Der bayerisch fränkische „Löwe“ Markus Söder, ist bis dato nicht bereit, seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur der Union zurückzunehmen. Dies trotz oder gerade wegen des Beschlusses des CDU-Präsidiums, Armin Laschet als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Auffällig ist, dass die Presseorgane des Bürgertums das „Handelsblatt“ oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sich in Zurückhaltung üben. Die Bourgeoisie ist verwirrt, welcher Kandidat ihre Interessen in der nächsten Periode am besten vertreten kann.
Die Union hat kürzlich bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der BRD eingefahren. Die Partei befindet sich scheinbar im unaufhaltsamen Abwärtstrend. Nach den Bundestagswahlen wird die Bourgeoisie den arbeitenden Massen in Deutschland, die Rechnung für die „Bewältigung“ der Corona-Pandemie präsentieren.
In vielen Bereichen der Industrie steht Personalabbau an. Viele Kurzarbeiter werden nicht mehr in ihre alten Beschäftigungsverhältnisse zurückkehren. Die führenden Wirtschaftsinstitute fordern eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre. Die Mietpreisbremse in Berlin wurde vom Verfassungsgericht gekippt. Massiver Sozialabbau in puncto Arbeit, Wohnung und Gesundheit werden zunehmen. Es stellen sich demzufolge zwei Fragen:
Erstens, wer von beiden Kandidaten schafft die Rückkehr zur schwarzen Null und wird gleichzeitig am besten in der Lage sein, den zunehmenden sozialen Widerstand im Interesse der Bourgeoisie zu konterkarieren? Zweitens, welcher der beiden Kandidaten hat die besten Wahlaussichten bei den Bundestagswahlen am 26. September?
Die letzte Frage kann ziemlich deutlich beantwortet werden. Markus Söder ist wesentlich populärer und nach allen Umfragen der Meinungsinstitute weit vor Armin Laschet anzusiedeln. Aus diesem Grund setzte Söder auf eine gewisse Spaltung der Union. Söder wird wahrscheinlich am kommenden Dienstag, die Fraktionen von CDU/CSU im Bundestag über die Kanzlerkandidatenfrage abstimmen lassen. In diesem Szenario hat Söder die wesentlich besseren Chancen, was nicht nur an seiner ausgefeilten Rhetorik, sondern auch an dem Eigeninteresse vieler CDU-Abgeordneter liegt. Viele haben aufgrund der Umfrageergebnisse der Union schlicht und ergreifend Angst um ihre Pfründe bzw. ihre Bundestagsmandate. Viele sind der Meinung, dass mit Söder ein besseres Wahlergebnis für die Union erreicht werden könnte.
Dieser mögliche Vorgang wäre in der Geschichte der BRD nichts Einmaliges. Im Jahr 1979 hat sich Franz Josef Strauß, gegen den anderen angedachten Kanzlerkandidaten der Union, Helmut Kohl, in einer gemeinsamen Fraktionssitzung durchgesetzt. Damals wurden die vorausgegangenen Präsidiumsbeschlüsse der CDU in die Tonne getreten. Am 15. April sprach sich der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Rainer Hasselhoff, sehr deutlich für die Kandidatur von Söder aus. Das ist kein Zufall. Im Juni sind Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und die dortige CDU befindet sich in panikartiger Stimmung. Nun zu den beiden Kandidaten selbst.
Armin Laschet
Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie als scheinbar schwankendes Rohr im Wind präsentiert. Einmal war er für Öffnungen, dann wieder für Schließungen und letztendlich dachte er nach. Vor den Osterferien meinte Laschet, nachdem er sich zuvor einen Rüffel von der Kanzlerin einhandelte, „ich werde über die Osterfeiertage nachdenken“. Das führte zu jede Menge Spott und Häme im Internet. Nach den Feiertagen meinte er mit der Begrifflichkeit „Brückenlockdown“ eine passende Formulierung für inhaltslose Politik gefunden zu haben. Er sagte allerdings nicht wo diese Brücke gebaut werden soll, welche stabilen Träger sie hat und wo sie enden soll.
Auch die Unterstützung im Kampf um den CDU-Vorsitz durch den zu Recht äußerst unpopulär gewordenen Jens Spahn, ist ihm auf die Füße gefallen. Armin Laschet betont auch immer wieder, wie wichtig ihm ein Bündnis mit der FDP sei. Die Grünen oder gar ökologische Themen kommen in den Reden von Laschet kaum oder nur am Rande vor. Anlässlich einer Diskussion bei Markus Lanz, blamierte sich der potenzielle Kanzlerkandidat Laschet bis auf die Knochen. Viele konkrete Fragen wusste er nicht zu beantworten. Immer wieder kam Aussagen wie „kann sein“ oder „vielleicht“.
Was ihm bedingt nützt ist die offene Unterstützung seines unterlegenen Mitbewerbers um den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz. Diese Unterstützung ist allerdings auch mit Vorsicht zu betrachten. Merz ist der personifizierte Ausdruck für radikalen Sozialabbau im Interesse des großen Geldes. Die Stärke von Armin Laschet ist seine gute Vernetzung in den Führungsgremien der CDU. Auch ist er in der Lage mal den netten Onkel zu spielen. Was allerdings nicht sehr viele Wähler und Wählerinnen überzeugt.
Was ihm zugutekommt ist die Angst von einigen CDU-Funktionsträgern vor dem Bedeutungsverlust ihrer eigenen Partei und ihrer eigenen Person, wenn Markus Söder das Rennen macht. Die Bourgeoisie hält sich jedoch bezüglich der Unterstützung von Laschet zurück. Sie scheint nicht davon auszugehen, dass in der kommenden harten Periode, mit der Gefahr von sozialem Widerstand, der Mann aus Aachen der Richtige sei.
Anderseits hat man mit Laschet durch langjährige Erfahrungen seitens des Kapitals nur Gutes erlebt. Laschet hat fast schon auf jeden Pfiff aus den Konzernzentralen reagiert. Söder hingegen ist ein Stück weit unberechenbarer, denn er macht auch mal ein Zugeständnis speziell gegenüber dem Kleinbürgertum. Laschet ist als politische Personalie offensichtlich bei den Banken und Konzernen umstritten. Nicht wegen seiner Bindung ans Kapital, sondern weil er sich im politischen Geschäft oft wie ein Nasenbär durch die Arena ziehen lässt. So geschehen am vergangenen Dienstag, als Laschet völlig unvorbereitet in die Unionsfraktion zum Duell mit Söder wankte. Letzterer forderte man höre und staune eine „radikal andere Klimapolitik“. Laschet kam nur mit „vielen Wenn und Aber“ daher.
Markus Söder
Der fränkische Bayer hat sich in der Coronapandemie, obwohl die Zahlen in Bayern das überhaupt nicht hergeben, als entschiedener Kämpfer gegen die Pandemie profiliert. Söder ist geschickt, sowie rhetorisch beschlagen. Er schlägt sich in den Talkshows wesentlich besser als sein Konkurrent aus NRW. Er gilt als Machtmensch, welcher ziemlich rücksichtslos sein eigenes Ego in den Vordergrund stellt. Mit diversen taktischen Finessen hat Söder, Horst Seehofer als CSU-Vorsitzenden und bayrischen Ministerpräsidenten abserviert.
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit sucht er die Kamerateams auf und gibt gut anzuhörende Erklärungen ab. In Wahrheit hatte Söder zur Bekämpfung der Pandemie nichts Wesentliches beigetragen, außer immer wieder in diversen Spitzen den Bund für das „schleppende Impftempo“ verantwortlich gemacht. Söder selbst hat in Bayern tausende von Wohnungen privatisiert. Auch er steht genauso wie Laschet für Sozialabbau und Elend.
Allerdings ist Söder taktisch flexibler als der Mann aus Aachen. Als in Bayern ein Volksbegehren unter dem Motto „Rettet die Bienen“ stattfinden sollte, hat Söder ruckzuck das Volksbegehren als Regierungsvorlage eingebracht und sogar noch einige Punkte hinzugefügt was einige grüne Politiker im Freistaat durchaus verwirrte.
Vor Jahren gab es gegen die Studiengebühren in Bayern massive Proteste an Schulen und Universitäten. Der damalige Koalitionspartner der CSU, die FDP, zeigte sich unnachgiebig aber der damalige Finanzminister Söder bestand dann doch auf die Abschaffung der Studiengebühren, mit dem Nebeneffekt die FDP aus dem Landtag zu katapultieren. Das heißt Söder ist durchaus bereit, Zugeständnisse zu machen, um sich selbst und die CSU zu stärken.
Aber genau das ist es, was die Industrie und die Bankenwelt bezüglich Söder zögern lässt. Söder vertritt genau wie Laschet die elementaren Interessen der Bourgeoisie. Dennoch ist Söder etwas unberechenbarer, denn er ist sehr stark auf Wahlergebnisse fixiert ist und auf seine eigene Popularität. Deshalb nimmt er nicht jeden Wunsch des Kapitals gleich an. Söder ist einer der durchaus im Stande ist zu lavieren und seine eigene Person auf der Basis der bürgerlichen Ordnung immer wieder in den Vordergrund zu stellen. Das ist die Eigenschaft, welche weite Teile der Bourgeoisie zur Zurückhaltung veranlasst.
Fazit
Der Machtkampf innerhalb der Union ist Ausdruck der tiefen Krise des kapitalistischen Systems. Sie ist auch Ausdruck der bevorstehenden Welle von sozialen Grausamkeiten. Die traditionellen Parteien des Bürgertums verlieren in ganz Europa ihre Massenbasis. Diese Gefahr besteht momentan auch in Deutschland bezüglich der Union.
Sollte letztendlich Söder doch von seiner Kanzlerambition, vorläufig die Finger lassen, wäre das keine Niederlage. Söder könnte sich in seine bayerische Festung zurückziehen und von dort aus genüsslich das Wahldesaster der Union beobachten und kommentieren. Ganz nach dem Motto, „ich habe es euch ja gleich gesagt“. Die bayerische Union würde dann daraufsetzen, dass letztendlich bei der Zuspitzung sämtlicher Widersprüche doch noch der Ruf nach dem starken Mann aus Bayern ertönt.
Unter Laschet oder unter einem anderen Kanzler könnte das alte bayerische Politikmodell von der „Ordnungszelle Alpenland“ noch lauter als bis dato ertönen. Der Reaktionär Söder würde tönen: „Wir in Bayern, die in Berlin“. Oder um es mit Franz-Josef Strauß zu sagen: „Wenn die Verflachung der Politik beginnt, dann muss aus den bayerischen Bergen die Rettung kommen.“ Aber wir leben in anderen Zeiten als in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Arbeiterklasse wird die starken Angriffe auf sich nicht kampflos hinnehmen. Auch der Zocker Söder wird daran nichts ändern.
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