Am 27. Februar, drei Tage nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs, kündigte Bundeskanzler Scholz an, die deutschen Militärausgaben deutlich zu erhöhen und ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr einzurichten. Das entspricht über 20 Prozent des gesamten Bundeshaushalts für 2022. Für dieses Jahr soll der Bundeswehretat offiziell 50,3 Milliarden Euro betragen. Das sind etwa 3 Milliarden mehr als im Jahr 2021 und ein Anstieg von mehr als 50 Prozent seit dem Jahr 2014. Mit dem Sondervermögen sollen beispielsweise F-35 Kampfjets beschafft werden. Diese können die in der Bundesrepublik gelagerten US-Atomwaffen an ihr Ziel befördern. Zum Vergleich: Während der letzten Pandemie-Jahre haben Pfleger und Pflegerinnen zusammengenommen gerade einmal eine Bonuszahlung von einer Milliarde Euro bekommen. Die Berliner Krankenhausbewegung hat berechnet, dass mit den 100 Milliarden Sondervermögen auch 200.000 Pflegekräfte mit einem Monatslohn von 4.000 Euro über zehn Jahre lang angestellt werden könnten.
Seit Jahren findet ein Wettstreit imperialistischer Mächte um Absatzmärkte, Ressourcen, billiger Arbeitskräfte und Einflusssphären statt. Die deutsche, die US-amerikanische und die chinesische Wirtschaft sind vom Export abhängig. In Zeiten einer schwächelnden Konjunktur verschärfen sich diese Konflikte. Der Handelskrieg zwischen USA und China ist nur ein Ausdruck davon. Ein anderer ist die Aufrüstung der europäischen Nationalstaaten. Letztlich müssen die nationalen Kapitalinteressen auch militärisch durchgesetzt werden können. Das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI spricht für Europa von einem Anstieg um 19 Prozent bei der Einfuhr von Rüstungsgütern im Zeitraum von 2017 bis 2021 im Vergleich zu 2012 bis 2016. Das ist mehr als auf jedem anderen Kontinent. Auch sind die Militärausgaben der NATO von 895 Milliarden Dollar im Jahr 2015 auf 1.106 Milliarden im Jahr 2020 angestiegen.
Aufgrund der deutschen Vergangenheit galt für lange Zeit der Grundsatz, dass die Bundesrepublik keine eigenständige militärische Rolle spielen darf. Die Gründung der Bundeswehr 1955 als sogenannte Verteidigungsarmee sorgte für Proteste aus der Arbeiterklasse, die nach dem Zweiten Weltkrieg keine erneute Aufrüstung des deutschen Imperialismus wollte. Auslandseinsätze wie im Kosovo, Afghanistan, Irak und Mali zeigen, dass die Bundeswehr, wie jede bürgerliche Armee, der Durchsetzung imperialistischer Kapitalinteressen dient.Die Bundesregierung nutzte im Zuge des Ukraine-Kriegs die Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Dominanz in der EU auch militärisch zu stärken. Die deutsche herrschende Klasse will in Zukunft eine unabhängigere und stärkere Rolle im imperialistischen Konkurrenzkampf spielen. „Ein nicht kleiner Teil unserer Bevölkerung ist pazifistisch eingestellt“, sagte Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, kürzlich in einem Spiegel-Beitrag, „diese Menschen lassen sich vermutlich eher von einem sozialdemokratischen Kanzler und einer grünen Außenministerin überzeugen, jetzt auch militärisch aktiv zu werden. Wenn in dieser Situation die CDU den Kanzler stellen würde, stünden wir vor einem Akzeptanzdefizit und damit vor sehr großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ (Spiegel 2022 Nr. 13). Die Sozialdemokratie erfüllt erneut die Rolle des politischen Bindemittels, um die Arbeiterklasse an die Interessen der herrschenden Klasse zu leimen.
Auch die EU soll bis 2025 eine eigene „schnelle Eingreiftruppe“ mit 5.000 Soldaten bekommen, in der die Bundeswehr den „Kern“ stellen wird. Die europäische Rüstungsindustrie soll gezielt gefördert werden, bspw. indem die Rüstungsprojekte von der Mehrwertsteuer befreit werden oder „Verteidigungs“unternehmen einen besseren Zugang zu privatem Kapital erhalten. „Um ein globaler Sicherheitsakteur zu sein, müssen die außenpolitischen Stärken der EU mit ‚Hard power‘-Fähigkeiten ergänzt werden“, sagte David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses gegenüber dem Handelsblatt (23.03.2022).
Es ist blanke Heuchelei, dass die militärische Aufrüstung geschieht, um die ukrainische oder europäische Bevölkerung zu schützen. In der Ukraine findet ein Stellvertreterkrieg der imperialistischen NATO, EU und deutschen Kapitalinter- essen gegen russische imperialistische Bestrebungen statt. Die Waffenlieferungen dienen nicht dazu, der ukrainischen Bevölkerung zu helfen, sondern den Krieg in die Länge zu ziehen, um ihn so kostspielig wie möglich für den russischen Imperialismus zu machen. In diesem Zuge ist die deutsche Regierung auch bereit, Panzerfäuste, Flugabwehrraketen und alte Panzer aus der DDR an die Ukraine zu liefern.
Das Leid der ukrainischen Bevölkerung wird nur als Feigenblatt genutzt, um weitere Unterdrückung und Leid vorzubereiten. Aufrüstung, Truppeneinsätze, Waffenlieferungen und Sanktionen verschärfen die imperialistischen Kämpfe nur und lösen sie nicht auf. Da der Kapitalismus in der Krise immer wieder Kriege hervorrufen wird, ist die konsequenteste Bekämpfung von Kriegen der Kampf für den Sozialismus. Dieser Kampf ist notwendigerweise international. Wir unterstützen unsere Klassenbrüder und -schwestern, indem wir für den Sturz des deutschen Kapitals eintreten.
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