Kategorie: Deutschland

Housing Day – In Zeiten von Corona aktueller denn je

Der heutige 28. März ist europaweiter Housing Day – Aktionstag für bezahlbaren Wohnraum. Auch nach der Absage der zahlreichen geplanten Demonstration unter dem Motto „Wohnung für Menschen statt für Profit“ brennt das Problem in Zeiten von Corona mehr denn je auf den Nägeln.


Zum Schutz gegen das Coronavirus raten Landesregierung und Behörden der Bevölkerung dringend, möglichst zu Hause zu bleiben und zur Vermeidung von Ansteckungsgefahr Kontakt zu anderen Menschen zu meiden. Dieser gut gemeinte Rat greift jedoch bei Menschen ins Leere, die als Wohnungslose kein Zuhause haben und auf der Straße bzw. in überfüllten Notunterkünften leben. Bundesweit gibt es über eine Million Wohnungslose, die auf der Straße, in provisorischen Quartieren oder bei Freunden und Verwandten auf dem Sofa schlafen. Sie haben oftmals eine angeschlagene Gesundheit und sind jetzt umso mehr Ansteckungsgefahren ausgesetzt.

Der Rat „Meidet Kontakte“ ist auch für alle Menschen mit osteuropäischem Hintergrund oder Geflüchtete schwierig zu verwirklichen, die in prekären und skandalösen Verhältnissen arbeiten und in beengten und überfüllten Massenquartieren zusammengepfercht wohnen. Alle Betroffenen sind in diesen Tagen einer erhöhten gesundheitlichen Gefahr ausgesetzt und brauchen dringend menschenwürdigen Wohnraum. Angesichts dieser offensichtlichen Wohnungsnot ist es umso unerträglicher, dass in jeder Stadt und in vielen Dörfern bewohnbare Gebäude leerstehen und oftmals als spekulative Objekte verkommen, während wenige Meter entfernt Menschen auf der Straße leben.

Daher ist es gerade jetzt nötig, solche Gebäude zu beschlagnahmen und den Wohnungssuchenden ein Dach über dem Kopf anzubieten. Das wäre billiger als die Anmietung von Hotels und Jugendherbergen auf Kosten der Gemeinde.  „Leerstand beschlagnahmen, Spekulanten enteignen“, lautet unsere Parole, für die wir uns am Freitag in Wiesbaden bei einer Fotoaktion auf der Straße einsetzten. Regierungen und Parlamente in Bund und Ländern verabschieden in diesen Tagen in Rekordzeit umfangreiche Pakete zur Rettung der Wirtschaft und setzen dabei mit der Schuldenbremse eine „Heilige Kuh“ außer Kraft. Die Bundesregierung schließt jetzt sogar Verstaatlichungen zur Rettung von Firmen und Betrieben nicht mehr aus.

Den Mut zum beherzten Eingriff in Leerstände und private Spekulationsobjekte haben die Regierenden in Bund, Ländern und Gemeinden jedoch nicht. Dabei könnten sie das in einigen Ländern sogar ganz legal tun. So etwa in Hamburg, wo die lokale Behörde laut Landesgesetz einen Treuhänder mit der Beschlagnahme leerstehender Immobilien beauftragen kann. Er kann die Räume auf Kosten des Eigentümers renovieren lassen und eine Neuvermietung einleiten. Doch dieses Gesetz wurde nach unseren Recherchen in Hamburg bislang eher selten angewandt. Auch die Zweckentfremdung von dringend benötigtem Wohnraum etwa durch Air-BnB-Ferienwohnungen wird durch den Bundestag nicht angetastet.

Weil die aktuelle Corona-Krise und der einsetzende Wirtschaftsabschwung viele Menschen obdachlos machen könnten und daher Existenzängste zunehmen, standen auch Bundesregierung und Bundestag unter Druck, um den Dampf etwas aus dem Kessel zu nehmen. So fasste der Bundestag am vergangenen Mittwoch Beschlüsse, um zahlungsunfähige Mieter befristet vor einer Kündigung zu schützen. So können Menschen bei starken Einkommensverlusten Hartz IV beantragen und müssen dabei für die kommenden sechs Monate keine Vermögensprüfung und keine Aufforderung über sich ergehen lassen, die Wohnkosten zu senken. Einkommensausfälle durch Corona dürfen kein Kündigungsgrund sein. Bei näherer Betrachtung handelt es sich jedoch um keinen Erlass der Miete, sondern eine Anhäufung von Mietschulden. Bezahlt werden müssen die Schulden samt saftigen Schuldzinsen innerhalb von zwei Jahren. Wer dies nicht schafft, kann aus der Wohnung fliegen.

Wer schon vor Ausbruch der Pandemie die Miete nicht zahlen konnte, ist durch die neuen Regelungen nicht geschützt. So werden bereits angelaufene Kündigungs- und Räumungsverfahren nicht gestoppt. Trotz Corona können auch weiterhin Eigenbedarfskündigungen ausgesprochen werden. Auch einen Mieterhöhungsstopp oder eine Mietobergrenze wird es nicht geben.

Wir fordern daher:

  • Immobilienleerstände, nicht genutzte Hotels, AirBnB-Ferienwohnungen müssen beschlagnahmt und für alle Menschen geöffnet werden, die dringend darauf angewiesen sind: Obdachlose, Geflüchtete, von häuslicher Gewalt Betroffene und Menschen, die in beengten, ungesunden und unhygienischen Verhältnissen leben.
  • Solcher Leerstand, aber auch leerstehende Gewerbeimmobilien, sollten zudem bei Bedarf für die medizinische Versorgung und für die Erholung von Erkrankten bereit gehalten werden.
  • Keine zentralisierte Unterbringung von infizierten Geflüchteten in geschlossenen Quarantänelagern!
  • Kein Aussetzen des Asylrechts: Flüchtlinge sind willkommen, die Kapitalisten sollen zahlen!
  • Immobilienbesitzer, die sich weigern, ihre leerstehenden Häuser für solche Zwecke bereitzustellen, gehören enteignet. Die Gebäude sollen in öffentliches Eigentum überführt werden.
  • Keine Subvention wohlhabender Vermieter aus Sozialleistungen, die Mietausfälle kompensieren! Alle Mieten, die aufgrund der Pandemie und Wirtschaftskrise nicht gezahlt werden können, sollen ersatzlos gestrichen werden. Keine Stundungen! Kein privater Profit mit der Miete!
  • Alle angelaufenen Kündigungs- und Räumungsverfahren sofort stoppen!
  • Alle aus der Mietpreisbindung herausgefallenen Sozialwohnungen müssen wieder in solche umgewandelt werden!
  • Alle privatisierten Wohnungsbestände von Bund, Bundesländern, Kommunen und privatisierten Betrieben wie Bahn, Post und Telekom in öffentliches Eigentum überführen!
  • Massives staatliches Investitionsprogramm für öffentlichen und sozialen Wohnungsbau!
  • Die Kosten für Telekommunikation, Wasser- und Energieversorgung aussetzen, die auf Grund von miserablen Arbeitsverträgen, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit nicht bezahlt werden können! Keine Stundungen, kein Abstottern nach der Krise!
  • Die Arbeiterklasse kann nur auf die eigene Kraft bauen: deshalb ist es notwendig Nachbarschaftskomitees zu organisieren und diese auf lokaler und nationaler Ebene zu vernetzen.
  • Diese Komitees sollten in den Stadtvierteln gewählt werden und ein Notfallmanagement einrichten! Versorgung von Hochrisikogruppen mit Lebensmitteln organisieren, Register mit Leerstand führen, Räumungen verhindern, Mieterhöhungen abwehren!
  • Dafür werden demokratisch gewählte und legitimierte Komitees gewählt, die durch die Mobilisierung der Wohnbevölkerung im Stadtteil die Vermieter unter Druck setzen können.
  • Diese Komitees sollten Aufgaben der Wohnungsverwaltung übernehmen und so ein Programm im Sinne der Arbeiterklasse durchsetzen, wie es oben im Allgemeinen dargestellt ist. Diese Strukturen würden die demokratische Kontrolle des vergesellschafteten Wohnungswesens übernehmen.
  • Die Gewerkschaften des DGB und die Partei DIE LINKE sind aufgefordert, solche Maßnahmen sowie Nachbarschafts- und Stadtteilkomitees zu unterstützen.

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