Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation wird jeder vierte Mensch in seinem Leben einmal psychisch krank, 800.000 Menschen begehen jährlich Suizid. Die WHO rechnet damit, dass Depression 2020 weltweit die zweithäufigste sog. Volkskrankheit sein wird. In Deutschland erfüllt laut DGPPN mehr als jeder vierte Erwachsene (27,8 %; 17,8 Mio.) im Zeitraum eines Jahres, die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Zu den häufigsten Krankheitsbildern zählen Angststörungen (15,4 %), Depressionen (8,2 %) und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch (5,7 %). Vor allem Frauen, junge Menschen und Menschen mit einem niedrigen Einkommen und Lebensstandard sind überdurchschnittlich häufig von psychischen Erkrankungen betroff en. So erfüllen z.B. 40% aller Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV und bis zu 74% der Wohnungslosen die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Das Gefühl von Unsicherheit und Ohnmacht hat mittlerweile sogar den Teil der erwerbstätigen Bevölkerung befallen, der früher als krisengefestigt galt, das sind z.B. LehrerInnen, ÄrztInnen oder KrankenpflegerInnen. Die Ursachen von Depressionen oder Ängsten werden hierzulande oft rein biologisch erklärt und behandelt. Erkrankt man an Depressionen, wird oft ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn als alleinige Ursache angeführt.
Wenn wir aber Depressionen oder Ängste betrachten, müssen wir vor allem soziale Faktoren und somit die Lebenswelt der Menschen und das kapitalistische System, in dem wir leben, in den Fokus rücken. Eine Studie von 2018 des Meinungsforschungsinstituts Gallup kam zu dem Ergebnis, dass in Deutschland 70 Prozent der Beschäftigten emotional gering an den Arbeitgeber gebunden sind und lediglich Dienst nach Vorschrift machen. Da wir als Arbeiterklasse über das Produzierte nicht selber verfügen und auch keinen Einfluss auf die Produktionsweise haben, wird unsere Tätigkeit zu etwas Abstraktem. Besonders dann, wenn sie monoton, langweilig und nervtötend ist. Wir haben häufig das Gefühl, dass in uns etwas abstirbt, sobald wir morgens zur Arbeit kommen, weil unsere Tätigkeit nichts von dem, was uns ausmacht, berührt. Viele erfahren auf ihrer Arbeit keine Möglichkeiten zur Veränderung oder Weiterentwicklung, weil sie als bloßes physisches Zubehör und als Kostenfaktor im Produktionsprozess angesehen werden. Der Wunsch nach Sinnhaftigkeit und Wertschätzung an unserem Arbeitsplatz bleibt oft unerfüllt.
Die Gesetze des Marktes bestimmen über unseren Lebensstandard und beherrschen uns wie unkontrollierbare Naturgewalten, auf die wir keinen Einfl uss haben. Der Verkauf der Arbeitskraft gilt vielen, die am Existenzminimum leben, nur noch als Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse. Im Kapitalismus steht das Individuum den gesellschaftlichen Ereignissen ohnmächtig gegenüber und wird anderen Individuen entgegengestellt. Dadurch werden wir als Lohnabhängige oder zukünftige Lohnabhängige nicht nur von unserer Arbeit und deren Produkten entfremdet, sondern auch von unseren Mitmenschen. Auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren wir gegeneinander und werden dabei durch sexistische, rassistische und homophobe Vorurteile gespalten. Am Arbeitsplatz werden wir oft dazu gezwungen bestimmte Quoten zu erfüllen und uns gegenseitig zu messen. Von früh auf werden an den Bildungseinrichtungen Konkurrenzdenken und bestimmte Rollenbilder kultiviert. Nicht ohne Zufall verletzen sich viele Kinder und Jugendliche selbst, weil sie dem zunehmenden Druck nicht gewachsen sind.
Dabei haben wir als Arbeiterklasse alle materiellen Bedingungen geschaffen, diese gesellschaft lichen Missstände aufzuheben und jedem ein würdevolles und angenehmes Leben zu ermöglichen. Durch eine bewusste und demokratische Kontrolle der Schlüsselindustrien und einen damit einhergehenden demokratischen Anstellungsprozess könnte jedem das Recht auf Arbeit ermöglicht und dem Konkurrenzkampf untereinander die Grundlage entzogen werden. Dies würde den Menschen Sicherheit und Stabilität in ihrem Leben geben. Eine damit verbundene Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich würde es ihnen darüber hinaus ermöglichen, persönlichen Interessen nachzugehen und sich aktiv an einem demokratischen Prozess in der Gesellschaft zu beteiligen. Zum ersten Mal wäre die Masse der Menschen nicht mehr von ihrer Umwelt entfremdet. In einer Gesellschaft, in der alle sozial gleichgestellt sind, würden die Menschen anfangen, aufrichtige Beziehungen einzugehen. Wollen wir dies erreichen, müssen wir mit diesem System der Ausbeutung und Unterdrückung brechen und gemeinsam als Arbeiterklasse für eine sozialistische Zukunft kämpfen! Menschen mit Depressionen oder Angststörungen erscheint das Leben oft sinnentleert. Doch es ist sinnvoll, wenn wir die Welt, in der unser Leben stattfindet, verändern können!
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