Kategorie: Deutschland

Stuttgart: Rassistisches Spektakel im TV

Am 21. Juni kam es in der Stuttgarter Innenstadt zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Jugendlichen. Die Medien berichteten gar von einem „Bürgerkrieg“ und machten Migranten für die Eskalation verantwortlich. Jedoch waren an der „Krawallnacht“ weder ausschließlich Migranten beteiligt noch ging von ihnen die Provokation aus. Ihre Wut richtete sich gegen die ständige Gängelung durch die Polizei und die Perspektivlosigkeit im Kapitalismus.


Die „Berichterstattung“ um das soziale Sommergewitter in Stuttgart und die Statements von bürgerlichen Politikern zeigen mal wieder, dass es nicht um Aufklärung, sondern um handfeste Interessen geht. Die „Gründe“ der Ausschreitungen waren von vornherein ausgemacht. Stefan Müller (CSU) weiß, dass „Deutschland ein Problem mit Migranten“ habe, welche „keinerlei Respekt vor der Polizei“ hätten. Andere behaupten, dass es den Migranten an „Achtung vor dem Grundgesetz“ oder an „westlichen Werten“ mangele.

Ein Höhepunkt der rassistischen medialen Hetze waren die Ergüsse des reaktionären „Welt“Kolumnisten Henryk M. Broder. Er setzte die Ereignisse in Stuttgart mit den Novemberpogromen der deutschen Faschisten gegen Juden im Jahr 1938 gleich. „Jetzt hat auch Stuttgart seine kleine Kristallnacht erlebt“, so Broder. Eine empörende Verharmlosung der faschistischen Pogrome.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Baden-Württembergs Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Thomas Strobl (CDU) nutzten die Gunst der Stunde, um vor einem Polizeiwagen mit eingeschlagenen Fensterscheiben zu posieren. Diese Hardliner forderten die „volle Härte des Gesetzes“ und Bestrafung aller Beteiligten. Immerhin handle es sich bei den Krawallen um einen Angriff gegen die gesamte deutsche Rechtsordnung. Jetzt ist die Polizei jedes Wochenende mit mehreren Mannschaften am Schlossplatz in Stuttgart, um „Recht und Ordnung“ durchzusetzen. Warum die Anwesenden ihre Zeit am Fünfecken See verbringen ist dem Staat egal, Hauptsache die Polizei schüchtert sie ein und entfernt die ungewollte Klientel. Immerhin ist Stuttgart Kulturhauptstadt.

Ariernachweis bitte!

Die Stuttgarter Polizei scheint eine klare Ahnung darüber zu haben, was die Wurzel des Übels ist und meint sie in den Stammbäumen der verdächtigten Jugendlichen finden zu können. Allen Ernstes hatte der Stuttgarter Polizeipräsident Frank Lutz am 09. Juli im Stuttgarter Gemeinderat angekündigt, dass „die Polizei auch bei den Tatverdächtigen mit deutschem Pass mithilfe der Landratsämter deutschlandweit Stammbaumrecherche betreiben“ werde.

Dass bei polizeilichen Ermittlungen bis heute auf Methoden zurückgegriffen wird, die in den rassenhygienischen Programmen des frühen 20. Jahrhunderts entwickelt und im Hitlerfaschismus perfektioniert wurden, braucht nicht zu verwundern. Immerhin wird bis heute in der Polizeiausbildung „Sippenforschung“ als Mittel präsentiert, um „arbeitsscheuen Berufsverbrechern“ das Handwerk zu legen. So etwa im Lehrbuch „Kriminologie für Studium und Praxis“, das vom Hausverlag der DGB-Gewerkschaft „Gewerkschaft der Polizei“ herausgegeben wurde. Diese Methoden waren Grundlage von Eugenik, Verfolgung und Ermordung von Millionen von Menschen.

Herrenrasse Kapital

Der Staat züchtet sich eine mit rassistischer Ideologie indoktrinierte Schlägertruppe heran und schickt sie dann los, damit sie sich ihre Vorurteile bestätigen können. Durch Racial Profiling werden „Nicht-Deutsch“ Aussehende permanent drangsaliert und erniedrigt. Dann und wann setzt sich einer berechtigterweise zur Wehr. Der Polizist darf seine rassistische Ideologie bestätigt wissen und auch mal ordentlich zulangen, denn immerhin würde es der „Kanacke“ nicht anders verstehen. Dass dies Alltag ist, zeigt die „Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt“. Sie hat für den Zeitraum von 2000-2020 eine 300 Seiten umfassende Chronik zu rassistisch motivierten Polizeivorfällen allein für Berlin erstellt.

Der Rassismus hat die Aufgabe, die Ursachen für alles gesellschaftliche Elend, wie häusliche Gewalt, Drogenmissbrauch, Diebstahl und Armut mit biologisierenden und kulturalistischen Scheinargumenten in den „Charakter“ oder die „Natur“ von gesellschaftlichen Gruppen zu verlagern. Gestohlen wird aus Habgier. Arbeitslose gibt es nur, weil sie faul sind und nicht, weil Kapitalisten nie ausreichend Jobs bereitstellen. Vergewaltigungen schaffen es nur in die Nachrichten und Sondersendungen, wenn vermeintlich ein Moslem oder zumindest Migrant Täter war. Das kapitalistische System, die Ausbeutung für den Profit und der Sozialabbau sind nie das Problem. Es sind immer die „Fremden“, die „Moslems“ oder die „Taugenichtse“, die uns „Deutschen“, uns „Christen“ uns „Tüchtigen“ Probleme machen. Wenn wir sie loswürden, dann würde alles besser.

Wenn Kriminelle kriminell sind, weil es nun mal in ihrer Natur liege, ist dem mit sozialen Verbesserungen nicht abzuhelfen. Der Staat kann Sozialausgaben kürzen und die Problembehandlung auf die Polizei verlagern. Das spart den Kapitalisten Milliarden. Die Polizisten behandeln soziale Probleme mit Gewalt, die auf diese Weise unlösbar sind und sehen ihre rassistischen Ressentiments deshalb bestätigt.

Weil aber Gewalt allein nicht ausreicht, um Ausgebeutete zu unterdrücken, braucht es zu ihrer Rechtfertigung rassistische Ideologie. Indem Polizei und Staat gegen „kriminelle Ausländer“ oder „Sozialschmarotzer“ „hart durchgreifen“, erwecken sie den Anschein, etwas gegen die gesellschaftlichen Missstände zu unternehmen. Dabei können sie Teile der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums mitreißen und sie auf andere Teile der Arbeiterklasse hetzen. Die Arbeiter, die sich auf das Teile-und-Herrsche-Spiel einlassen zementieren ihr eigene Ausbeutung und Unterdrückung. Der Rassismus spaltet die Arbeiterklasse entlang von Nationalität, Hautfarbe und anderer konstruierter Unterschiede und wiegelt sie gegeneinander auf. Er verdeckt die Klassenunterschiede und schafft eine Illusion von Volksgemeinschaft. Genau deshalb veranstalten die Nachrichtensender, Talk-Shows und Zeitungen dieses Festival rassistischer Ideologie in Folge der Stuttgarter „Krawallnacht“.

Zwar haben die Kapitalisten keine dauerhaften und guten Jobs, in denen sie die Jugendlichen vom Stuttgarter Schlossplatz ausbeuten können. Benutzt werden diese „arbeitsscheuen Berufsverbrecher“ dennoch von den Kapitalisten, dem Staat und den Pressekonzernen. Und das ganz im Interesse des Profits.

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