In Wirklichkeit ist das einzig Harte an den Neuerungen das weitere Abwälzen der Krisenlasten auf die individuelle Verantwortung. Das Coronavirus kann so nicht bekämpft werden. Die Bundes- und Landesregierungen lassen seit nun mehr 10 Monaten alle Möglichkeiten einer ernsthaften Bekämpfung des Virus unangetastet. Mit einer schnellen und konsequenten Reaktion wäre das Coronavirus längst im Frühjahr 2020 besiegt gewesen. Dafür braucht es die vollständige Stilllegung aller nicht unmittelbar lebensnotwendigen Bereiche der Wirtschaft, Massentests, Kontakt nachverfolgung und eine finanziell gut ausgestattete medizinische Infrastruktur.
Jetzt sind zwar weite Teile des Einzelhandels geschlossen und unser Privatleben durch Auflagen stark reglementiert, aber der Großteil der Firmen arbeitet weiter. Diejenigen die noch in Arbeit sind, sollen ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren, sich aber in der Freizeit isolieren. Alle anderen sollen selbst schauen, wo sie bleiben. Die politischen Entscheidungsträger nehmen den Ruin kleiner Unternehmen, die Verarmung von Solo-Selbstständigen, Künstlern und all derer, die noch immer in Kurzarbeit stecken oder ihre Arbeit verloren haben, billigend in Kauf.
Es geht den Regierungen vor allem um die Aufrechterhaltung der Profite. Das zeigt sich am krassesten im Gesundheitswesen. Laut Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) wurden im letzten Jahr auf Grund chronischer Unterfinanzierung 20 Krankenhäuser geschlossen. So wurden „Standorte, die Coronapatienten behandelt haben, zahlreiche Intensivstationen und Notaufnahmen und auch überproportional viele Geburtsstationen“ geschlossen und damit ganze 2.144 Betten platt gemacht. Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass aktuell 200 weitere Krankenhäuser unmittelbar von Insolvenz bedroht sind.
Dabei erreicht uns bei Redaktionsschluss die traurige Meldung eines neuen Höchstwerts bei den Todesfällen. Mittlerweile haben fast 40.000 Menschen durch Covid-19 ihr Leben verloren. Seit der 40. Kalenderwoche letzten Jahres steigt die Übersterblichkeit sehr deutlich an. In der 50. KW lag die Sterblichkeit 23 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. In Sachsen, wo es die höchsten Inzidenzen gibt, lag sie 88 Prozent, in Thüringen und Brandenburg mehr als 30 Prozent darüber. Dazu kommt noch die neue deutlich infektiösere Virusmutation aus Großbritannien, deren Ausbreitung die bereits überspannte Lage in den Krankenhäusern zum Zusammenbruch bringen könnte.
In Wirklichkeit hat sich zum Teil-Lockdown seit Mitte Dezember nicht viel geändert. Die völlige Inkonsequenz der Regierungen treibt die Akzeptanz des Lockdowns nach unten. Dabei brauchen wir eine Strategie zur Ausrottung des Virus. Dafür braucht es eine Massenkampagne der DGB-Gewerkschaften und der LINKEN, um die Arbeiterklasse für die Durchsetzung eines echten Lockdowns unter Kontrolle der Beschäftigten in den Betrieben und Nachbarschaften zu gewinnen. Ihre Kernforderungen sollten sein:
Alle nicht lebensnotwendigen Betriebe und Unternehmen gehören geschlossen. In allen Betrieben, die geöffnet bleiben müssen, müssen Belegschaftskomitees eingerichtet werden. Sie sollen zusammen mit den (wo vorhanden) gewählten Betriebsräten die notwendigen Befugnisse und Ressourcen erhalten, um vollständige persönliche Schutzausrüstung bereitzustellen und die erforderlichen Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen.
Volle Lohnfortzahlung für alle Beschäftigten, die beurlaubt oder isoliert werden müssen. Kleine Unternehmen, die geschlossen werden müssen, sollen bei erwiesenem Bedarf finanzielle Hilfe erhalten. Aber keine Rettungsaktionen für große Unternehmen und Konzerne. Sie müssen die Löhne aus ihren Gewinnen zahlen. Anstatt staatliche Hilfen zu erhalten, sollten die großen Monopole verstaatlicht werden, um Arbeitsplätze und Industrien zu verteidigen.
Alle verfügbaren Ressourcen im Gesundheitswesen müssen zur Bewältigung von Covid-19 genutzt werden. Alle privaten Gesundheitseinrichtungen gehören unter öffentliche Kontrolle und alle Auslagerungen und Privatisierungen rückgängig gemacht. Um dem Personalmangel zu begegnen, sollte eine Massenrekrutierungsaktion und die Ausbildung von Freiwilligen, einschließlich pensionierter Ärzte und Krankenschwestern, unter gewerkschaftlicher Kontrolle laufen. Wir brauchen höhere Löhne und bessere Beschäftigungsbedingungen im Gesundheitswesen.
Die Pharmaindustrie gehört verstaatlicht. Es braucht eine Kampagne der Gewerkschaftsbewegung, um die maximale Beteiligung der Bevölkerung an den Test- und Impfprogrammen zu gewährleisten.
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