Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem schlechten Zustand. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Ankündigungen von Arbeitsplatzabbau oder gar Betriebsschließungen. Auch die Weltwirtschaft befindet sich im Krisenmodus. Aktuelle Konflikte spiegeln den Wettlauf um Absatzmärkte und Einflusssphären wider (siehe Seite 4). Auch wenn es 2020 noch nicht zu einem tiefen globalen wirtschaftlichen Einbruch kommen sollte, so wird eine Phase von wirtschaftlicher Stagnation und leichtem wirtschaftlichen Rückgang zu massiven Angriffen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse führen.
In der herrschenden Klasse gibt es viele Begehrlichkeiten, um die Interessen der Banken und Konzerne entschiedener durchzusetzen als bisher unter der so genannten Großen Koalition. In der CDU wird das vom „Wirtschaftsflügel“ wohlwollend aufgenommen und zum Klassenkampf von oben geblasen. Steuersenkungen sollen die Unternehmer entlasten und ein höheres Renteneinstiegsalter die arbeitende Klasse belasten. Alle sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte werden in Frage gestellt. In Frankreich rühren Regierung und bürgerliche Medien während des Generalstreiks weiter die Propagandatrommeln und diffamieren soziale Errungenschaften als „Privilegien“.
Obwohl sich in der SPD das vermeintlich linkere Kandidatenpaar bei der Vorsitzendenwahl durchgesetzt hat, wird es aber zu keiner grundlegenden Wende der SPD-Politik kommen. Die anfängliche Euphorie ist schon wieder verpufft, weil es das neue Duo nicht geschafft hat, mit klaren Inhalten eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Die Fortsetzung der Großen Koalition wird auch von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken getragen und der „linke“ Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat Kreide gefressen, seit er stellvertretender Parteivorsitzender wurde.
Die LINKE profitiert kaum vom Niedergang der SPD, obwohl die gesellschaftlichen Entwicklungen – die herannahende kapitalistische Krise, die Zunahme von Arbeitskämpfen und die Radikalisierung in Teilen der Jugend – die Möglichkeit bietet, ihre Stagnation hinter sich zu lassen und sozialistische Ideen in der Bewegung zu verankern. Ende Februar lädt die LINKE zu einer Strategiekonferenz ein. Dies ist Ausdruck der Krise des Reformismus, die sich auch in der LINKEN immer stärker Bahn bricht. Wir möchten uns mit einem Beitrag an dieser Diskussion beteiligen (siehe S.12-15).
2020 gehen die Proteste gegen den Klimawandel weiter. Ein Jahr ist es her, dass aus einer Handvoll Aktivistinnen und Aktivisten eine weltweite Massenbewegung wurde, die vor allem junge Menschen auf die Straße gebracht hat. Das Thema bleibt aktuell und wird die Jugend weiterhin bewegen. Die Busch- und Waldbrände in Australien zeigen, dass die Klimafrage eng mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem verbunden ist (siehe Seite 19).
Das letzte Jahr war geprägt von weltweiten Massenbewegungen, die gleichzeitig auf mehreren Kontinenten stattfanden und identische politische Forderungen hatten. Sie sind letztendlich Ausdruck der Unfähigkeit des Kapitalismus, den Menschen ein sicheres und würdevolles Leben zu bieten. Diese Bewegungen fanden und finden statt in einer Zeit des Wirtschaftsaufschwungs. Alle Zeichen stehen nun aber auf Abschwung und Stagnation. Somit ist der Boden für weitere, größere Kämpfe bereitet. Das Bewusstsein der Massen wird sich weiter radikalisieren. Frankreich befindet sich seit Anfang Dezember in der längsten Massenstreikbewegung seit 1968. Und ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Hier läuft der politische Zorn der Gelbwestenbewegung mit der Streikwelle gegen die Rentenkürzungen zusammen und bildet derzeit das hellste Leuchtfeuer der nahenden neuen Zeit in Europa (siehe Seite 21). In Italien meldet sich eine neue Bewegung („Sardinen-Bewegung“) massenhaft zu Wort. Auch in Katalonien reißen die Proteste für die Unabhängigkeit nicht ab.
Hinter den pompösen Fassaden der Macht herrscht daher Panik. Die europäischen Kapitalisten sind von inneren Widersprüchen zerrissen. Das Wiedererwachen der Arbeiterklasse auf globaler Ebene ist eine Nachricht, die für sie zur Unzeit kommt. Der britische „Economist“ kann im globalen Massenprotest (den er an 14 Ländern festmacht) zwar keinerlei Gemeinsamkeiten festmachen, entdeckt aber darin mit empirischen Scharfsinn eine „neue Realität“ globaler Politik.
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