entwicklung sind insbesondere Frauen und Familien mit Einkommen unter der Armutsgrenze betroffen. Für sie gibt es in den Großstädten kaum noch leistbaren Wohnraum. Sie werden an die Stadtränder verdrängt, wo es kaum Arbeitsplätze, schlechte Verkehrsanbindungen und mangelnde Kinderbetreuung gibt. Eine ständig steigende Zahl von Menschen ist wohnungslos. Die Zahl könnte bald auf 1,2 Millionen steigen. Genauso ist Überbelegung von Wohnräumen wieder gang und gäbe. Gerade Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Ausland, die über verschiedenste Formen von Sub-Unternehmen in Deutschland zu erniedrigenden Bedingungen arbeiten müssen, werden oft in kleinen Wohnungen zu horrenden Mietpreisen zusammengepfercht. Ebenso Geflüchtete, die keine angemessenen Wohnungen erhalten und in Asylunterkünften oder an den Stadträndern in heruntergekommenen Altbauten zusammengedrängt leben müssen.
Im Kapitalismus nicht zu lösen
Diese Entwicklung ist in den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen angelegt. Die Kapitalisten investieren nur dort, wo sie maximale Profite herausschlagen können – unabhängig von den realen Bedürfnissen der arbeitenden Klasse. Günstiger, bezahlbarer Wohnraum ist eben nicht so ertragreich wie Shopping-Center, Luxuspaläste und Bahnhofsprojekte.
Friedrich Engels legte 1872 in der Streitschrift Zur Wohnungsfrage dar, wie die Kapitalisten die Wohnungsfrage lösen: „In Wirklichkeit hat die Bourgeoisie nur eine Methode, die Wohnungsfrage in ihrer Art zu lösen - das heißt, sie so zu lösen, daß die Lösung die Frage immer wieder von neuem erzeugt.“
Nämlich durch die „allgemein gewordene Praxis des Breschelegens in die Arbeiterbezirke, besonders die zentral gelegenen unserer großen Städte, ob diese nun durch Rücksichten der öffentlichen Gesundheit und der Verschönerung oder durch Nachfrage nach großen zentral gelegenen Geschäftslokalen oder durch Verkehrsbedürfnisse, wie Eisenbahnanlagen, Straßen usw., veranlaßt worden. Das Resultat ist überall dasselbe, mag der Anlaß noch so verschieden sein: die skandalösesten Gassen und Gäßchen verschwinden unter großer Selbstverherrlichung der Bourgeoisie von wegen dieses ungeheuren Erfolges, aber – sie erstehn anderswo sofort wieder und oft in der unmittelbaren Nachbarschaft.“
An dieser Praxis hat sich seitdem letztlich nichts geändert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Wohnungsnot sehr hoch, dazu herrschte eine explosive antikapitalistische Stimmung in West-Deutschland und die Sowjetunion saß den Kapitalisten im Nacken. Um sich vor einer Revolution zu schützen, mussten die Kapitalisten und ihr Staat größere Zugeständnisse an die Arbeiterklasse machen. Dazu zählte unter anderem auch der Soziale Wohnungsbau. Dieser machte ab Anfang der 50er Jahre den Großteil an neu gebauten Wohnungen aus.
Gleichzeitig aber schuf der Staat den Baukonzernen und Immobilienunternehmen günstige Rahmenbedingungen, um sich zu bereichern. In den 1960ern wurden Kündigungsschutz und die Mietpreisbindung aufgehoben, was zu enormen Mietpreiserhöhungen und massenhaften Kündigungen führte. Nach starken Protesten lenkte der Staat ein. 1974 wurde das Kündigungsschutzgesetz beschlossen sowie das Wohngeld eingeführt.
Auf der anderen Seite erhielt die herrschende Klasse natürlich weitere Möglichkeiten, die Mieter auszupressen. Verschiedene Gesetzesänderungen wie die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete, Steuervergünstigungen und direkte staatliche Förderungen sorgten für Spekulation mit den bestehenden Wohnungen und einen Rückgang des Wohnungsbaus. Schließlich brach auch der Soziale Wohnungsbau in den 70er Jahren ein. Gleichzeitig wurde es den Baukonzernen in den 80ern ermöglicht, öffentliche Baudarlehen schneller zurückzuzahlen. Damit endete die Belegungs- und Mietpreisbindung bei Sozialwohnungen früher, so dass diese als Eigentumswohnungen verkauft werden konnten. Hier begann schließlich die Privatisierungswelle auf dem Wohnungsmarkt.
Als die BRD sich die DDR einverleibte, erzwang sie in den neuen Bundesländern massive Privatisierungen, deren Profiteure in erster Linie große Immobilienunternehmen waren. Seit den 1990er Jahren wurden mehrere Millionen Wohnungen in Deutschland privatisiert. Viele Sozialwohnungen haben ihre Sozialbindung verloren. Die Zahl sank seit den 1980ern von vier auf wenig mehr als eine Million. Außerdem haben viele Bundesländer, Kommunen, der Bund und privatisierte Betriebe wie Bahn, Post und Telekom die eigenen Wohnungsbestände privatisiert. Mit der Folge intensiver Mietpreissteigerungen und Verdrängung. Heute fehlen bundesweit über vier Millionen Sozialwohnungen, weil deren geringer Neubau die auslaufenden Sozialbindungen nicht im Geringsten deckt.
Spekulieren und vertreiben
Mit der Krise von 2008 hat das Ganze dann nochmals einen enormen Schub erhalten. Die Finanzunternehmen und Banken haben nach neuen Anlagemöglichkeiten gesucht und den Immobilienmarkt stärker ausgeschlachtet. Damit setzte eine Welle der Gentrifizierung ein, also Verdrängung in den Großstädten durch Modernisierungen der Bestandswohnungen und Neubauten von Einkaufspassagen und Luxusimmobilien. Zudem wird durch Leerstand eine weitere Verknappung des Wohnraums erzeugt. Dies führt schließlich dazu, dass die Kapitalisten die Mietpreise ständig anheben können. Zum einen, weil die Konkurrenz unter den Mietern steigt. Zum anderen, weil der Staat auf verschiedenen Wegen Immobilien- und Baukonzerne subventioniert. Die steigenden Mieten sorgen dann noch dafür, dass die Bodenpreise steigen. Die Mieter werden zum Spielball der Spekulation der herrschenden Klasse.
Der Boden hat per se keinen Wert. Sein Preis wird durch die Lage, die mögliche Nutzungsart und die mögliche Nutzungsintensität bestimmt. Bodenpreise können nur deshalb verlangt werden, weil die Besitzer ein Monopol darauf haben. Damit nimmt Grundeigentum die Funktion von fiktivem Kapital ein. Die Besitzer verkaufen oder verpachten den Boden zu einem Preis, der ihnen die maximal mögliche Rendite verschafft. Ebenso vermieten oder verkaufen Immobilienbesitzer ihre Immobilen nicht zu dem Preis, den die Errichtung kostet, sondern zu Preisen, die einerseits die Grundstückspreise decken und zum anderen die maximale Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital abwerfen. Sobald die Baukosten abbezahlt sind, fließt alles Geld dann nur noch in die Taschen verschiedener Kapitalfraktionen. Und die Wohnungspreise steigen weiter. Eine zutiefst parasitäre Praxis.
Was ist die Lösung?
Die Forderung nach Enteignung der Immobilienkonzerne ist völlig richtig. Doch sollte dies ohne jegliche Entschädigung stattfinden bzw. Entschädigungen nur an Kleinaktionäre bei erwiesener Bedürftigkeit fließen. Konzerne wie Deutsche Wohnen oder Vonovia sind nur durch Privatisierungen mächtig geworden. Sie bauen nicht einmal eigene Wohnungen, sondern kaufen bestehende Gebäude auf, um durch hohe Mieten maximale Profite herauszupressen. Sie haben sich die Taschen lang genug vollgestopft. Ebenso muss der Grund und Boden in den Städten verstaatlicht werden, damit die Spekulation ein Ende nimmt. Die Enteignung sollte auch mit der Konfiszierung der Vermögen dieser Unternehmen und Grundeigentümer einhergehen. Damit könnten Instandhaltungen und Neubauten finanziert werden.
Damit das erfolgreich sein kann, muss die Mieterbewegung Teil der organisierten Arbeiterbewegung sein. Das heißt, dass sie Teil des allgemeinen Klassenkampfes gegen die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die herrschende Klasse sein muss. Deshalb ist es richtig, dass sich ver.di in Berlin für die Initiative Deutsche Wohnen und Co Enteignen ausgesprochen hat. Jedoch reicht das nicht aus. Damit die Kämpfe erfolgreich sind, müssen sie mit anderen Protesten und insbesondere Streiks verknüpft werden. So wie die herrschende Klasse mit ihren Erpressungsmethoden die Politik in ihrem Staat bestimmt, so muss die Arbeiterklasse wieder politisch streiken.
Wie wir gesehen haben, ist die Entwicklung der Wohnungspreise eine Frage der Stärke der Klassen im Kampf gegeneinander. Die organisierte Arbeiterbewegung kann die Mietpreise durch gezielten Kampf herunterdrücken. Damit wir aber die Wohnungsfrage endgültig lösen können, brauchen wir eine sozialistische Revolution. Durch eine demokratische Planung der Wirtschaft durch die Arbeiterklasse können wir gemeinsam die Bedürfnisse der Menschheit gezielt befriedigen.
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