Wer in unserer Gesellschaft eine Aufteilung derselben „nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit“ auch nur erkennt, der tritt laut Ansicht der Bundesregierung die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ mit Füßen. So begründet der Staat nämlich unter anderem die Beobachtung der linken Tageszeitung junge Welt (jW) durch den Verfassungsschutz. Seit 2004 taucht der Name der Publikation als einzige Zeitung in Deutschland im Verfassungsschutzbericht auf. Nach einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hat die Regierung die Beobachtung der jW als „extremistische Gruppierung“ nun begründet und damit gezeigt, wie es um das bürgerliche Recht der Meinungs- und Pressefreiheit für linke Veröffentlichungen steht. Welche Lehren müssen wir daraus ziehen?
Klassendenken und Klassenpraxis
Das grundlegende Problem der Bundesregierung mit der jW ist deren marxistische Einstellung – oder besser der Marxismus an sich. Denn in der Begründung heißt es: „Bei der jW handelt es sich um eine eindeutig kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung. Ihre marxistische Grundüberzeugung enthält als wesentliches Ziel, die freiheitliche Demokratie durch eine sozialistische/kommunistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen.“ Die revolutionäre marxistische Grundüberzeugung der Zeitung basiere auf verschiedenen Aspekten, „die sich gegen Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung richten“. Einer dieser Punkte ist laut Bundesregierung die eingangs erwähnte „Aufteilung einer Gesellschaft nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit“. Denn Menschen dürften nicht zum „bloßen Objekt“ degradiert oder einem Kollektiv untergeordnet werden, sondern der einzelne sei stets als grundsätzlich frei zu behandeln.
Damit wirft die Bundesregierung der jW also Klassendenken vor. Doch wer betreibt Klassenpraxis? In Staat und Revolution schreibt Lenin dazu folgendes: „Im Kapitalismus haben wir den Staat im eigentlichen Sinne des Wortes, eine besondere Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere, und zwar der Mehrheit durch eine Minderheit.“ Der Staat ist immer ein „Organ der Klassenherrschaft“ – im Kapitalismus also das der Kapitalisten. Rechtssystem, Militär und Polizei dienen hauptsächlich dazu, das Eigentum der herrschenden Klasse an den Produktionsmitteln zu schützen. Denn aus diesem Privateigentum ziehen die Kapitalisten ihren Profit und ihre Macht. Auf der anderen Seite muss die Masse der Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen, um überhaupt überleben zu können. Sie ist die Quelle des Profits.
Der Marxismus mit seiner wissenschaftlichen Weltanschauung zeigt eben diese gesellschaftlichen Widersprüche auf. Nicht der Marxismus teilt die Gesellschaft in Klassen auf, sondern der Marxismus legt offen, dass die Gesellschaft in Klassen geteilt ist. Es ist demnach kein Wunder, dass bürgerlich-demokratische Rechte, zum Beispiel die Presse- und Meinungsfreiheit, bei marxistischen Publikationen wie der jW aufhören zu gelten.
Vierte Gewalt oder Instrument der Herrschenden?
Dabei haben Medien nach der bürgerlichen Ideologie doch eigentlich genau diese Wächterfunktion gegenüber Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Aber wie steht es wirklich um die Rolle und Unabhängigkeit der sogenannten „Vierten Gewalt“?
Im Gegensatz zur bürgerlichen Auffassung stehen Medien nicht außerhalb oder über der Gesellschaft. Sie produzieren ihre Inhalte als Waren für einen Markt, sind also selbst Teil der kapitalistischen Produktionsweise. Darüber hinaus ist Werbung, zum Beispiel im Fernsehen oder als Anzeigen in Druckerzeugnissen, einer der Hauptfinanzierungsmethoden von Medien. Man kann sich leicht vorstellen, wie unabhängig oder eben nicht eine Zeitung berichtet, wenn etwa der wichtigste Anzeigenkunde in einem Skandal verwickelt ist.
Kapitalinteressen stehen also im direkten Widerspruch mit der demokratischen Funktion der Medien. Als privatwirtschaftlich orientierte Unternehmen sind sie selbst Teil der herrschenden Klasse, vertreten und reproduzieren damit auch deren Interessen und Ideologie. Nicht anders steht es aber auch mit den öffentlich-rechtlichen Medien. Auch sie berichten nicht unabhängig und „neutral“. Sie sind Teil des bürgerlichen Staates, der wiederum ein Instrument in den Händen der Kapitalisten ist.
Bürgerliche Moral
Gleichzeitig wirft die Bundesregierung der jW vor, eine „bestimmte inhaltliche Linie erkennen“ zu lassen und „kein breites Spektrum von verschiedenen Meinungen und Ansichten“ widerzuspiegeln. Dabei ist die sogenannte Binnenpluralität, also dass Medien mit verschiedenen politischen Linien nebeneinander bestehen, eigentlich im Grundgesetz und Presserecht verankert. So urteilte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2005 etwa, dass die weit rechtsstehende Wochenzeitung Junge Freiheit nicht im Verfassungsschutzbericht genannt werden darf. Denn das würde ihre Wirkungsmöglichkeit nachhaltig beeinflussen. Potenzielle Leser, aber auch Inserenten sowie Journalisten könnten von der Nennung abgeschreckt werden und die Zeitung boykottieren.
Von der Linksfraktion in der Kleinen Anfrage nach dieser Doppelmoral gefragt, antworte die Bundesregierung, dass die beiden Fälle nicht vergleichbar seien. Die Junge Freiheit sei lediglich als „rechtsextremer Verdachtsfall“ im Verfassungsschutzbericht genannt worden. Sie würde einen „Markt der Meinungen“ mit einem Spektrum von rechtskonservativ bis völkisch-faschistisch abbilden. Eine extremistische Gesinnung ließe sich daher nicht pauschal auf die gesamte Redaktion übertragen. Die jW dagegen „versteht sich gerade nicht als ‚Markt der Meinungen‘, sondern die Auswahl der Artikel und Meinungsäußerungen lässt eine bestimmte inhaltliche Linie linksextremistischer Natur erkennen“, heißt es in der Begründung der Bundesregierung.
Meinungsvielfalt oder Medienmonopole?
Wie es aber tatsächlich um diesen „Markt der Meinungen“ und die Vielfalt in bürgerlichen Zeitungen steht, zeigt ein Blick auf die sogenannte Medienkonzentration, also wie viel Marktanteil ein bestimmter Verlag besitzt. Genau das untersucht das Medienforschungsinstitut FORMATT in einer Analyse, die alle zwei Jahre erscheint. In der jüngsten Studie aus dem Jahr 2020 setzt sich ein Trend deutlich fort: Die fünf größten Verlage teilen sich beinahe die Hälfte des gesamten Tageszeitungsmarkts in Deutschland untereinander auf. Die Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung, Axel Springer, die Funke Mediengruppe sowie die Verlagsgruppen Ippen und Madsack haben zusammen einen Marktanteil von 41,3 Prozent. Um diesen Wert schwanken die Zahlen seit 2012. Einige wenige, große Unternehmen können also die öffentliche Meinung mit ihren Publikationen maßgeblich beeinflussen. In wessen Sinne sie das tun, liegt auf der Hand.
Für eine Presse der Arbeiterklasse
Welche Lehren müssen wir daraus ziehen? Die bürgerlichen Medienunternehmen sind nicht unabhängig, sondern Teil der herrschenden Klasse und vertreten somit deren Klasseninteresse. Bürgerliche Rechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Rolle der Presse als „Vierte Gewalt“ sind Teil des ideologischen Überbaus des Kapitalismus. Sie gelten nur solange es dem Interesse der Herrschenden entspricht. Gleichzeitig ist der Medienmarkt unter wenigen, großen Unternehmen aufgeteilt, die die öffentliche Meinung zu ihrem Vorteil beeinflussen und ihre Ideologie reproduzieren können. Ein tatsächlicher Ideenaustausch findet nicht statt.
Arbeitet eine Zeitung wie die jW gegen die Interessen der Herrschenden, hören Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit auf zu gelten. Für uns gilt es, die jW zu verteidigen. Sie hat unsere volle Solidarität, denn die Arbeiterklasse braucht ihre eigenen Zeitungen, die aus ihrer Perspektive und in ihrem Interesse berichten. Wir dürfen die Auslegung dieser Grundrechte nicht einigen wenigen überlassen. Wir müssen uns für eine Gesellschaft einsetzen, in der die Mehrheit das Sagen hat – und das heißt, für den Sozialismus kämpfen.
Nicht nur Zeitung, sondern Kampfmittel
Ein wichtiger Teil in diesem Kampf für den Sozialismus, ist eine Zeitung der Arbeiterklasse, die deren Interessen vertritt und eine Bühne gibt. Lenin schrieb in „Womit beginnen?“ dazu:
„Die Rolle der Zeitung beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Verbreitung von Ideen, nicht allein auf die politische Erziehung und die Gewinnung politischer Bundesgenossen. Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator. […]
Mit Hilfe der Zeitung und in Verbindung mit ihr wird sich ganz von selbst eine beständige Organisation herausbilden, die sich nicht nur mit örtlicher, sondern auch mit regelmäßiger allgemeiner Arbeit befasst, die ihre Mitglieder daran gewöhnt, die politischen Ereignisse aufmerksam zu verfolgen, deren Bedeutung und Einfluss auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten richtig zu bewerten und zweckmäßige Methoden herauszuarbeiten, durch die die revolutionäre Partei auf diese Ereignisse einwirken kann.“
Voraussetzung ist eine revolutionäre Organisation, die hinter der Zeitung steht. Die Leserschaft muss sich aktiv an der Produktion, der Veröffentlichung sowie der Verbreitung der Zeitung und der Ideen beteiligen. So wird die Arbeiterzeitung eine tatsächliche Plattform des Ideentausches zwischen der Arbeiterklasse und der revolutionären Organisation und ihrer Mitglieder. Allein die Vorstellung davon versetzt die Herrschenden in Angst und Schrecken, wie das Beispiel jW zeigt. Denn die Bundesregierung beschreibt die Tageszeitung als „extremistische Gruppierung“ und „ausdrücklich aktionsorientiert“, da sie auch für „Aktionen mobilisieren und den Widerstand formieren“ wolle.
Als Funke bauen wir genau so eine revolutionäre Zeitung auf. Wir wollen nicht nur kommentieren, sondern die klassenkämpferischen Schichten der Arbeiterklasse und der Jugend um ein revolutionäres Programm versammeln. Nur so können wir einen effektiven Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung sowie gegen Halbwahrheiten und blanke Lügen in den bürgerlichen Medien führen. Jeder unserer Artikel ist ein Aufruf aktiv zu werden und liefert Beträge dazu, was die nötigen nächsten Schritte in sozialen Kämpfen sind. Unser erklärtes Ziel ist die sozialistische Revolution. Wir wollen die Klassenspaltung tatsächlich überwinden, statt sie nur zu verschleiern, wie die Bürgerlichen es tun.
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