Kategorie: Deutschland |
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Energiekrise und Inflation: Wir sitzen nicht im selben Boot! |
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Lebensmittel 20 %, Benzin 15 %, Diesel 37 %, Strom 38 % und Gas 124 % – so viel teurer sind tägliche Verbrauchsgüter durchschnittlich im Vergleich zum Vorjahr. Wer derzeit seinen gewohnten Lebensstandard halten möchte, greift tief in die Tasche. Kaum ein Lebensbereich bleibt von der hohen Inflation und den gestiegenen Preisen für Energie und Transport verschont. Auch die Mieten steigen unabhängig der Nebenkosten stetig an. |
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Eine Konsequenz, die viele ziehen: Geld im eigenen Haushalt sparen. So werden 67 % der Haushalte dieses Jahr weniger heizen, stattdessen sollen warme Socken, Pullover, Decken usw. die fehlende Raumtemperatur ausgleichen. Zwei Prozent der Bevölkerung geben an, sich diesen Winter das Heizen gar nicht leisten zu können. Fast 30 % müssen dafür andere Ausgaben verringern. Weitere 14 % können die Folgen der hohen Preise noch nicht abschätzen. Durchschnittlich wandten bereits im Mai diesen Jahres 25,5 % der Haushalte über zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energieausgaben (Heizen, Warmwasseraufbereitung, Kochen und Strom) auf und waren damit energiearmutsgefährdet. Dazu kommt noch die Sorge, dass durch Lieferengpässe und Unterbrechungen der Energieversorgung Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Rund 83 % der Deutschen rechnen derzeit damit. Nicht aus Russland, dafür teurerVerursacht wird die laufende Energiekrise in Europa insbesondere durch den destabilisierten Welthandel und durch den imperialistischen Krieg in der Ukraine. Deutschland war bisher sehr stark vom Import russischen Gases und Öls abhängig, da es nur fünf Prozent des benötigten Gases selbst fördern kann. Vor dem Ukrainekrieg bezog es über 50 % des Gases aus Russland. Doch jetzt ist es in eine schwierige Lage versetzt und steht vor der Herausforderung, sich der Nato-Politik unterzuordnen und gleichzeitig die Energieversorgung und die nationale Wirtschaft aufrecht zu erhalten. Grund für die extrem steigenden Kosten für Strom und Gas sind die ersatzweise Beschaffung dieser Rohstoffe aus mehrheitlich anderen Ländern, wie Norwegen, Niederlande und Belgien, wobei die Nachfrage international stark gestiegen ist und damit einhergehend die Preise. Die Bundesregierung ist also sowohl aus dem Ausland als auch innenpolitisch riesigem Druck ausgesetzt. Die Bevölkerung will Sicherheit für die Zukunft und Hilfe, um durch die Energiekrise zu kommen. Rund 80 % der Bürger fordern Maßnahmen, um die Energiekosten zu senken. Kleinunternehmer fürchten mit jeder Teuerungswelle ihr Geschäft zu verlieren. Gleichzeitig sorgen sich die Großunternehmen um ihre Profite, die sie trotz Krise für den Rest der Bevölkerung weiterhin erzielen. Dass sie sich dabei immer auf die helfende Hand des Vater Staat verlassen können, steht trotz Streitigkeiten im Bundestag zwischen Regierungsparteien und Opposition für die Kapitalistenklasse fest. CDU und SPD werfen sich gegenseitig Inkompetenz vor, aber sie sind sich dennoch einig: Es gilt den Wirtschaftsstandort Deutschland zu schützen, mit allen verfügbaren Mitteln. Der Staat greift einUrsprünglich wollte die Bundesregierung die Konzerne mit einer „Gasumlage“ retten , doch sie wurde gekippt, bevor sie überhaupt zur Anwendung kommen konnte. Die explodierenden Gaspreise erfordern direkte Eingriffe des Staates. So forderten schon drei der größten Energieversorgungsunternehmen staatliche Hilfe an. Der Staat hat Uniper, den größten deutschen Importeur von Erdgas, gekauft. Er beteiligt sich zu 99 % an Uniper und gab dafür bisher 30 Mrd. Euro aus. Sefe, ehemals Gazprom-Tochterunternehmen, soll nun für 225,6 Mio. Euro komplett übernommen werden. Als nächstes an der Reihe für die Staatshilfe ist wohl der drittgrößte Gasimporteur Deutschlands, VNG, dem die Zahlungsunfähigkeit droht. Dessen eigenen Mutterkonzern, EnBW, der gerade Rekordprofite in Milliardenhöhe erzielt, zur Kasse zu bitten, hält Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nicht für nötig. In die finanzielle Notlage kamen die Energieversorger aufgrund ihrer Verträge mit den Gasabnehmern, denen sie Lieferungen über mehrere Jahre versprochen hatten. Dabei wird das Gas erst durch die Versorger eingekauft und dann über die eigene Infrastruktur, Gasterminals und -leitungen, an die Verbraucher weitergegeben. Aufgrund der aktuellen Gasknappheit, verursacht durch Sanktionierung des russischen Marktes und Abstellung der russischen Gaslieferungen, mussten die Versorger bei höherer internationaler Nachfrage teureres Gas einkaufen. Das hat ihre Liquidität stark beeinträchtigt und überstiegen. Während die Bundesregierung den Konzernen unbegrenzt zur Hilfe eilt, fordert sie die Bevölkerung dazu auf, in „Solidarität mit der Ukraine“ Energie zu sparen. Ausgestattet mit zahlreichen Tipps – à la Winfried Kretschmann (Grüne) und Co. – zum energiesparsamen Heizen, Duschen, Kochen und Waschen sowie mit täglicher Durchhaltepropaganda – Frieren für die „Freiheit“ und den „Frieden“ – sollen die Massen in Deutschland den nationalen Schulterschluss üben. Es scheint, als säßen alle im selben Boot. Ungleiche HilfenDamit die Bevölkerung, vor allem die ärmeren Teile, nicht komplett durch Inflation, Energiekosten und -sparmaßnahmen demoralisiert wird, setzt die Regierung auf mittlerweile das dritte „Entlastungspaket“. Alle drei zusammengenommen haben einen Umfang von 96 Mrd. Euro. Sie helfen weniger, als dass sie einen Schein aufrechterhalten: Die Regierung kümmere sich um alle. Die Versprochenen Almosen sind ein 49-Euro-Ticket, „Bürgergeld“, „Strompreisbremse“, Einmalzahlungen. Des Weiteren soll das Inflationsausgleichsgesetz für 2023 steuerliche Entlastung in der Höhe von 18,6 Mrd. Euro bringen, und 31,8 Mrd. Euro für 2024. Im Vergleich dazu kostete die Inflation die Arbeiterklasse bereits im ersten Halbjahr alleine durch die Mehrwertsteuer auf höhere Preise 29 Mrd. Euro mehr, bis Jahresende wahrscheinlich über 60 Mrd. Euro. Ebenfalls steigen Lohn-, Energie-, Alkohol-, Stromsteuer und Co. Zusätzlich stellt die Bundesregierung 200 Mrd. Euro für eine „Gaspreisbremse“ bereit, ein weiteres Sondervermögen, mit dem sie die Schuldenbremse zur Entrüstung ihrer EU-Partner umgeht. Das ist die bisher größte finanzielle Maßnahme des Staates, mit der die hohen Gaspreise für die Verbraucher, vor allem aber die Industrie, abgefedert werden sollen. Zur direkten Entlastung der am meisten betroffenen Industriesektoren schlägt die Gaspreiskommission ein 25-Mrd.-Euro-Paket vor das Gasgroßverbrauchern (20.000 bis 25.000 Unternehmen), die mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden brauchen, ermöglichen soll, zunächst 70 % ihres Vorjahresverbrauchs vergünstigt einzukaufen. Dieses subventionierte Gas sollen sie wiederum auf dem Markt verkaufen können. Anstatt die Vergünstigung für die eigene Produktion nutzen zu müssen, um damit die Warenpreise zu senken, können die Unternehmen in den Gashandel einsteigen, große Gewinne einstreichen und die eigene Arbeit einstellen. Das wiederum wird zu Verlusten von Arbeitsplätzen und europaweiten Lieferengpässen für wichtige in Deutschland hergestellte Vorprodukte führen. Das wird unter dem Deckmantel der Reduktion des Gasverbrauchs aktiv beworben. Nichtsdestotrotz, um im Winter keinen Ausfall der Energieversorgung zu riskieren, wurden die Gasspeicher so schnell wie möglich gefüllt, Gasterminals ausgebaut, die noch laufenden Kernkraftwerke vorerst nicht abgeschaltet und auch der Kohleausstieg verzögert. Ab Januar/Februar kommenden Jahres werden teilweise Blackouts erwartet , kontrollierte Abschaltung regionaler Stromnetze sollen ein marodes System vor dem Kollaps bewahren und bundesweite Überlastungen verhindern. Die Unabhängigkeit von russischem Gas, die Energieautarkie, dienen als Vorwand, die eigenen imperialistischen Interessen Deutschlands zu wahren. Es sind reaktionäre Konzepte, die der Realität direkt widersprechen. Statt Gas aus Russland wird nun Gas aus anderen oft nicht weniger „autokratischen“ Ländern importiert, Photovoltaik- und Windkraftanlagen setzen genauso internationalen Handel mit Ländern voraus, in denen Silizium und andere Rohstoffe zur Herstellung von Solarzellen und Computerchips zu unmenschlichen Bedingungen gefördert werden. Während sich die Arbeiterklasse einen Teil der Hilfsmaßnahmen längst selbst finanziert hat, wird sie für den Rest in der Zukunft zur Kasse gebeten werden. Die Schulden, die der Staat macht, um die Profite der Konzerne zu schützen, werden später als Sparpolitik in Rechnung gestellt. Unter kapitalistischen Bedingungen gibt es keine Lösung im Interesse der Arbeiterklasse, der absoluten Mehrheit der Bevölkerung. Dagegen wehren, können wir uns nur mit Klassenkampf gegen die Regierung, die Konzerne und das ganze kapitalistische System. Die gesamte Krise, von den Ursachen bis zu den unzureichenden Regierungsmaßnahmen , bezeugt die Unfähigkeit des Kapitalismus, auf die selbst geschaffenen Probleme zu reagieren oder sie gar zu verhindern. Anstatt die Energiewende voranzutreiben, die Klimakrise als größtes Problem unserer Zeit endlich effektiv anzugehen, verhindert das Privateigentum an Produktionsmittel eine bedürfnisangepasste Versorgung mit Rohstoffen und Energie. Anstelle von gezielter Förderung umweltschonender und nachhaltiger Technologien zur Produktion und Energiegewinnung durch internationale Kooperation gibt es einen stetigen Kampf einzelner Kapitalisten und Länder um die Sicherung des eigenen Absatzmarktes. Profite und Spekulation stehen an erster Stelle . Die nationalen Regierungen versuchen, im weltpolitischen Geschehen die Interessen der eigenen Kapitalistenklasse durchzusetzen und befinden sich so im stetigen Konflikt untereinander. Nur eine internationale, demokratisch geplante Wirtschaft in den Händen der Arbeiterklasse, die mit der Profitlogik bricht, kann die Zukunft der Menschheit sichern. Eine sozialistische Revolution ist notwendig, um endlich die herrschende Klasse zu stürzen und ihr den Besitz an den Produktionsmitteln zu entreißen.
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