Kategorie: Deutschland

Jetzt erst recht: Hohenzollern und Co. enteignen!

Unser Solidaritätsaufruf „Keine Einschüchterung durch Hohenzollern und Co.!“ hat ein starkes Echo gefunden. Bei Redaktionsschluss haben wir bereits einen Großteil des benötigten Betrags von 2500,- Euro gesammelt.


Wir werden die Spendenaktion bis Mitte Januar 2020 fortsetzen und bei der Berliner LL-Demo am 12. Januar 2020 noch einmal dafür werben. Früher haben wir uns kaum für Adelsfamilien, Klatschgeschichten und Hofberichterstattung in der Regenbogenpresse interessiert. Doch jetzt kommt ein wohlhabender Adliger daher und sagt: Mein Ururopa war Kaiser und darum will ich Millionen vom Staat, Kunstwerke und ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht im Potsdamer Schloss Cecilienhof. Und die Bundesregierung führt darüber seit Jahren Geheimverhandlungen. Diese Dreistigkeit empört viele. Weil wir kritisch darüber berichteten, bekamen wir Ärger mit dem Honhenzollernanwalt. Um die damit verbundenen Kosten zu decken, starteten wir den Solidaritätsaufruf.

Wir bedanken uns hiermit bei allen, die uns mit vielen kleinen und etwas größeren Geldspenden und politischem Zuspruch tatkräftig unterstützt haben. Spendensammlungen fanden bei mehreren Veranstaltungen statt. So etwa beim Landesparteitag der hessischen LINKEN, beim Vorstand im ver.di-Fachbereich 8 (Medien) in Hessen und bei marxistischen Diskussionsveranstaltungen bundesweit. Überweisungen trafen aus dem ganzen Bundesgebiet und auch aus anderen Ländern ein. So machte in der Schweiz, in Österreich und Großbritannien die Sammeldose bei Veranstaltungen der IMT die Runde.

Deine Spende kämpft

Mit den Spenden können wir Anwaltskosten und andere Unkosten decken, die uns in der juristischen Auseinandersetzung entstanden sind. Das ersparte uns einen zermürbenden Kleinkrieg um Anwalts- und Gerichtskosten und setzte Energien für eine Offensive zur Aufklärung über die unverschämten Entschädigungsforderungen des Hohenzollernclans an den Staat frei. Hohenzollernprinz Georg Friedrich hat offenbar eine prall gefüllte Kriegskasse hat und überzieht in einer Art Zermürbungstaktik die Kritiker mit juristischen Klagen, Wir hingegen setzen mit Information und Fakten auf konkrete Solidarität und viele kleine Spenden.

Aufgrund des Solidaritätsappels wurde der Verfasser dieser Zeilen Ende November 2019 zu einem einstündigen Interview für die Serie „Gesellschaftsbarometer“ beim Offenen Kanal Kaiserslautern eingeladen. Die Aufzeichnung ist auf Youtube unter https://youtu.be/OSjvAOZSwv4?t=6 veröffentlicht. Sie kann gerne weiter empfohlen werden. Unsere Informationskampagne läuft auch nach Abschluss der Spendensammlung weiter. Für den 9. April 2020 plant die LINKE Rhein-Hunsrück-Kreis in Koblenz eine Demo. Anlass ist eine Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht, bei der die Hohenzollern die auch im Interview angesprochene Rückgabe von Burg Rheinfels verlangen.

Dass wir mit unserer Kritik nicht alleine dastehen, zeigt auch die Veröffentlichung von Historiker-Gutachten über die Nähe der Hohenzollernfamilie zur Nazi-Bewegung und Hitlerdiktatur in den 1920er und 1930er Jahren. Die Papiere wurden von Jan Böhmermann in seiner ZDF-Sendung Neo Magazin Royale erwähnt und stehen seither im Internet auf www.hohenzollern.lol. Die Behauptung, die Hohenzollern hätten dem Naziregime keinen erheblichen Vorschub geleistet, wird vor allem in den Gutachten der Historiker Peter Brandt und Stephan Malinowski anhand akribisch zusammengetragener Fakten widerlegt. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes enteignete die Sowjetische Militäradministration die Hohenzollern und andere Adelsfamilien auf dem Gebiet der späteren DDR – ein richtiger Schritt, der schon 1918 überfällig war. Seit dem Ende der DDR spürten die Hohenzollern wieder Aufwind. Nun sind allerdings laut Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 Entschädigungsansprüche ausgeschlossen, wenn die Vorfahren des Prinzen dem nationalsozialistischen System „erheblich Vorschub geleistet“ haben.

Dass 101 Jahre nach dem Ende der Monarchie in Deutschland der Hohenzollernclan sein Haupt erhebt und Forderungen an den Staat stellt, hat viel mit den Halbheiten der Revolution von 1918 zu tun. Denn die Spitzen von SPD und USPD, die im November 1918 als „Rat der Volksbeauftragten“ die Regierungsgewalt übernahmen, hätten eine konsequente Enteignung der politisch entmachteten Monarchen und Fürstenhäuser und eine Säuberung des alten, kaiserlichen und reaktionären Staatsapparats durchführen können – wie übrigens auch die Sozialisierung der Großkonzerne und Banken. Doch dies unterblieb und die üppigen Vermögen der Fürstenhäuser wurden nur „beschlagnahmt“. Die Revolution in Österreich im selben Jahr ging hier, trotz ähnlicher Halbheiten, eindeutig weiter: So wurden durch massiven Druck von unten die kaiserlichen Besitztümer des Hauses Habsburg enteignet und das Tragen von Adelstiteln durch das Habsburger-Gesetz von 1919 verboten.

So setzten die deutschen Adligen spätestens nach dem Abflauen der Revolution 1923 auf Rückgabe, überzogen Gerichte mit entsprechenden Klagen und setzten mit ihren Entschädigungsforderungen auf gefügige, unterwürfige Politiker. Dies wiederum sorgte in der Arbeiterbewegung für Wut. In dem von der KPD initiierten Volksentscheid für die Enteignung der Fürstenhäuser im Juni 1926 zogen KPD, SPD und ADGB an einem Strang und bekamen 14,5 Millionen Stimmen für ihr Begehren – deutlich mehr Wählerstimmen als die Arbeiterparteien in der Summe in jenen Jahren jemals errangen. Die Herrschenden verhinderten mit juristischen Tricks, Drohungen und Einschüchterungen den Erfolg dieses Entscheids. So wurde im Herbst 1926 eine großzügige Entschädigung mit den Hohenzollern vereinbart. Nichtsdestotrotz ist diese Etappe unserer Geschichte rund um den Volksentscheid 1926 spannend und lehrreich zugleich.

Für den abgedankten Ex-Kaiser und die Adelshäuser war der Volksentscheid wie auch vor allem die starke Einheitsfront der Arbeiterbewegung ein Warnschuss. So erklärt sich ihre zunehmende Hinwendung zur Nazi-Bewegung, die sich den Herrschenden und Vermögenden als Rammbock zur Zerschlagung der Arbeiterbewegung anbot. Der Ex-Kaiser war ein ausgesprochener Antisemit mit Aussagen, die auch aus der Feder von Hitler, Goebbels und anderen Nazibonzen stammen könnten. Sein Sohn und Kronprinz Wilhelm war ein ausgesprochener Bewunderer des italienischen faschistischen Diktators Mussolini und Gönner bzw. Förderer Hitlers. Und Wilhelms jüngerer Bruder August Wilhelm war seit 1929 aktiv in der Nazibewegung und 1932 Wahlkampfredner für die Hitlerpartei NSDAP. Er saß ab 1933 jahrelang für die NSDAP im gleichgeschalteten Reichstag der Nazidiktatur.

Böhmermann lässt übrigens auch den Ururenkel des Kaisers selbst zu Wort kommen. Dabei wird deutlich, dass Georg Friedrich längerfristige Pläne verfolgt. So sagte er am Rande des Festakts „300 Jahre Preußen“ im Jahre 2001: „Dadurch, dass wir jetzt ein vereintes Europa haben bzw. bekommen und immer mehr zusammenrücken, ein vereintes Europa, in dem wir über die Hälfte Mitgliedsstaaten mit einer Monarchie haben, denke ich sicher, dass man auch in Deutschland anfängt , ein bisschen darüber zu reden und auch darüber zu diskutieren, ob so was denn sinnvoll ist. Das wird auf jeden Fall kommen. Nur wann und in welcher Form, das kann ich im Moment noch nicht sagen.“

Dazu können wir nur sagen: Wehret den Anfängen! Stoppt diesen Größenwahn! Keinen Euro Zugeständnisse an die Hohenzollern! Keine Privatisierung von Kunst und Kultur! Was die Regierung letztlich macht und wie eventuell deutsche Gerichte spitzfindig über die Frage entscheiden, ob und inwieweit Wilhelm, August Wilhelm und Co. Hitler „erheblich Vorschub geleistet“ haben oder nicht, ist aber kein Naturereignis. Es ist immer auch eine Frage des öffentlichen Drucks und der Kräfteverhältnisse, denn Rechtsfragen sind immer auch Machtfragen. Daher ist starker Druck von unten und ein Aufschrei der Empörung in der Öffentlichkeit nötig. Schluss mit den Geheimverhandlungen! Hohenzollern und Co. enteignen!

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