Zwar wurden weder die angekündigten 250.000 Teilnehmer der Menschenkette noch die knapp 4000 für die Hauptdemonstration erreicht; dennoch befand sich ein Teil der Stadt am Wochenende in einem gewissen Ausnahmezustand.
Wenngleich weder bürgerliche Medien noch die Querdenker selbst keine Faschisten vor Ort gesehen haben wollen, war das Schaulaufen in Konstanz ein Konglomerat verschiedenster rechter Ausprägungen. Neben Impfgegnern, Anthroposophen und rechten Esoterikern fanden sich Leugner oder Verharmloser der Corona-Pandemie ein, die in unterschiedlicher Intensität ihr wirres und gefährliches Weltbild zur Schau trugen.
Durch das Verbot der Stadt keine Reichskriegsflaggen zu hissen, konnte durchaus der Eindruck entstehen, dass in Konstanz weniger bis keine Faschisten zugegen waren als in Berlin. Doch das ist ein Trugschluss. Wenngleich nur wenige sich auch nach außen hin zu faschistischem Gedankengut bekannte (sei es durch Nazi-Tättowierungen oder gängiger Symbolik) entpuppten sich die Beiträge auf den Bühnen und Äußerungen während den Demonstrationen und Kundgebungen wessen Geistes Kind sie sind.
Dass sie keine Nazis gesehen haben mögen liegt dabei schlicht daran, dass die inhaltliche Schnittmenge mit rechtsradikalem Gedankengut bereits so groß ist, dass deren Narrativ und Position in einem Maße internalisiert wurde, dass eine Unterscheidung kaum mehr erkennbar ist. Anders als an den zwei Tagen in Berlin waren die große Mehrheit der Teilnehmer und Redner keine einfachen Bürger, die aus ökonomischer Not und Angst heraus bei Querdenkern eine (falsche) Erklärung und Lösung wegen der Krise und Pandemie erhofften.
Die etwa 1.500 Teilnehmer, die besonders am Sonntag ohne Masken und Abstand auf die Straße gingen, bestanden größtenteils aus Menschen, die bereits in einem Weltbild verfallen sind, das völlig falsche und gefährliche Antworten auf dringende Fragen der aktuellen Krise liefern. Besonders die Beiträge von Rednern am Sonntag unterstrichen den Grad der Entwicklung, an welchem Punkt sich die Querdenken-Bewegungen befindet.
Es wurden Vergleiche mit dem schottischen Befreiungskampf, der „Wende“ 1989 und anderen historischen Widerständen gezogen. Besonders problematisch wurde es, als gesagt wurde, man stünde nun an jener Stelle, wie damals die schwarze Bevölkerung in den USA in den 1960er Jahren. Hier wird der Rassismus für die eigene Ideologie instrumentalisiert und man wähnt sich als „rassistisch diskriminierte“ Menschen. Die Ideologie der „White Supremacy“ scheint in solch Argumentationen immer wieder durch.
Doch der Auftritt der Coronaleugner und Verschwörungstheoretikern blieb nicht unbeantwortet. Neben einem bürgerlichen Bündnis formierte sich ein antikapitalistisches und antifaschistisches Bündnis unter dem Titel „Welcome to Paradise“, dem sich auch die Marxistischen Studierenden Konstanz und die Linksjugend Konstanz anschlossen. Der Anspruch - der auch erfüllt wurde - war sowohl eine Kritik an den Maßnahmen der Bundregierung als auch den gefährlichen Ideologien der Verschwörungstheoretiker zu formulieren.
Samstags fand hiernach eine Kundgebung statt, an der die Redner eine deutliche Kapitalismuskritik formulierten, darunter auch die MSK. Das WTP-Bündnis bestand dabei aus Linken verschiedener Richtung: Anarchisten, Marxisten, Autonome und andere Sozialisten. Trotz der inhärenten politischen Unterschiede, die es in einigen Fragen gibt, spielte das an diesem Wochenende keine Rolle: das Konzept einer faktischen Einheitsfront revolutionärer Kräfte hatte hier einen gemeinsamen Nenner.
Nachdem der Samstag in Form der Kundgebung einen eher agitatorischen Effekt hatte, stand der Sonntag im Zentrum einer antikapitalistischen Demonstration und des Widerstands gegen die Verschwörungstheoretiker. Der Demonstrationszug, der kurz nach 12 Uhr seinen Lauf nahm, wurde wie erwartet von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Mit etwa 400 Demonstranten wurde sowohl der antifaschistische als auch antikapitalistische Charakter immer wieder betont. Je näher man sich dem Platz der Querdenker näherte, desto eher mischten sich thematisch passende Parolen ein, darunter „Maske auf!“, „Wir impfen euch alle!“ und „wer mit Nazis demonstriert, der hat wirklich nichts kapiert!“
Nach dem die Demonstration zum Ende kam fing der Tag allerdings erst richtig an. Eine kleinere Gruppe, bei der auch Mitglieder der MSK und der Linksjugend dabei waren, machten sich auf den Weg zu jenem Ort, an dem die Hauptkundgebung der Querdenker war. Bereits auf dem Weg dorthin wurden sie von einem großen Polizeiaufgebot verfolgt, die vor Ort den antifaschistischen Block von den Querdenker relativ schnell abriegelte.
Die Konfrontation war hier deutlich zu spüren, bei der die Polizei nun auch beritten zugegen waren. Völlig von den Polizisten abgeriegelt kam es dennoch immer wieder zu verbalen Konfrontationen mit Coronaleugnern, derweil mehr als deutlich war, dass die Polizisten einzig darauf aus waren, den linken Protest zu ersticken. Denn dass die Querdenker ohne Maske und Abstand vor Ort waren schien ihnen völlig egal, trotz der Erklärung der Stadt Konstanz, „hart“ durchzugreifen.
Alternative und rechte Presseleute - darunter ein RT Deutsch Streamer - verfolgten den antifaschisten Block, in deren Kommentarspalte sich all jene Menschen versammelten, die Antifaschisten als „Terroristen“ und dergleichen bezeichneten. Die Polizei rief nach einigen Minuten aus, dass jeder, der nicht zur Kundgebung der Coronaleugner gehört, den Platz räumen soll. Der antifaschistische Block geriet langsam in Bewegung, erneut begleitet von einem unverhältnismäßigen Polizeiaufgebot, der das Bild einer „gewaltbereiten Antifa“ nur untermauerte, derweil von ihnen keinerlei Gewalt ausging.
Die Gewalt ging hierbei von der Polizei aus, als ein Aktivist brutal von hinten gepackt und auf den Boden geworfen wurde. Die „offizielle Erklärung“ der Polizei besagt hierbei, dass der Aktivist die Pferde provoziert haben sollte. Das ist jedoch weder auf dem Video zu sehen noch konnte es außer von den Polizisten von niemandem bestätigt werden. Bis auf diesen brutalen Vorfall kam es jedoch zu keiner Gewalteskalation, auch wenn während des Zuges von den Querdenken-Leuten immer wieder Rufe und Schreie kamen, die von den Parolen der Antifaschisten jedoch übertönt wurden.
Als der Zug zu Ende kam und sich nach und nach auflöste zogen sich auch Mitglieder der MSK und der Linksjugend zurück, um eine potentielle Kesselung zu vermeiden. Diese fand dann nicht statt, die geographische Lage und das strukturell aggressive Auftreten der Polizei ließ jedoch alle Möglichkeiten offen.
Für die Querdenker war das Wochenende letztlich ein riesiger Reinfall. Weder die hoch gepokerten Teilnehmerzahlen wurden auch nur ansatzweise erreicht noch konnten sie glücklicherweise nicht ohne lauten und kämpferischen Gegenprotest ihre Ideologien verbreiten.
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