Kategorie: Deutschland

Die letzte Zugfahrt: Zum katastrophalen Zustand der Deutschen Bahn in Bayern

Der sehr schlechte Zustand des Schienennetzes in Deutschland ist besonders symptomatisch für die Jahrzehnte anhaltende Sparpolitik des ÖPNVs. Besonders in Bayern verkehren auf vielen eingleisigen Strecken der wilhelminischen Kaiserzeit immer noch Dieselloks aus den 1980er-Jahren. Reparaturen, Zugausfälle und teure Fahrpreise sind an der Tagesordnung; die vielen Zugunglücke und Bahntote im Freistaat sind kein Zufall, sondern vorprogrammiert.

flickr / Nelso Silva


Das jetzige Wintersemester hätte für die Studierenden an der Technischen Hochschule in Rosenheim kaum schlechter anfangen können: Extrem hohe Mietskosten, Störungen im hochschulinternen Rechnungszentrum – und jetzt noch die Sperrung der Bahnstrecke Rosenheim-Wasserburg: Am 26. September wurde bekannt, dass die Zugverbindung plötzlich für kurze Zeit gesperrt sei. Es war „von einer Reparatur“ bei Ramerberg im Landkreis Rosenheim die Rede; man solle spätestens bis zum Sonntag, den 09. Oktober warten, so die Südostbayernbahn. Die nicht wenigen pendelnden Studenten und Arbeiter sind nun auf den Schienenersatzverkehr bzw. auf das Auto angewiesen.

Aus den geplanten „paar Tagen“ wurden aber schleichend Monate, denn die Bahn rechne doch damit, erst ab dem 10. Dezember den Zugbetrieb wieder aufnehmen zu können. Des Weiteren entpuppte sich die „Reparatur“ als massiver Dammrutsch, wodurch nun 30.000 Tonnen Unterbau abgetragen werden müssen. Die Gleise hängen einen Meter in der Luft. Ein Wunder, dass zur Zeit des Erdrutsches keine Züge verkehrten, sonst hätte das selbsternannte „Bahnland Bayern“ wiederholt viele Bahnverletzte und -tote aufzuweisen.

Der nun zwischenzeitlich eingesetzte Schienenersatzverkehr von Wasserburg am Inn nach Rosenheim ist mit den Bahnpendlern aus dem Chemiedreieck nicht abgestimmt. Sehr oft verspäten sich die jeweiligen Verbindungen – oder manche Ersatzbusse wurden spontan komplett gestrichen. Die weit über 200-Euro teuren Monatskarten sind mit einer mehrstündigen Nervenreiberei verbunden, zumal die Weiterfahrt nach Rosenheim mit dem nun begonnen Wintersemester zu einem regelmäßigen Verkehrschaos führt.

Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass Gleise in dieser Region weggespült worden sind. Bereits vor drei Jahrzehnten wurde die einzige Bahnverbindung zwischen dem Wasserburger Bahnhof und ihrer Altstadt „Opfer eines Unwetters“, wie die offizielle Darstellung verlautbarte. Und in der Tat, nach starken Regenfällen wurden im Frühjahr 1987 Gleise auf 50 Metern Länge unterspült, wodurch der Eisenbahnbetrieb für immer eingestellt worden ist. Kritische Beobachter und Lokführer aus der Zeit meldeten aber, dass anliegende Durchlassrohre mit Ästen verstopft waren, die nicht weggeräumt wurden. Die Meldung bei den damaligen DB-Dienststellen ergab die Antwort: „Dafür haben wir kein Geld“. Einige Wochen später folgte auf „jenes Unwetter“ die Bescherung.

Kaputte und weggespülte Gleise sind keine Einzelfälle, sondern Ergebnis einer systematischen kapitalistischen Sparpolitik im ÖPNV. Nur fast hätte sich Ramerberg in die Liste der bayerischen Zugunglücke nach Bad Aibling, Aichach, Schäftlarn und Garmisch-Partenkirchen einreihen können. Insgesamt verletzten sich in den vier obengenannten Zugunglücken 227 Menschen teils schwer, außerdem verloren dabei innerhalb von sechs Jahren 20 Menschen ihr Leben auf den Gleisen des Freistaates.


Warum so viele tödliche Zugunglücke in Bayern?

Der über Jahre andauernde Investitionsstau der Deutschen Bahn beträgt mittlerweile knapp 50 Milliarden Euro, so der Bayerische Rundfunk kürzlich. Ein Großteil davon betreffe Bayern, zumal der hohe Verschleiß von maroden Gleisen und alten Zügen den Sanierungsrückstand deutlich zugespitzt hatte und es weiterhin tun wird. Die veraltete Infrastruktur der Steuerungs- und Signaltechnik sind Standard im Freistaat, zumal einige mechanische Stellwerke und Signalanlagen seit der Regentschaft des Märchenkönigs Ludwig II ununterbrochen im Einsatz sind. Die vielen tödlichen Zugunglücke in Bayern sind unter solchen Umständen Ergebnis des Kaputtsparens des Schienennetzes als auch der Privatisierung und Fragmentierung der Deutschen Bundesbahn im letzten Jahrtausend.

Der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) brüstet sich damit, unter seiner Amtszeit „Geld von dort oben in Berlin zu uns ins Paradies“ verschafft zu haben, um größtenteils unsinnige Straußenbauprojekte im flächenmäßig größten Bundesland zu finanzieren. „Bayern zuerst, Straße vor Schiene!“, so sein Credo. Auch wenn Scheuer in der Vergangenheit oft von einem Fettnäpfchen ins nächste schleuderte (Stichwort Autobahn-Maut), so ist die Verkehrspolitik der jetzigen Ampelregierung de-facto die Fortsetzung eines Subventionsprogramm für die Profite der Automobilindustrie.

Die Versprechen der Modernisierung der Deutschen Bahn bis 2030 vom Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sind im Hinblick auf die autofreundliche Politik seiner Partei und Koalitionspartner an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Weder die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets noch der flächenmäßige Ausbau als auch die Reaktivierung von Bahnstrecken ist geplant, sondern die Förderung von E-Mobilität, um den Absatz der deutschen Autoindustrie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu halten. Eine wirkliche Verkehrswende in Zeiten von Energie- und Klimakrisen sieht aber anders aus.

Die Bahn gehört verstaatlicht

Letztendlich zeigen all diese Widersprüchlichkeiten auf, dass erst eine sozialistische Verkehrspolitik in der Lage sein wird, ein Bahnnetz zu schaffen, in der weder Verkehrstote noch Zugausfälle und lange Verspätungen auf der Tagesordnung stehen. Ein sinnvoll geplantes Zusammenwirken einer sozialen und ökologischen Verkehrsplanung ist in keiner Welt vorstellbar, in der die Autoindustrie das Non-Plus-Ultra jeglicher Schaffung von neuen Verkehrswegen angibt. Stuttgart 21, die zweite Stammstrecke in München oder die Privatisierung der S-Bahn in Berlin, sind nur wenige von vielen Beispielen, wie eine Verschlechterung des Bahnwesens von der herrschenden Politik als Erfolg verkauft wird – und am Ende die Chefetagen von VW, Daimler und BMW drüber nur lachen können. Hauptsache, der Profit stimmt.

Wir sagen aber klar: Es ist Zeit für eine sozialistische Planwirtschaft, in der die Deutsche Bahn samt anderen privaten Bahnnetzen, als auch die Automobilindustrie, in öffentliches Eigentum überführt sowie unter demokratischer Arbeiterkontrolle gestellt wird. Nicht Bahngleise, sondern der Kapitalismus samt seiner verlogenen Verkehrspolitik muss weggespült werden!

  • Stopp der Subventionen an die Autoindustrie! 
  • Die Bosse zur Kasse: Öffentlicher Personenverkehr zum Nulltarif!
  • Netz und Betrieb aus einer Hand: Privatisierung und Zerschlagung beenden und rückgängig machen!
  • Für die Vollfinanzierung von Schiene und Betrieb, Instandsetzung und -haltung sowie flächenmäßigen Ausbau, Reaktivierung und Erneuerung von Bahnstrecken aus den Profiten der Konzerne und Banken! 
  • Verstaatlichung der Deutschen Bahn sowie der Autoindustrie unter demokratischer Arbeiterkontrolle!
  • Für die sozialistische Planwirtschaft!

 

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